Ergebnis der Expertenrunde: Keine Hinweise auf weitere Nazi-Stollen in St. Georgen an der Gusen

Bezirkshauptmann Werner Kreisl, Vorsitzender der Expertenrunde mit Barbara Glück, Leiterin der KZ Gedenkstätte Mauthausen
17Bilder
  • Bezirkshauptmann Werner Kreisl, Vorsitzender der Expertenrunde mit Barbara Glück, Leiterin der KZ Gedenkstätte Mauthausen
  • hochgeladen von Michael Köck

ST. GEORGEN/GUSEN (mikö). Gibt es bislang unbekannte Nazi-Stollen unter St. Georgen? Wurde dort gar Raketen- oder Atomforschung betrieben? Durch Filmemacher Andreas Sulzer sind viele Spekulationen aufgetaucht. Die Vermutungen wurden von einer 16-köpfigen Expertenrunde unter Bezirkshauptmann Werner Kreisl überprüft. Nun liegt das Ergebnis vor: "Aus jetziger Sicht gibt es keine Hinweise auf weitere Stollen", sagt Kreisl.

Oktogon ein Lüftungsschacht
Neben zwei Erkundungsbohrungen wurden Umweltdaten erhoben. Historiker nahmen eine wissenschaftliche Beurteilung vor, analysierten Luftbilder und historische Dokumente. Bei Bohrungen auf 80 und 122 Meter wurde kein radioaktives Material erbohrt. Trink -und Grundwasserproben zeigten keine Auffälligkeiten. Bertrand Perz, Uni Wien, nahm zu Annahmen von Sulzer Stellung. So habe dieser einen Stollenplan St. Georgen zugeordnet, der im deutschen Harz liege. Auch in den Wagenkontrollbüchern des Bahnhofs St. Georgen würden sich "keine Auffälligkeiten" hinsichtlich Lieferungen zeigen. Archäologin Claudia Theune-Vogt, Uni Wien, analysierte Luftbilder. Das entdeckte Oktogon sei keine Abschussrampe für Raketen, sondern ein Lüftungsschacht.

Keine größeren Stollen
Bei einem angeblich gefundenen Teilchenbeschleuniger handle es sich um einen Schleifring, so das Bundesdenkmalamt (BDA). Sulzer legte bei der SS-Schießanlage einen Eingang frei. Ein Experte für Schießwesen wurde beigezogen. Ergebnis: Es handle sich um eine "Aufzeigerdeckung". "Das heißt, dort ist abzulesen, wie gut Soldaten schießen können", so Paul Mahringer vom BDA. Im Bereich Schießanlage werde es aber noch Untersuchungen geben. Barbara Glück nahm zu angeblich unentdeckten getöteten KZ-Häftlingen in gesprengten Stollen Stellung: "Die Todeszahlen sind genau erfasst. In Gusen waren es 71.000 Häftlinge, 35- bis 36.000 wurden getötet." Und übte Kritik: "In Gusen und Mauthausen haben Menschen gelitten. Das sind keine Orte für Spekulationen." Ist damit ausgeschlossen, dass es unterirdische Stollen gibt? Historiker Bertrand Perz: "Ausschließen kann man nie etwas. Da müssten wir jeden Quadratmeter aufbohren. Die Frage lautet 'gibt es größere Stollen'? Und ich würde sagen, das können wir ausschließen."

In der Expertenrunde befanden sich Geologen, Archäologen, Historiker, Umweltexperten und Experten des Bauwesens sowie Vertreter von der KZ-Gedenkstätte Mauthausen und Bundesdenkmalamt. Die Bürgermeister Erich Wahl, St. Georgen/Gusen, und Hilde Prander, Luftenberg, gehörten der Runde an.

Expertenbericht zur Stollenanlage "Bergkristall" in St. Georgen/Gusen

Fazit der Experten im Wortlaut: "Es wurde festgestellt, dass kein einziger Beweis und damit keine einzige Vermutung oder Annahme einer wissenschaftlichen Überprüfung standgehalten hat. Es gibt somit weiterhin keinen schlüssigen Hinweis darauf, dass einerseits die Stollenanlage größer wäre oder es andere Aktivitäten (insbesondere Atom- oder Raketenforschungszentrum) dort gegeben haben könnte als bisher bekannt.

