Almenland: Wir müssen reden!

Wonach kann man Ausschau halten, wenn die Region Abwanderung erleidet?
2Bilder
  • Wonach kann man Ausschau halten, wenn die Region Abwanderung erleidet?
  • hochgeladen von martin krusche

Der Almenland-Schwank zeigt sehr interessante Seiten. Die darin angerissenen Themen sind zum Teil dringende Fragen zur Regionalentwicklung.


Die Fokussierung auf Flüchtlinge und Asylanten verstellt den Blick auf Probleme der Oststeiermark, mit denen man sich mutig, also öffentlich befassen sollte.

Kurz gesagt: Wir müssen reden! Die Urheberschaft der Facebook-Leiste ist nach wie vor im Verborgenen. Argumente und Schreibstil verraten mir, daß sich hier eine belesene Person äußert, die zu formulieren versteht. Nehme ich die Qualität der Fotos dazu, darf ich annehmen: Diese Person hat Medienerfahrung, ist damit vertraut, sich öffentlich an andere Menschen zu wenden.

Die Person erwähnt das größte und politisch brisanteste Problem in dieser Sache fast als Nebensache. Landflucht. Ein weltweites Phänomen, das sich vor allem im Abwandern junger Leute zeigt, die auf dem Lande keine existentielle Zukunft sehen. Eine der Folgen ist Leerstand von Gebäuden.

Wir lesen bei der Bürgerinitiative: „Leer stehende Gebäude gibt es in der Region viele, nicht nur in Passail! Es ist kein rein passailer Problem, es betrifft das ganze Almenland!!! Darum beteiligt und wehrt Euch!!!“

Die Schlußfolgerung ist nicht gerade von Esprit gezeichnet. Die Passage besagt nämlich: „Wir haben wirtschaftliche Probleme, weshalb nicht nur Passail, sondern die Region unter Abwanderung leidet, deshalb stehen immer mehr Häuser leer, also wehrt Euch bitte mit mir gemeinsam gegen Zuzug, auch wenn er bloß zeitlich befristet wäre.“

Dazu kommt etwas, worin man keinen Hausbesitzer belehren müßte, denn wer bei Verstand ist, weiß es: Steht eine Hütte längere Zeit leer, ist die Natur sehr flink, das Bauwerk zu beschädigen. Leerstand ruiniert beizeiten die Substanz und vernichtet so materielle Werte.

Sehe ich mir andere der Argumente an, tippe ich auf einen Regionalpolitiker am Rande des Nervenzusammenbruchs. Zitat: „Die Region ALMENLAND bemüht sich seit Jahren sich als Naturpark und vor allem als Tourismusregion und Erholungsgebiet zu profilieren, um neue Gäste & somit Kaufkraft und Arbeitsplätze in die Region zu bringen.“

Die Sorge hat gute wie unerbittliche Gründe. Die Landwirtschaft allein war in der Oststeiermark noch nie eine Quelle von Wohlstand. Industrie gibt es auf der Alm keine. Bleibt der Tourismus. Und den möchte man mit leer stehenden Häusern dekorieren?

Der Autor offenbart nun nicht Angst, sondern Ressentiment: „Dieses mühsam erworbene Image würde mit der Füllung leer stehender Objekte durch Flüchtlinge aus Syrien, Iran, Tschetschenien… auf Jahre zunichte gemacht werden.“

Was verdeckt er mit diesem Ressentiment? Daß sich in der Region eine Problemlage verdichtet hat, die sich – wie erwähnt – im Leerstand der Häuser unübersehbar zeigt, die aber tiefer liegt, eine längere Geschichte hat und sich weltweit ereignet. Wie erwähnt, ökonomische Probleme und Abwanderung.

Das Ressentiment des Autors kaschiert nun den Umstand, daß es der Politik vor Ort in den letzten Jahrzehnten offenbar nicht gelungen ist, diese Problemlage abzuwenden. Daher sollten wir öffentlich darüber reden, ob das vielleicht auch gar nicht menschenmöglich war.

Vielleicht sollte sich die Politik uns auf redliche Art zuwenden, auf daß wir lernen, gemeinsam große Problemlagen anzupacken, die mit Polemik nicht aus der Welt zu schaffen sind.

Was aber tut der Autor? Er vergeudet seine Talente, die Belesenheit, die Fähigkeit zu formulieren und Medien zu nutzen, all das mit qualitativ feinen Fotos zu unterlegen, in einer Entlastungsstrategie, die ihm Erleichterung bringen soll; was sie natürlich nicht kann.

Im Eingangs-Statement der Bürgerinitiative lese ich: „Unsere, bereits durch Studien des Landes Steiermark, bewiesenen Hauptprobleme der Region Almenland in den nächsten 10 Jahren, werden die Abwanderung der Jugend & der Verlust an qualitativen Arbeitsplätzen in der Region sein. Eine Abwärtsspirale wird entstehen, welcher man nur schwer entgegen wirken kann.“

Was heißt denn da „werden“? Das ist ja längst geschehen. Wer unter den politisch Verantwortlichen nun erst eine Studie brauchte, um davon zu erfahren, hat in seinem Job ein Weilchen geschnarcht.

Aber wie kann ich behaupten, daß hier Ressentiments auf unredliche Art als Angst verkleidet würden?

Folgende Passage ist verräterisch: „Viele Leute haben aber Angst, hoffentlich zu unrecht. Dieses Unbehagen ist oft nicht genau zu beschreiben, aber es ist da. Ich möchte es mit einem Vergleich sagen: Viele Menschen haben Angst vor Spinnen, obwohl ihnen noch nie eine Spinne was getan hat.“

Kleiner Einschub: Dieses "hoffentlich zu unrecht" ist besonders perfide. Damit sagt der Autor: "Ich will ja nichts gesagt haben, falls ich unrecht behalte, war ich's eh nicht."

Die Angst vor Spinnen gehört zu jenen stammesgeschichtlich tradierten Eigenheiten, von denen wir annehmen dürfen, daß sie in einem frühen Abschnitt menschlichen Daseins eine wichtige Funktion hatte.

Es ist ein populäres Motiv des zeitgenössischen Rassismus, die „Angst vor Fremden“ in eben dieser Kategorie zu sehen. Mumpitz! Außerdem gibt es eine feine Kur gegen diese Art der „Angst vor Fremden“. Bildung. Und das eigene Dorf gelegentlich verlassen. Begegnen Sie der Welt, begegnen Sie jenen, die anders sind als Sie selbst. Das kann wahre Wunder wirken.

Zur unmittelbaren Vorgeschichte:
+) Almenländliche Infamie [link]
+) Überblick [link]

Wonach kann man Ausschau halten, wenn die Region Abwanderung erleidet?
Wenn der Winter nichts mehr ausgibt, bietet sich ja auf der Alm kein Badeurlaub als Alternative an.
Push-Nachrichten auf dein Handy
MeinBezirk.at auf Facebook verfolgen
Die Woche als ePaper durchblättern
Newsletter deines Bezirks abonnieren

Kommentare

?

Du möchtest kommentieren?

Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.

Du möchtest selbst beitragen?

Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.