Petrovic: „Krise ist, wenn etwas altes stirbt und etwas neues noch nicht geboren werden kann."

Madeleine Petrovic im Gespräch: „Erwin Pröll ist ein Machtpolitiker mit Gespür für die Zukunftsthemen."
2Bilder
  • Madeleine Petrovic im Gespräch: „Erwin Pröll ist ein Machtpolitiker mit Gespür für die Zukunftsthemen."
  • hochgeladen von Oswald Hicker

Vorab zum Thema Nr. 1, die Flüchtlingstragödie. Viele Menschen haben Angst, von einer Welle überrollt zu werden. Verstehen Sie diese Menschen?
Man muss sich die Frage stellen, woher die Angst kommt. Auf der Meta-Ebene transportieren wir immer mit, dass Flüchtlinge gefährlich sind. Die Wahrheit ist: Aus Ex-Yugoslawien sind drei mal so viele Menschen geflohen, wie derzeit. Die Integration war null Problem. Heute würden ganze Wirtschaftszweige, etwa die Gastronomie ohne die Bosnien-Flüchtlinge nicht überleben.

Wie könnte man den Menschen die Angst nehmen?

Indem sich die Verantwortungsträger hinstellen und sagen: Das sind Menschen wie Du und ich. Sie wollen in Frieden leben. Wenn mir oder meiner Familie droht, dass uns die Köpfe abgeschnitten werden, dann würde ich auch fliehen. Jeder würde das. Langsam wacht die Politik auf. Die Wortmeldungen von Kardinal und Bundespräsident sind erste richtige Schritte.

Haben die Grünen ein Rezept zur Lösung des Problems?

Es braucht legale Wege nach Europa. Je mehr Zäun, umso mehr verdienen die Schlepper. Je schwerer ich es Menschen mache Schutz zu finden, umso mehr treibe ich sie in die Arme dieser Kriminellen.

Sie haben über Bosnien gesprochen. Damals gab es eine Solidaritätswelle und die Aktion "Nachbar in Not". Wieso gibt es heute diesen Schulterschluss nicht?
Weil viele, auch die Politiker kleinmütig geworden sind. Dieses Land hat so viel geschafft, es bräuchte jemanden, der sagt: "Das schaffen wir jetzt auch noch". Jemand wie Figl in seiner berühmten Rede: "Ich kann Euch kein Brot geben, keine Kohle zum heizen, aber glaubt an dieses Österreich". So einer müsste sagen: "Jene, denen Ihr jetzt helft, das werden die treuesten Verbündeten im Kampf gegen Terror und für die Freiheit sein."

„Man muss die Sorgen ernst nehmen. Darum sollte es auch ein vernünftiges Verhältnis zwischen Größe von Orten und Zahl der Flüchtlinge geben.“

Viele Leute sorgen sich, dass das eben nicht so sein könnte und sich gesellschaftliche Werte verbreiten, die sie nicht wollen.
Man muss die Sorgen ernst nehmen. Darum sollte es auch ein vernünftiges Verhältnis zwischen Größe von Orten und Zahl der Flüchtlinge geben. Ich bin auch dafür, eher Wohnungen in Zentren zur Verfügung zu stellen, als Container an Ortsrändern aufzustellen. Sonst wird die Integration schwieriger.

Sind Sie für fixe Quoten für Bezirke und Orte?
Nein, das kann man nicht anordnen. Es spielt auch eine Rolle, welche Möglichkeiten Orte haben. Bei uns in Gloggnitz hat das Bahnhofsrestaurant leider zugesperrt. In diesem Gasthof entsteht nun ein Flüchtlingsquartier. Das ist optimal, gut gelegen und wird auch keine Probleme bei der Integration verursachen. Aber nicht jede Gemeinde hat so optimale Standorte.

Ein Problem ist, dass die Menschen in solchen Quartieren oft viel zu lange leben müssen, weil ihre Verfahren Jahre dauern...

Ich kenne Fälle, da wartet man zehn Jahre auf den Asylbescheid. In der Zwischenzeit hat man sich verliebt, es wurden Kinder geboren und man hat Kontakte geknüpft. Ein Rechtsstaat müsste in der Lage sein, Asylverfahren in ein bis maximal zwei Jahren abzuschließen. Man könnte Instanzenwege auch paralell einleiten, um spätere Berufungsverfahren zu beschleunigen.

Kann unsere Wirtschaft und unsere Gesellschaft derart viele Zuwanderer verkraften?
Wichtig wäre zu vermitteln, dass es Anstrengungen bedarf, aber unter dem Strich werden alle Nutzen haben. In Amerika sieht man Österreich als einziges Multi-Kulti-Land in Europa. In fast jeder Familie wimmelt es von Polen, Tschechen, Ukrainern oder Ex-Yugoslawen. Es hat mit der Monarchie zu tun, dass hier alles verschmolzen ist und nicht wie anderswo Stadtviertel wie Little China oder andere entstanden sind. Das sieht man auch auf den Speisekarten. Heute ist von Powidldatschkerl bis zum Humus alles bunt durchmischt. Der Österreicher ist da sehr Aufnahmebereit, in zwei bis drei Generationen ist das Teil unserer Kultur.