Die Stollenanlage von St. Georgen an der Gusen wurde zwischen 1944 und 1945 durch Zwangsarbeit von tausenden KZ-Häftlingen errichtet und diente als unterirdische Rüstungsfabrik mit den Tarnnamen "Bergkristall" bzw. "Esche II". Darin wurden hauptsächlich Messerschmitt Jagdflugzeuge (Me-262) produziert.

Die bekannte Anlage erstreckt sich über ein Areal von ca. 200.000 m2 südwestlich des Ortszentrums. Sie nahm ihren Ausgang von den dort vorhandenen Sandgruben. Die gesamte Stollenlänge beträgt ca. 8,15 Kilometer. Die BIG hat in den letzten 12 Jahren das Stollensystem St. Georgen an der Gusen gesichert. Insgesamt wurden dabei rund 15 Mio. Euro investiert."

Hier ist das gesamte Pressepapier zum Nachlesen:

PRESSEPAPIER: Keine Hinweise auf weitere Stollen in St. Georgen/G.:

"Spekulationen, die Stollenanlage "Bergkristall" wäre größer als bisher bekannt, hal- ten wissenschaftlicher Überprüfung nicht stand. Expertenberichte liegen vor.
In den vergangenen Monaten wurde in der Öffentlichkeit intensiv über Größe und Verwendung der von den Nationalsozialisten errichteten Stollenanlage "Bergkristall" in St. Georgen an der Gusen diskutiert. Als „Indizien“ dafür wurden diverse Unterlagen wie Pläne, Luftbilder, Interviews mit Zeit- zeugen, Fotos, Mikrofilme, Kartenmaterial und Bauakten sowie Geo-Radar und Geo-Elektrik Un- tersuchungen genannt. Um Klarheit zu schaffen wurde seitens der Bezirkshauptmannschaft Perg auf Basis der vorgelegten Dokumente ein mehrere Schritte umfassendes Programm, bestehend aus der Durchführung von Erkundungsbohrungen, der Erhebung relevanter Umweltdaten und der objektiven, wissenschaftlichen Beurteilung durch hochrangige Experten/innen, um- gesetzt. Wesentlicher Hintergrund dieser Aktivitäten war, den Bewohnern/innen der Gemeinden St. Georgen an der Gusen und Luftenberg größtmögliche Sicherheit geben zu können.

Eine hochrangige und sehr breit aufgestellte interdisziplinäre Gruppe aus Experten/innen (Geolo- gen, Archäologen, Historiker und Archivare, Umweltexperten, Experten des Bauwesens – Tunnel und Stollenbau) und Vertretern/innen der beteiligten Organisationen (KZ-Gedenkstätte Mauthau- sen (BMI), Bundesdenkmalamt, BH Perg und Gemeinden) hat in den letzten Wochen alle kommu- nizierten Annahmen und Vermutungen wissenschaftlich methodisch evaluiert:

1. Erkundungsbohrungen (bis 122 m Tiefe) ohne Entdeckung eines Hohlraumes
Bei den Bohrungen im Dezember 2013 und im Februar 2014 wurden in keiner Tiefe irgendwel- che Hohlräume entdeckt. Es wurde auch kein künstlich radioaktives Material oder Grundwas- ser erbohrt. Die Bohrpunkte wurden ausschließlich von Filmemacher Andreas Sulzer gemein- sam mit seinem Team festgelegt. Auch Kamerabefahrungen brachten keinen Fund.

2. Umfangreiche Erhebungen relevanter Umweltdaten geben keinerlei Hinweise auf angebliche nukleartechnische Tätigkeiten
Die vorgenommenen Ortsdosisleistungsmessungen zeigen durchgängig Ergebnisse, die im natürlichen Schwankungsbereich liegen und sich mit den natürlichen Vorkommen decken. Dies betrifft auch das angebliche „Stofflager Gaisbach-Wartberg“.
Auswertung der Bohrschlamm- sowie Grund- und Trinkwasserproben bei den Erkundungs- bohrungen (Pkt. 1) ergab keinerlei Auffälligkeiten.
Keine der untersuchten Trinkwasserproben hat den Gesamtrichtdosiswert von 0,1 mSv/a überschritten. Auch der von der WHO empfohlene Richtgrenzwert von 15 μg/l für Uran war in allen untersuchten Trinkwasserproben eingehalten.

