Gemeindefusionen: Volksabstimmung?

- Wer muß sich denn wehren? Wogegen? Und warum? (Quelle: Kleine Zeitung)
- hochgeladen von martin krusche
Steirische Reformpläne legen eine Verringerung der Gemeinden durch Zusammenlegungen nahe. 107 Orts-Chefs fordern dazu eine Volksabstimmung. Ein kommunalpolitischer Supergau.
Ob einzelne Gemeinden all ihren Aufgaben auch weiterhin gewachsen sein werden, ob es dabei klug wäre, mit anderen Kommunen zu fusionieren oder für sich zu bleiben, derlei Klärungen sind vor allem einmal „Chef-Sache“ und können nicht im letzten Abdruck der Entscheidungsfragen auf die Bevölkerung abgewälzt werden.
Anders ausgedrückt, mindestens das ganze 2012er-Jahr wäre Zeit gewesen, daß Bürgermeisterinnen und Bürgermeister mit ihren Gemeinderäten, bei größeren Ortschaften mit ihren Fachausschüssen, abklären, welche Aufgaben wenigstens die kommenden fünf Jahre wohl aufwerfen, um dann zu beraten, auf welche Art man im Ort gewappnet sei, diese Aufgaben zu bewältigen.
Volksabstimmung? Machen Sie mit mir ein kleines Gedankenspiel. Nehmen wir an, ich sei Staplerfahrer in einer (fiktiven!) Stahlbaufirma in Hofstätten, südlich von Gleisdorf. Der Firmengründer und Boss lädt seine Belegschaft zu einem Arbeitsgespräch.
Da sitzen wir nun, die Dreher und Schweißer, die Monteure und LKW-Fahrer, die Betriebselektrikerin und die Logistik-Chefin, auch die Raumpflegerinnen und unsere Kundenbetreuerin sind da. Selbst die Lehrlinge sitzen bei uns. Der Chef läßt schlanke Info-Mappen austeilen.
„Wir haben hier in der Region Vollbeschäftigung“, sagt er, „aber die Wirtschaftslage ist unruhig.“ Räuspern im Raum, Sesselrücken. „Unsere Auftragsbücher sind nicht ganz so voll, wie ich es gerne hätte. Mir liegt zur Zeit ein Fusionsangebot von einer Firma aus Graz vor. Ich möchte heute mit Euch einige Details durchgehen. In einer Woche sehen wir uns wieder und werden dann abstimmen, ob fusioniert werden soll oder nicht.“
He, supa! denk ich mir, ich bin der Schnellste mit dem Stapler und ich stelle jedes Gut so präzise auf den Markierungen ab, daß es schon Jahre keine Lagerschäden mehr gegeben hat. Aber was sollen wir da abstimmen? Mein Kumpel, der drüben an der CNC-Maschine den Laden schupft, daß der Chef ihn „Karajan“ ruft, schaut mich finster an. Ich nicke.
Und ich werd mich gleich morgen um einen anderen Job umschauen, weil der Alte anscheinend den Verstand verliert. Wenn der jetzt Staplerfahrer und Schweißer fragt, wie er die Firma durch die nächsten Jahre bringen soll, wird die Hütte den Bach runtergehn.
Ende des Gedankenspiels! Ich bin kein Staplerfahrer. Und Volkswirtschaft ist nicht Betriebswirtschaft. Eine Gemeinde funktioniert sehr komplex, eine Bürgermeisterin hat einen ganz anderen Job als der Chef einer Stahlbaufirma.
So viel ich weiß, haben die meisten Menschen noch nicht einmal je die Gelegenheit genutzt, eine Gemeinderatssitzung zu besuchen und zuzuhören, was da läuft. Bürgermeister sagen mir, dieses Amt werde immer komplizierter und vor allem rechtlich zunehmend heikel.
Fragen der Infrastrukturverbesserung, der Stadt- und Verkehrsplanung, der Ortserneuerung, der Regionalentwicklung, der sozialen Agenda etc. etc. sind vielen Leuten völlig unverständlich. Ihnen allen wollen 107 Orts-Chefs nun ihre Aufgabe hinschieben, grundlegende Entscheidungen für die Zukunft der Kommune zu treffen? Einfach so?
Ich weiß, es ist schwierig. Aber niemand wurde mit Knarre gezwungen, Bürgermeister zu werden. Und andere Jobs sind auch schwierig. Was jetzt ansteht, ist eine Mischung aus volks- und betriebswirtschaftlichen Fragestellungen, aus sozialen und mentalitätsgeschichtlichen Fragen, es ist auch eine Frage von Visionen. Derlei gibt man nicht zur Abstimmung, man erarbeitet es.
Wer demnach in dieser großen Aufgabenstellung nun plötzlich doch keine Entscheidungsgrundlagen findet, dem wäre zu sagen: Wenn Sie Ihren Job nicht mögen, dann legen Sie doch bitte Ihr Amt zurück!
+) Kleine Zeitung: „Die letzte Möglichkeit, uns zu wehren“: [link]


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