Vom brüllenden Schlamm und seinem Gegenteil
Ein guter Musiker muß etwas von der Stille verstehen. Das ist bloß jenen unklar, die sich ihre Ohren vorzugsweise mit ganz beliebigem Zeug vollschütten lassen. Die Pause zwischen den Klängen ist wie die leere Fläche zwischen dem Sichtbaren in einem Bild. Eines ohne das Andere ist kaum möglich.
Menschliche Wahrnehmung erblüht nur im Kontrast. Unsere Sinne erlahmen sofort, wenn sie ausschließlich Brei bekommen. Es klingt sehr simpel, aber es lohnt sich, ein wenig über diesen kurzen Satz nachzudenken: Der Unterschied macht den Unterschied.
Ich erzähle das, weil mich der Musiker Reinhard Ziegerhofer bei einer Vernissage gerade sehr überrascht hat; indem er uns, das Publikum, dazu einlud, für eine Reihe kleiner Momente ganz reduzierte Stücke aufzunehmen.
Nun ist der Kontrabass zwar ein imposantes Instrument, hat aber bloß vier Saiten… denk ich mir als Laie. Und ich ahnte, was Ziegerhofer bestätigte: Dazwischen hat ein ganzes Universum Platz. Der besondere Moment war dann, als Ziegerhofer seine Adaption eines eleganten Popsongs brachte. Karge, aber massive Klänge, zu denen er eher zurückhaltend seine Stimme erhob.
Ich war von eben dieser Kargheit so bewegt, die in unglaublichem Kontrast zu jener akustischen Schlammlawine stand, der man im Alltag kaum noch wo entkommen kann. Kaffeehäuser, Wirtshäuser, Kaufhäuser. Stiegenhäuser und Lifte. Rufe ich bei einer Firma an und muß warten: brüllender Schlamm in meine Ohren!
Auch bei Behörden oder in der Straßenbahn. Überall erreicht einen das ewige Gewinsel, von dem mir bisher noch niemand sagen konnte, wozu es gut sei und wer es haben will. Es scheint, als könnte sich das nicht abschaffen, nicht einmal bremsen lassen.
Aber zum Glück gibt es gute Musiker, die uns daran erinnern, wozu unsere Ohren – jenseits der Alltagsbewältigung – sonst noch da sind.
+) Ziegerhofer im Internet: [link]
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