3. Pläne aus Langenstein im Harz (D) statt Erweiterungspläne von St. Georgen/G
Eine Basis für die von Andreas Sulzer festgelegten Bohrpunkte waren angebliche Erweite- rungspläne des Stollensystems in St. Georgen/G. Im Zuge der weiteren wissenschaftlichen Überprüfung durch den Historiker Prof. Dr. Bertrand Perz wurde der Irrtum des Filmemachers identifiziert. Beim vorgelegten Plan handelte es sich um das Stollenprojekt für die Flugzeugfir- ma Junkers bei Langenstein im Harz in Sachsen-Anhalt (D).

4. Pläne aus Mainz-Weisenau (D) statt Pläne für St. Georgen/G
Ein weiterer mutmaßlicher Erweiterungsplan für Bergkristall entpuppte sich als Plan des Stol- lenprojekts der MAN Maschinenfabrik in Mainz-Weisenau (Rheinland-Pfalz, D)

5. Unauffällige Wagenkontrollbücher des Bahnhofes St. Georgen der Jahre 1944 und 1945
Eine Durchsicht dieser Bücher hat ergeben, dass angeblich „auffällige Bahntransporte“ als Transporte von Lebensmitteln und u.a. Zement, Eisen, Kohle und Halbfabrikate bzw. Teile für die dortige Flugzeugproduktion erklärbar sind.

6. Angeblich mehrere Zehntausend unentdeckte tote KZ-Häftlinge in gesprengten Stollen
These widerspricht in allen Punkten den Erkenntnissen der Forschung, insbesondere im Hin- blick auf die mittlerweile wissenschaftlich sehr genau ermittelten Todeszahlen des KZ- Komplexes Mauthausen-Gusen auf Basis sehr genauer Buchführungen der SS über die Ent- wicklung des Häftlingsstandes (auch über den Tod der Häftlinge) – wissenschaftliche Publika- tion zuletzt aus 2014 sowie Häftlingsdatenbank der KZ-Gedenkstätte Mauthausen. Von „feh- lenden“ Toten kann also bei genauer Betrachtung keineswegs die Rede sein.

7. Das vermutete Wirken von Viktor Schauberger am falschen Ort
Viktor Schauberger arbeitete ab April 1943 in Mauthausen, ab 1944 in Wien-Schönbrunn und ab Anfang 1945 im Sensenwerk Leonstein (OÖ), nicht in unbekannten Stollen in St. Georgen.

8. „Aufzeigerdeckung“ einer ehem. SS-Schießanlage statt LKW-Einfahrt oder Eingang zu einem gigantischen unerforschten unterirdischen Stollensystem mit 40.000 Toten
Vor wenigen Wochen wurden am Gelände des Schützenheims in St. Georgen/G. Freilegungen durchgeführt. Rund um die dabei entdeckten Mauern wurde sogar in internationalen Medien in- tensiv spekuliert. Fakt ist: Die Anlage wurde eingehend überprüft und vom BDA mittlerweile als „Aufzeigerdeckung“ unter Schutz gestellt. Es sind drei Schussbahnen mit einer Länge von 50, 100 und 150 m zu erkennen. In der genau 150 m vom Schützenheim entfernten Deckung wur- den die Zielscheiben bedient und die Auswertung der Schussergebnisse telefonisch an den Schießstand übermittelt. Ähnliche Anlagen sind heute noch in militärischer Verwendung.
Für eine mögliche LKW-Einfahrt in ein riesiges Stollensystem gibt es keinerlei Hinweise, auch die Dimension des Bauwerks lässt derartige Schlussfolgerungen nicht zu. Es ist wissenschaft- lich vollkommen unzulässig, von einem angeblich dort gefundenen Haltegriff eines LKW auf ei- ne LKW-Einfahrt zu schließen. Dieser Gegenstand wurde im Laufe der Jahre – wie augen- scheinlich auch viele andere – dort abgelagert.

