Clementinum
Pflegeskandal: „Schau afoch weg!“
Abscheuliche Details standen im Zentrum des dritten Verhandlungstages am Landesgericht St. Pölten, bei dem sich vier ehemalige Pflegekräfte eines Heimes in Kirchstetten wegen massiver Verfehlungen gegenüber völlig wehrloser Patienten zu verantworten haben (die Bezirksblätter berichteten).
KIRCHSTETTEN (ip). Nach wie vor bestreitet das Quartett, mehrere Heimbewohner, die nicht mehr in der Lage waren, sich zu artikulieren, gequält, vernachlässigt, verletzt oder sogar sexuell missbraucht zu haben. Die Inhalte ihrer Chat-Protokolle mit unvorstellbar grausamen, demütigenden, teils zutiefst perversen Äußerungen hätten ihrer „Psychohygiene“ gedient, um sich von den Belastungen ihres Berufes abzureagieren. Nichts davon habe man in der Realität umgesetzt, so die vier Angeklagten.
Dem entgegen stand diesmal die Aussage einer 46-Jährigen, die von zahlreichen eigenen Beobachtungen sprach und damit die Aussage der ersten Kronzeugin bestätigte und ergänzte. Ihre Aussage unter Wahrheitspflicht, die per Video im Gerichtssaal zu sehen war, fand teilweise unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Darüber hinaus gab sie zusammengefasst an:
Im Februar 2016 wechselte sie auf die Station St.Anna. Dort herrschte nicht nur ein extrem rauer Umgangston, der auch direkt gegenüber den Bewohnern angewandt wurde. Mit „spitzwaumpade Bergsau“ und ähnlichen Kraftausdrücken bedachte man Patienten, denen beim morgendlichen Gruß auch gleich einmal mit der Faust auf den Bauch geschlagen wurde. „Die waren für mich das Schlimmste in der Pflege“, meinte sie bezugnehmend auf den 30-jährigen Diplomkrankenpfleger und die drei mitangeklagten Pflegehelferinnen (55, 53, 34 J.). Gewaltsam verabreichte man den Leuten Schlagobers, um Gewichtsverluste zu vertuschen oder füllte sie mit literweise Speiseöl ab. Eine der Angeklagten sagte, man muss den Patienten in die Weichteile hauen, da sieht man dann keine blauen Flecken. „Hero“, wie sich der Diplomkrankenpfleger selbst nannte, „protzte“ auch mit seinen sexuellen Übergriffen und wenn sie einem Patienten die Hoden umdrehten, bzw. seinen Penis nach hinten bogen, um ihn für seine Inkontinenz zu bestrafen, lachten die anderen. „Der hat nur mehr nach Luft geschnappt, die Augen sind ihm so hinausgekommen.“ Sie selbst hat sich schließlich der Chat-Gruppe angeschlossen und verbal „mitgespielt“, um Vertrauen bei den Kollegen aufzubauen und so Beweise sammeln zu können. Ihre Hinweise gegenüber dem Vorgesetzten tat dieser jedenfalls zunächst mit den Worten ab: „Ja, schau afoch weg!“
Der Wahrheitsgehalt dieser Aussage ist zuletzt von den Schöffen zu werten, für die Angeklagten besteht nach wie vor die Unschuldsvermutung, die etwas Nahrung durch die Einvernahme zweier Zeuginnen erhielt, die von körperlichen Übergriffen auf Heimbewohner nichts mitbekommen haben wollen.
Missstände aufgezeigt
Drei Zeuginnen, die als Töchter täglich ihre Mutter im Heim besuchten, sprachen von Missständen, mit denen sie sich seinerzeit an die Heimleitung wandten. Vergeblich, wie aus den Protokollen der Kronzeuginnen hervorgeht. Sie versuchen nun durch Privatbeteiligtenvertreter Josef Gallauner zu einer angemessenen Entschädigung zu kommen, sofern dies für die vermuteten Qualen ihrer Mutter überhaupt möglich ist. Gallauner als Prozessbeobachter meinte: "Wie von sämtlichen Angeklagten zur Schau getragen Ignoranz und Kaltblütigkeit fügt sich nahtlos in das Bild der abscheulichen Taten, die der Anklage zu Grunde liegen. Die Verteidigung lässt keine klare Linie erkennen und beschäftigt sich nur mit Spitzfindigkeiten zu verfahrensrechtlichen Fragen. Inhaltlich haben die Angeklagten, den von der Staatsanwaltschaft erhobenen Vorwürfen offenbar nichts entgegen zu setzten."
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