„Es ist gut andere Gepflogenheiten zu akzeptieren, aber irgendwo hört sich der Spaß auf. Frauen und Mädchen müssen die gleichen Chancen und Rechte haben wie Männer."

Sie sind Frauenpolitikerin. Hat Madeleine Petrovic nicht Angst, dass mit den Migranten auch Verhalten wieder aufleben, die frauenpolitisch einen Rückschritt bedeuten würden?
Es ist gut, wenn man andere Sitten akzeptiert, aber irgendwo hört sich der Spaß auf. Es gibt klare Grenzen: Mädchen und Frauen müssen immer die selben Rechte und Chancen haben wie Männer. Eine Schlüsselrolle haben auch hier die Frauen. Es gibt gelungene Beispiele wie etwa in Tulln, wo heimische Frauen mit Flüchtlingsfrauen kochen. Dabei lernt man sich auch kennen und erfährt auch über die Sitten des anderen. Und Menschen die einmal die Luft der Freiheit geschnuppert haben, werden sich auch darum bemühen.

Glauben Sie, dass es genügt darauf zu vertrauen, dass sich Migrantenfrauen emanzipieren?
Wir müssen Bündnisse mit Menschen guten Willens eingehen. Und die haben überall die Mehrheit, auch im Islam. Grundsätzlich ist das kein Problem einer Religion. Unterdrückung und Gewalt gegen Frauen gibt es auch bei uns. Etwa jede dritte Frau wird irgendwann einmal Opfer häuslicher Gewalt. Für diese Frauen braucht es geschützte Räume. In diesem Zusammenhang erinnere ich nur daran, dass es etwa im Waldviertel kein Frauenhaus gibt.

Sie werden beim Parteikongress im November nicht mehr als Lasndessprecherin der Grünen im Landtag kanditieren. War das eine freiwillige Entscheidung?
Es ist ja kein Geheimnis, dass ich ins EU-Parlament wollte, damit wäre eine Nachfolge ohnehin notwendig gewesen. Damit habe ich eigentlich fix gerechnet, leider habe ich das nicht geschafft. Auch wegen des Wahlrechtes, das kleine Gruppen nicht begünstigt. Das ist das eine. Zum anderen bin ich in Niederösterreich die bekannteste Abgeordnete der Grünen. Jetzt muss ich schauen, dass andere auch die Chance haben, bekannter zu werden. Und ich halte Helga Krismer da für die geeignetste Person.

Das heißt Helga Krismer ist Ihre Wunschkandidatin?

Ich bin da sehr offen und sage den Leuten immer in welchen Rollen ich sie sehe. Das ist vielleicht nicht basisdemokratisch, aber man muss ja auch sehen, welche Leute welche Begabungen haben. Basisdemokratie kann ja nicht bedeuten, dass ich es der Tagesverfassung auf einem Kongress überlasse, wer die Partei in die Zukunft führt. Und ich halte Helga Krismer dafür am geeignetsten. Mit ihr kann man Pferde stehlen. Sie ist vielleicht nicht die diplomatischste Person die ich kenne, aber es ist gerade auch nicht die Zeit, um den heißen Brei herumzureden.

„Bei Umwelt und Energiethemen sind die Schwarzen viel grüner geworden. In Bildungsfragen auch, aber da haben wir eher die Roten auf unserer Seite.“

Wenn Sie an Ihre Zeit als Grünen Chefin in NÖ zurückdenken, was waren da die größten Meilensteine?
Obwohl wir das Minderheitenfeindliche und unfaire Wahlrecht nicht ändern konnten gibt es doch einige Erfolge. Wahrscheinlich der größte ist, dass wir zu einem Machtfaktor geworden sind, den die ÖVP ernst nimmt. Unsere Rolle ist größer, als es die Zahl der Mandatare ist. Die ÖVP hat erkannt, dass es Sinn macht uns ins Boot zu holen. Bei Umwelt und Energiethemen sind die Schwarzen viel grüner geworden. In Bildungsfragen auch, aber da haben wir eher die Roten auf unserer Seite.

„Der Landeshauptmann hat ein untrügliches Gespür dafür, was die Zukunftsthemen sind. Er ist ein klassischer Machtpolitiker.“

Man sagt Ihnen ein respektvolles Verhältnis zu Erwin Pröll nach.
Der Landeshauptmann hat ein untrügliches Gespür dafür, was die Zukunftsthemen sind. Er ist ein klassischer Machtpolitiker. Das hat den Nachteil, dass solche Menschen alles dafür tun, um ihre Macht zu erhalten. Das hat aber auch den Vorteil, dass sie oft bereit sind, auch Einflüsse anderer aufzugreifen, wenn es dem Machterhalt dient.