9. Schleifring statt Teilchenbeschleuniger – kein Beweis für Atom(bomben)-Aktivitäten
Beim 2014 gefundenen elektrischen Bauteil handelt es sich um einen Schleifring eines Schleif- ringläufermotors (= Drehstrommotor). Experten des Instituts für Hochenergiephysik der Öster- reichischen Akademie der Wissenschaften und des Forschungszentrums CERN (Genf) können einen Zusammenhang mit einem Teilchenbeschleuniger ausschließen. Das Stück kann also keinesfalls als Beweis für angebliche Atom(bomben)-Aktivitäten herangezogen werden.

10. Interviewausschnitt eines Mauthausen-Überlebenden aus Zusammenhang gerissen
Auch von jenen Überlebenden des Lagers Gusen, die Zwangsarbeit im Bau des Tunnelsys- tems bzw. in der Rüstungsfertigung in „Bergkristall“ leisten mussten, ist keine einzige Aussage – weder in schriftlicher noch in mündlicher Form – bekannt, welche die Annahmen eines bisher unbekannten Stollensystems unterstützen würden.
Die den Experten/innen präsentierte Aussage eines Überlebenden – Dusan Stefancic – wurde völlig aus dem Kontext gerissen und in ihrer potenziellen Vieldeutigkeit manipulativ eingesetzt. Er betonte in einem von Andreas Sulzer vorgeführten Interviewausschnitt, dass in Bezug auf das Lager Gusen und "Bergkristall" noch vieles zu klären sei, ohne genauer zu sagen, was er dabei konkret im Auge habe.

11. Angeblich neu entdeckte Originalpläne seit Jahrzehnten frei zugänglich, seit 1980er Jah- re gut erforscht: Eine Reihe von Plänen zum Projekt "Bergkristall" aus dem Ingenieurbüro Fiebinger wurde nach dem Krieg 1945 in einer (zunächst geheimen) US-amerikanischen Zu- sammenstellung unter dem Titel: „German Underground Installations Part one of three, unique design and construction methods, CIOS Section Intelligence division office, chief engineer, USFET, Washington, D.C. 1945“ publiziert. Diese Pläne geben detailliert Auskunft über die Stollenplanungen „Bergkristall“. Sie enthalten keinerlei Hinweise auf die von Andreas Sulzer behauptete Existenz einer zweiten Stollenanlage. Auch die von Sulzer zitierten Bauakten der am Bau beteiligten Firma Grün & Bilfinger (ARGE Grüku) belegen bekannten Stollenbestand.

12. Das in St. Georgen vermutete Projekt „B 7 (Esche I)“ in Hersbruck-Happurg (D) errichtet
Zunächst waren in Kammlers Projektliste für B-Bauvorhaben für St. Georgen zwei Stollenbau- ten mit der Bezeichnung „Projekt B 7 (Esche II)“ und „Projekt B 8 (Esche I)“ im Gespräch. Rea- lisiert wurde in St. Georgen aber nur eines der beiden. Im Zuge der endgültigen Festlegung der A- und B-Bauvorhaben Kammlers wurde das Projekt in St.Georgen als Kammler-Projekt „B 8“ geführt und erhielt den (ursprünglich dem Projekt „B 7“ zugeordneten) Tarnnamen „Esche II“. Die Projektnummer „B7 (Esche I)“ erhielt ein Untertagebauvorhaben Kammlers in Hersbruck- Happurg (in der Nähe von Nürnberg) zur Verlagerung der BMW-Flugmotorenproduktion.

13. Angeblich bisher unbekannte Führerbesprechungsprotokolle seit 1969 publiziert
Die im Protokoll vom 05.03.1944 dokumentierten Forderungen Hitlers nach Großprojekten im Ausmaß von 600.000 bis 800.000 qm bezogen sich explizit auf den Bau von Betonbunkern, wie sie aus Kaufering etc. bekannt sind und nicht auf Stollenanlagen vom Typ "Bergkristall". Im Protokoll über die Führerbesprechung vom 6./7. April 1944 wäre eine Klarstellung zu finden gewesen. Die angeblich bisher unbekannten Führerbesprechungen sind seit 1969 publiziert.

