Mit dem weißen Stock durch Graz
Aktion macht Alltag blinder Menschen erlebbar

Orientierung ohne Sehen: Wer sich einmal mit weißem Stock durch Graz bewegt hat, bekommt einen veränderten Blick auf die Stadt.  | Foto: MeinBezirk/Antonia Unterholzer
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  • Orientierung ohne Sehen: Wer sich einmal mit weißem Stock durch Graz bewegt hat, bekommt einen veränderten Blick auf die Stadt.
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Anlässlich des "Tags des weißen Stockes" ließ sich in Graz erleben, wie sich Orientierung ohne Sehen anfühlt. Das Startup "Ontrack" entwickelt dazu eine App, die blinden und sehbehinderten Personen mehr Selbstständigkeit im Alltag ermöglicht.

GRAZ. Eine Augenbinde, ein weißer Stock, ein paar unsichere Schritte auf der Albrechtgasse. Schon nach wenigen Metern wird klar, wie ungewohnt sich Orientierung ohne Sehen anfühlt. Geräusche werden zur einzigen Orientierungshilfe – ein vorbeifahrendes Auto, Schritte, Stimmen. Mit leichten Pendelbewegungen wird der Stock diagonal zum Schritt am Boden entlanggeführt, erklärt Tim Peters. Er begleitet den Selbstversuch, der einen erfahren lässt, wie es sich für blinde und sehbehinderte Menschen wie ihn anfühlt, sich durch die Stadt zu bewegen. 

"Uns ist es wichtig, mit dieser Aktion auf die Herausforderungen aufmerksam zu machen, denen blinde und sehschwache Menschen täglich begegnen."
Paul Kalcher, Gründer und CEO "Ontrack"

Bei der Awareness-Aktion in der Albrechtgasse: Paul Kalcher, Kurt Hohensinner, Philipp Urich,
Helmut Schlögl, Elke Zach, Marianne Burkert,
Tim Peters, Irene Sudy, Marie Essert | Foto: Ontrack
  • Bei der Awareness-Aktion in der Albrechtgasse: Paul Kalcher, Kurt Hohensinner, Philipp Urich,
    Helmut Schlögl, Elke Zach, Marianne Burkert,
    Tim Peters, Irene Sudy, Marie Essert
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Gemeinsam mit der Hilfsgemeinschaft der Blinden und Sehschwachen lud das Grazer Startup "Ontrack" anlässlich des internationalen Tags des weißen Stocks (15. Oktober) zu einer Awareness-Aktion in die Grazer Innenstadt. Ontrack arbeitet seit zwei Jahren mit Betroffenen an einer App, die blinden und sehbehinderten Menschen mithilfe akustischer Navigation mehr Sicherheit und Selbstständigkeit im Alltag ermöglichen soll. "Viele Menschen wissen gar nicht, welche kleinen Hürden im Alltag große Auswirkungen haben können – von unübersichtlichen Haltestellenbereichen bis zu fehlenden Akustikampeln", sagt Elke Zach-Tassati, Leiterin der Hilfsgemeinschaft in Graz. "Wenn man das einmal selbst erlebt hat, verändert sich der Blick auf die Stadt."

Lob und Handlungsbedarf in Graz

Tim Peters bewegt sich täglich selbstständig durch die Stadt – meist mit den Öffis. "Graz ist in Sachen Inklusion gut aufgestellt, gerade bei verkehrstechnischen Dingen", sagt er. "Es gibt viele Leitlinien für Blinde und Sehbehinderte, und die Graz Linien sind für Fahrgäste mit Behinderung sehr gut nutzbar." Doch Luft nach oben bleibt: "In den Außenbezirken fehlt manchmal eine Leitlinie oder eine Ampel ist nicht akustisch." Inklusionsstadtrat Kurt Hohensinner ist bei der Aktion mit dabei. Erstellt in Aussicht: "Mein Fernziel ist es, dass Graz zur Vorzeigestadt der Inklusion wird." Gemeinderat und Behindertenbetreuer Philipp Ulrich ergänzt: "Technologie bietet dafür eine große Chance."

Mit der "Ontrack"-App gehe man hier in die richtige Richtung, das Projekt wurde bereits mit dem "European Young Innovators Award" ausgezeichnet. "Derzeit befinden wir uns mit dem Prototyp auf einem guten Weg, brauchen aber noch Unterstützung in den nächsten zwölf Monaten, um der Zielgruppe ein marktreifes Produkt bieten zu können", so der "Ontrack"-Gründer und CEO Paul Kalcher, der alle Interessierten einlädt, sich auf der Unterstützerliste unter support.ontrack.co.at kostenlos einzutragen und damit zu zeigen, dass ihnen Barrierefreiheit und Inklusion am Herzen liegt.  

Ein Perspektivenwechsel, der nachwirkt

Zurück zur Selbsterfahrung: Der Stock gibt eine gewisse Sicherheit, aber nicht jedes Hindernis lässt sich so erkennen: "Wenn irgendwo ein Schild oder eine Hecke auf Kopfhöhe ragt, hilft der Stock nichts. Ab und zu eine Platzwunde gehört leider zur Navigation", berichtet Tim Peters. Hilfreich ist es, sich mit dem Stock an Hauswänden entlangzutasten. Doch auch hier lauern (vermeidbare) Hindernisse: Ein ungünstig abgestelltes Fahrrad erschwert es, einen sicheren Weg zu finden.

Mit leichten Pendelbewegungen wird der Stock diagonal zum Schritt am Boden entlanggeführt. Tim Peters begleitet den Selbstversuch.  | Foto: MeinBezirk/Antonia Unterholzer
  • Mit leichten Pendelbewegungen wird der Stock diagonal zum Schritt am Boden entlanggeführt. Tim Peters begleitet den Selbstversuch.
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"Es geht nicht vorrangig darum, dass die Leute unaufmerksam sind. Zum Teil wissen sie einfach nicht, dass etwa ein ungünstig abgestelltes Rad ein Hindernis für uns ist. Daher bin ich immer für den Dialog."
Tim Peters

"Genauso wie E-Scooter, die irgendwo herumliegen. Die sind sowieso ein neues Verkehrshindernis für uns, weil sie sehr leise und schnell sind – die Kombination ist für uns sehr schwierig", so Peters, der E-Scooter aber nicht "von unseren Straßen verbannen" und generell nicht mit "erhobenem Zeigefinger herumlaufen" möchte: "Man muss einfach in den Austausch kommen, sodass die Leute verstehen, welche Herausforderungen uns in unserem Alltag mit einer Sehbehinderung begegnen." 

"Ontrack"

  • Das Grazer Startup arbeitet seit zwei Jahren gemeinsam mit der Community an einer App, die blinden und sehbehinderten Menschen mithilfe akustischer Navigation mehr Sicherheit und Selbstständigkeit im Alltag bieten soll
  • Mehr Infos unter www.ontrack.co.at
  • Zur Unterstützerliste

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