Sie meinen, dass sie die Entscheidungen beeinflussen können?
Sicher. Das war schon immer so und geht auch weiter. Ohne Grünen würde es in Niederösterreich nicht nur ein Atomkraftwerk geben. Es würde auch statt eines Nationalparks Donauauen eine Staumauer und Dämme geben. Um in der jüngsten Vergangenheit zu bleiben, ohne Grüne würde inzwischen im Weinviertel gefrackt. Aufgrund unsrer Aufklärung hatte das Fracking-Projekt in der Bevölkerung keine Akzeptanz und der Landeshauptmann hat das erkannt und das Projekt gekippt.
Eines ist klar: Halbseidene Behördenverfahren für Großprojekte sind und werden durch uns Grüne ebenfalls schwerer. Das haben wir bei den Steinbrüchen in Paudorf gezeigt, und auch beim Marchfeldkogel sind wir dabei.

Manche sagen, die Länder blockieren, deshalb schafft die Länder ab. Genau das Gegenteil ist der Fall! Gebt den Ländern mehr Rechte!

Sie waren im Nationalrat und im Landtag. Es macht den Eindruck, dass sich das Momentum der Entscheidungen immer mehr in die Landtage verlegt. Teilen sie diese Meinung?
Absolut. Zum einen sind wir seit 20 Jahren Mitglied der EU und ein Großteil unserer Gesetze werden in Brüssel und Strassbourg beschlossen. Deswegen wäre ich ja auch so gerne im Europaparlament gewesen. Ich glaube dass einerseits die Länder und Gemeinden an Bedeutung gewinnen, andererseits die EU. Das Gefühl, dass im Bund nix weitergeht, ist auch deswegen da, weil seine Bedeutung sinkt. Der Bund ist in der Krise. Man sagt: "Krise ist, wenn etwas altes stirbt und etwas neues noch nicht geboren werden kann." Genau das passiert gerade. Manche sagen, die Länder blockieren, deshalb schafft die Länder ab. Genau das Gegenteil ist der Fall! Gebt den Ländern mehr Rechte! In manchen Fragen machen zentrale Entscheidungen einfach keinen Sinn. Schaun wir uns nur das Klima an. In Ostösterreich müssen wir uns auf kontinentales Klima mit heißen Sommern und extrem kalten Wintern einstellen. In Westösterreich ist das ganz anders. Und ähnliche Phänomene gibt es in allen Bereichen. Ein weiterer Grund für die Krise des Bundes ist auch, dass rot und schwarz eigentlich nicht mehr miteinander können und an der Spitze extrem farblose Politiker stehen. Ein Kreisky hatte da ein ganz anderes kaliber. Man kann auch über Schüssel viel negatives sagen, aber das war bei ihm zumindest nicht so. Da gab es wenigstens eine klare Linie, auch gegenüber Brüssel. Und deswegen hatte Österreich und somit der Bund in Europa auch weit mehr Gewicht als heute.

Madeleine Petrovic im Gespräch: „Erwin Pröll ist ein Machtpolitiker mit Gespür für die Zukunftsthemen."
Petrovic: „Es ist gut andere Gepflogenheiten zu akzeptieren, aber irgendwo hört sich der Spaß auf. Frauen und Mädchen müssen die gleichen Chancen und Rechte haben wie Männer."

Du möchtest regelmäßig Infos über das, was in deiner Region passiert?

Dann melde dich für den MeinBezirk.at-Newsletter an

Gleich anmelden

Kommentare

?

Du möchtest kommentieren?

Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.

4:34

Fische sind Glückskinder des Monats
Horoskop – das sagen die Sterne im Mai

Wir sind angekommen, im Wonnemonat Mai. Ob es für die zwölf Sternzeichen wirklich romantisch wird, das wissen Astrologe Wilfried Weilandt und Astroshow-Moderatorin Sandra Schütz. Und diesmal mit dabei: Violinistin Barbara Helfgott. ÖSTERREICH. Auf den Mai freuen dürfen sich alle Fische, die zählen nämlich – mit 100 Prozent in sämtlichen Bereichen – zu den Glückskinder des Monats. Ein wenig mehr Geduld müssen hingegen die Krebse haben. Die sind zwar die Pechvogerl des Monats Mai, haben es im...

Hier findest du die billigsten Tankstellen in Niederösterreich.
4

Benzin- und Dieselpreise
Die billigsten Tankstellen in Niederösterreich

Hier erfährst du täglich, wo die billigsten Tankstellen in Niederösterreich sind, wie man günstig tankt und auch, wie man am Besten Sprit sparen kann. NÖ. In ganz Österreich ist es am günstigsten Vormittags zu tanken, da die Tankstellen nur einmal täglich, um 12 Uhr, die Spritpreise erhöhen dürfen. Preissenkungen sind jedoch jederzeit und in unbegrenztem Ausmaß möglich. Wir aktualisieren die Liste der günstigsten Tankstellen in Niederösterreich täglich mit den aktuell gültigen Preisen. Die...

UP TO DATE BLEIBEN

Aktuelle Nachrichten aus Niederösterreich auf MeinBezirk.at/Niederösterreich

Neuigkeiten aus Niederösterreich als Push-Nachricht direkt aufs Handy

Bezirksblätter auf Facebook: MeinBezirk.at/Niederösterreich

ePaper jetzt gleich digital durchblättern

Storys aus Niederösterreich und coole Gewinnspiele im wöchentlichen MeinBezirk.at-Newsletter


Du möchtest selbst beitragen?

Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.