Währings Bezirksvorsteherin Nossek zum Ergebnis der Grünen: "Haben an Profil verloren"
Dass die Grünen dem Nationalrat nicht mehr angehören, ist für viele überraschend. Silvia Nossek spricht im Interview über die Gründe, die ihrer Meinung nach zu dem massiven Wählerverlust geführt haben.
WÄHRING. Was hat Ihrer Meinung nach zu dem schlechten Ergebnis der Grünen geführt?
SILVIA NOSSEK: Es war ein denkbar schwieriges Umfeld mit diesem Dreiermatch der großen Parteien und einer Medienlandschaft, die einen unglaublichen Rechtsruck vollzogen hat. Gleichzeitig haben uns Grüne Versäumnisse der letzten zehn Jahre eingeholt. In diesen Jahren wurden wir von der Oppositions- zur Regierungspartei. Wir waren innerhalb kurzer Zeit an sechs Landesregierungen beteiligt, das hat uns vor unglaubliche Herausforderungen gestellt. Und es war zu wenig Zeit, um sich damit auseinanderzusetzen.
Warum?
Seit 2013 waren wir im Dauerwahlkampf, vor allem im Jahr 2016 mit den Bundespräsidentenwahlen. Alle haben von uns erwartet, dass wir nichts tun, was den Sieg Van der Bellens gefährdet. Da verliert man natürlich auch an Profil.
War es zu wenig klar, warum man die Grünen wählen soll?
Politik wird heute häufig so diskutiert, als ginge es darum, welches Produkt den Kunden gefällt und so am Wählermarkt erfolgreich ist – als würde es um Waschmittel gehen. Das halte ich für gefährlich: Es geht nicht um Waschmittel, sondern darum, wie wir unsere Gesellschaft gestalten wollen. Dass wir das nicht benannt und dem nichts entgegengesetzt haben, war ein Versäumnis. und wir konnten nicht klar machen, dass es bei grüner Politik um ein gutes Leben für alle geht. Es fahren nicht alle Rad, Bio-Essen können sich viele nicht leisten und haben so das Gefühl, grüne Politik hätte nichts mit ihnen zu tun. Da hätten wir Verbindungen herstellen müssen. Es geht bei Umweltpolitik um die Gesundheit von Kindern, um die Mobilität von älteren Menschen, nicht um abstrakte Dinge.
Hätte man das Flüchtlingsthema auch mit der Klimakatastrophe in Verbindung setzen sollen?
Der Zusammenhang ist da, aber nicht in einer eindeutigen Ursache-Wirkung-Relation. Aber was meiner Meinung nach unser Fehler bei diesem Thema war: Dass wir uns von rechter Seite dieses völlig seltsame Wort “Willkommenskultur” aufzwingen haben lassen. Wir freuen uns ja nicht, wenn Menschen vor Tod und Hunger fliehen müssen - aber in dem Moment wo sie hier sind, brauchen sie Schutz. Dass das so konstruiert wurde, als würden wir gerne noch viel mehr Menschen auf der Flucht haben, ist absurd.
Was waren weitere Gründe?
Was ich auch als Bezirksvorsteherin merke: In der Opposition sind die Grünen eine Projektionsfläche. Aber in der Regierung müssen die Menschen zur Kenntnis nehmen, dass nicht alles so schnell geht, wie man es gern hätte und dass manchmal auch Kompromisse gemacht werden müssen. Das ist eine neue Realität, der wir zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt haben.
Aber sollte das nicht auch für andere Parteien gelten?
Die SPÖ regiert in Wien seit 1945 – man weiß, was sie machen und die Erwartungen können nicht so sehr enttäuscht werden. Die Grünen hatten auf einmal viele Regierungsbeteiligungen, das war neu. Erinnern Sie sich an die FPÖ 2002 bei der ersten Wahl nach der Regierungsbeteiligung 1999 – lange bevor die Skandale der schwarzblauen Regierung bekannt waren: Ihre Wähler waren einfach enttäuscht, und sie hat massiv verloren.
Was müssen die Grünen jetzt tun?
Wir müssen uns mit den Herausforderungen des Regierens auseinandersetzen. Dann sollten wir unser Programm überarbeiten, es ist aus 2001. Es hat sich an den Grundthemen nichts geändert, aber Migration, das wachsende Wien, die Auswirkungen der Finanzkrise - das sollte man wiederfinden. Und dann müssen wir hinausgehen und uns nicht nur unter Gleichgesinnten bewegen. Natürlich ist letzteres einfacher und angenehmer. Nur: Wenn uns Grüne etwas antreibt, dann die Verantwortung, dass wir gemeinsam die bevorstehenden Veränderungen gestalten – und nicht über uns hereinbrechen lassen. Dass damit unsere Gesellschaft in Zukunft eine demokratische, solidarische und nachhaltige ist. Und dafür müssen wir Verbündete suchen.
Leiten Sie vom Wahlergebnis einen Auftrag ab, Ihre Arbeit zu ändern?
Ändern würde ich nicht sagen, aber es bestärkt mich darin, diesen Punkten Zeit und Energie zu widmen: Aufmerksamkeit auf die Regierungsrolle, viel kommunizieren und rausgehen.
Ist es gut, dass sich Maria Vassilakou und die Landesorganisation mehr in die Bundespartei einbringen wollen?
Es ist notwendig. Die Länder müssen den Verlust des Klubs inhaltlich und finanziell auffangen. Und eine Neuorganisation braucht viel Zeit und Aufmerksamkeit. Wenn in dieser Niederlage eine Chance liegt, dann die: dass wir uns breiter aufstellen und mehr Mitstreiter in der Gesellschaft gewinnen– denn die Veränderungen, die anstehen, sind zu wichtig, als dass man den Umgang damit an eine Partei delegieren könnte.
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