Neues Leben für alte Sessel in Währing
Gerhard Stöglehner ist ein echter Künstler, was die originalgetreue Rekonstruktion von Sitzflächen anlangt.
Eigentlich hat Gerhard Stöglehner Tischlerei gelernt und seinen Meister gemacht, genau wie sein Vater. Aufgewachsen im Mühlviertler Neumarkt war "irgendwie klar", dass er den Familienbetrieb einmal übernehmen würde. Doch am Land, wie er sagt, seien die Chancen für einen kreativen, jungen Tischler nicht gerade groß gewesen. "Ich habe mich dann als Entwicklungshelfer nach Afrika gemeldet und arbeitete zwei Jahre lang an einer berufsbildenden Schule in Uganda." 2004 zog er nach Wien und begann in der Mollardgasse blinde und sehschwache Klienten bei der Restaurierung alter Korbmöbel zu unterstützen. "Dort eignete ich mir dieses uralte Wissen der Korbflechterei an, das mich schon immer fasziniert hat", so Stöglehner.
Der Lehrberuf des Korb- und Möbelflechters sei ja leider längst Geschichte. In Wien könne man die noch aktiven Korbflechter an einer Hand abzählen, wenn überhaupt. Und es entstünden auch kaum moderne Möbel mit Handgeflecht, obwohl er selbst erst vor Kurzem gemeinsam mit einem amerikanischen Designer einen Prototyp einer geflochtenen Sitzgarnitur für die Firma Wittmann entworfen hat. Eine ganze Serie anzufertigen, würde aber seine Kapazität sprengen. "Das würde ich auch gar nicht wollen. Es ist ein faszinierendes Handwerk, hat etwas Meditatives für mich. Aber ich will mir die Zeit, die es braucht, nehmen können und keine Masse produzieren", sagt er.
Zeit brauche so ein gutes Stück, etwa um die Sitzfläche eines über 100 Jahre alten Thonet-Sessels von Hand mit Wiener Geflecht zu restaurieren.
"Einen Tag, oder eineinhalb." Das kostet etwa 250,- Euro. "Natürlich kann man für größere Flächen, auch das günstigere fertige Wiener Geflecht, das es als Matten gibt, verwenden. Das hängt vom Kunden ab."
Mehr als Nostalgie
Im September 2016 hat sich Stöglehner mit seiner eigenen Werkstatt im Souterrain der Theresiengasse 49 selbständig gemacht. Ein idealer Ort, sagt er, denn das alte Kellergewölbe speichere Feuchtigkeit, die Stöglehner für seine Flechtarbeit brauche. "So muss ich weniger Wasser zusätzlich verwenden." Er verarbeitet ausschließlich Naturmaterialien, wie Rattan, Baumwollschnüre, Binsen, Peddigrohr, oder Weide.
Er bedauert, etwa bei der Restauration der Sitzflächen von wunderschönen, dänischen Sesseln aus den 1950er Jahren, dass es die damals verwendeten Baumwollschnüre nicht mehr zu kaufen gibt. Und lässt sich etwas Neues einfallen, experimentiert mit unterschiedlichen Materialien. "Für meine Kunden haben diese alten Stücke natürlich einen besonderen Wert. Für mich ist jedes Stück aber mehr als Nostalgie. Ich will alles darüber wissen, studiere alte Aufzeichnungen, Bilder, Berichte und natürlich die Machart des jeweiligen Stückes. Bei den Dänischen Klassikern, etwa von Wegner aus den 50iger und 60iger Jahren wurde beispielsweise mit so hoher Tischlerkunst gearbeitet, dass sie bis heute perfekt halten. Wunderschön. Die bekommen eine neue Sitzfläche und werden mit einem Spezialmittel geputzt, bis sie wieder strahlen. Denn sie sind nicht lackiert, nur eingeölt!"
Recherchieren liegt ihm überhaupt im Blut, hat er doch auch ein paar Semester Geschichte und Kunstgeschichte studiert, was ihm aber letztlich "zu theoretisch" war. Als Mann der Praxis bringt er in seine Restaurierungen natürlich auch sein profundes Tischlerwissen ein und bietet Gesamtrestaurierungen an, auch von wirklichen "Kellerleichen" und Stuhlteilen, die ihm manchmal gebracht werden. Ganz neu ist die Weiterverwertung von Geflecht-Abfall. "Auf diese Idee hat mich meine Lebensgefährtin gebracht. Sie entwirft und schneidert aus Jeansstoff und meinen Geflecht-Resten unter dem Label "Gecko-Bags" Taschen und Rucksäcke." Die man bei ihm in der Werkstatt kaufen kann.
Nähere Info: www.sesselflechterei.at
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