14. Neu „entdeckte“ Sammlung Goudsmit seit vielen Jahren mikroverfilmt (USHMM)
Die darin verwahrten Pläne von Stollenprojekten (u.a. aus dem Büro Fiebinger) sind frei zu- gänglich und zT. auch unter http://nazitunnels.org/archive/items/show/155 abrufbar. Die Unter- lagen sind eine interessante Quelle, enthalten aber keinerlei Hinweise, die die Thesen eines weiteren Stollensystems untermauern würden. Die Sammlung befindet sich zudem seit 2003 auszugsweise im Archiv der KZ-Gedenkstätte Mauthausen.

15. Himmler besichtigte „gigantische“ Untertageprojekte, daher ist Bergkristall größer
Nur weil dokumentiert ist, dass Reichsführer-SS Heinrich Himmler „gigantische“ Untertagepro- jekte besichtigte, muss „Bergkristall“ nicht größer gewesen sein, als es tatsächlich ist. Faktum ist, es ist ein „gigantisches“ Untertageprojekt. Die Frage ist, wie man gigantisch definiert.

16. Betonoktogon: Lüftungsschacht „S 6“ statt Raketenabschussrampe
Beim schon viele Jahre bekannten "Oktogon" handelt es sich tatsächlich um die Lüftungsanla- ge „S6“ der Stollenanlage Bergkristall und nicht um eine kolportierte Raketenabschussrampe. Das ist auch aus den Originalplänen und einem Luftbild vom 16.04.1945, auf dem eine oktogo- nale Form erkennbar ist, feststellbar. Auch der Lageplan der Lüftungskanäle vom Ingenieurbü- ro Fiebinger vom 31.10.1944 stimmt damit überein.
Lüftungsanlagen mussten Luftangriffen standhalten und gleichzeitig druck- wie auch gasdicht sein, damit im Ernstfall nicht Druckwellen oder Giftgase in die Stollenanlage gelangen konnten. Deshalb wurden diese Bauwerke in der Regel u.a. mit massiven armierten oft mehrere Meter dicken Betonplatten am oberen Ende versehen. Im Zuge der Sicherungsmaßnahmen 2003 – 2009 wurde das gesamte Lüftungsbauwerk verfüllt und daher geht von diesem keinerlei Ver- bruchsgefahr mehr aus.

17. Angeblich unter Verschluss gehaltenes Gutachten der österr. Studiengesellschaft für Atomenergie aus dem Jahre 1968 ist in der Bibliothek der Geologischen Bundesanstalt für jedermann frei zugänglich.
Univ.-Prof. MR Dr. Leopold Weber, ein international anerkannter Experte für Geologie, Geo- technik und Bergbau, hat das Gutachten geprüft und dabei festgestellt, dass die geologischen Schlussfolgerungen darin äußerst vage und nicht nachvollziehbar sind. Das in der Kartenbeila- ge dargestellte Stollennetz entspricht in keiner Weise der zum Zeitpunkt der Erstellung dieser Expertise vorhandenen Ausdehnung der Untertagehohlräume. Auch entsprechen die Angaben der Stollenquerschnitte nicht der Realität. Hinweise, dass sich über dem bekannten Stollensys- tem eine weitere Etage befinden soll, konnten im Zuge der Sicherungsmaßnahmen durch viele Bohrungen nicht bestätigt werden. Unterhalb des bestehenden Systems ist die Existenz einer weiteren Anlage von tieferen Untertagehohlräumen unwahrscheinlich, weil dadurch in den Grundwasserkörper eingegriffen und ein Teil im Granit liegen würde. Die Konturierung mit der Bezeichnung „maximale Ausdehnung des Stollensystems“ ist spekulativ und durch nichts begründet.

18. A. Sulzers kommunizierte Aushubmengen sind bekannten Stollen jedenfalls zuordenbar
Andreas Sulzer berichtete, dass in einem ihm vorliegenden Originalakt von einer unterirdisch geförderten Aushubmenge von ca. 340.000 m3 Sand die Rede war. Aus der erhobenen Verfüll- kubatur bei den von der BIG gesetzten Sicherungsmaßnahmen ist von einer Masse von 297.068 m3 auszugehen, wobei dabei Kollektorgänge, Möglegrube und bereits abgetragene Bauwerke, ... ohne Berücksichtigung blieben. Auch daraus ist somit kein Hinweis auf weitere Anlagen zu gewinnen.

19. Risse eines Hauses eindeutig nicht durch unterirdische Hohlräume verursacht
Gutachten und geotechnische Untersuchungen schließen Hohlräume als Ursache aus.

20. Auswertung/Beurteilung von Luftbildern und Plänen ohne neue Erkenntnisse
Fünf Luftbilder aus dem Zeitraum 13. Juni 1944 bis 8. Mai 1945 brachten keine Hinweise auf eine größere Stollenanlage. Sie wurden von Prof.in Dr.in Claudia Theune-Vogt georeferenziert, im Programm ArcGIS mit dem aktuellen Katasterplan (DORIS) mit weiteren historischen Daten und Plänen verknüpft und analysiert. Alle Bauarbeiten decken sich mit den Plänen des Ingeni- eurbüros Fiebinger. Insbesondere sind keinerlei (oberirdische) Bautätigkeiten westlich des be- kannten Areals Bergkristall festzustellen. (Anm.: Unterirdische Anlagen hinterlassen oberirdische Spuren – Eingangsbereiche, Lüftungsanlagen, Förderbänder für den Abtransport des Aushubmaterials, Gleisanlagen, Schlepp- und Feldbahnen, ...)

21. Entdeckte Unterlagen(-Einzelstücke) aus dem Zusammenhang gerissen
Der aktuell bekannte Forschungsstand ist durch eine Unzahl zeitgenössischer Quellen (Behör- denakten, insbesondere des Reichsministeriums für Rüstung und Kriegsproduktion, des Reichsluftfahrtministeriums, Firmenakten, Bauakten, Unterlagen des für die Planung und Bau- leitung zuständigen Ingenieurbüros Karl Fiebinger, Akten der SS, regionale Akten, etc.) genau belegbar. Er wird auch durch Quellen aus der Nachkriegszeit (Erinnerungen ehem. KZ Häftlin- ge, Prozessakten, etc.) bestätigt. Im Zuge mehrjähriger Sammlung und Erforschung von Quel- lenbeständen kam nicht eine einzige Quelle zutage, die auf ein weiteres Stollensystem oder gar auf eine Atomforschung in St. Georgen hinweisen oder dies auch nur plausibel erscheinen lassen würde.

Fazit Expertenbericht
Es wurde festgestellt, dass kein einziger Beweis und damit keine einzige Vermutung oder Annah- me einer wissenschaftlichen Überprüfung standgehalten hat. Es gibt somit weiterhin keinen schlüssigen Hinweis darauf, dass einerseits die Stollenanlage größer wäre oder es andere Aktivitä- ten (insbesondere Atom- oder Raketenforschungszentrum) dort gegeben haben könnte als bisher bekannt.
Die Stollenanlage von St. Georgen an der Gusen wurde zwischen 1944 und 1945 durch Zwangs- arbeit von tausenden KZ-Häftlingen errichtet und diente als unterirdische Rüstungsfabrik mit den Tarnnamen „Bergkristall“ bzw. „Esche II“. Darin wurden hauptsächlich Messerschmitt Jagdflugzeu- ge (Me-262) produziert.
Die bekannte Anlage erstreckt sich über ein Areal von ca. 200.000 m2 südwestlich des Ortszent- rums. Sie nahm ihren Ausgang von den dort vorhandenen Sandgruben. Die gesamte Stollenlänge beträgt ca. 8,15 km. Die BIG hat in den letzten 12 Jahren das Stollensystem St. Georgen an der Gusen gesichert. Insgesamt wurden dabei rund 15 Mio. Euro investiert.

HINWEIS: Grabungsarbeiten nur durch ausgewiesene Experten/innen
§ 11 Denkmalschutzgesetz sieht vor, dass Nachforschungen durch Veränderung der Erdoberfläche (Freile- gungen) zum Zwecke der Entdeckung und Untersuchung von Denkmalen unter der Erdoberfläche nur mit Bewilligung des Bundesdenkmalamts vorgenommen werden dürfen. Derartige Bewilligungen dürfen nur an Personen erteilt werden, die ein einschlägiges Universitätsstudium absolviert haben.

Mitglieder der Experten/innenrunde (alphabetisch):

1. Dr. Christian Dürr, Bundesministerium für Inneres, Gedenkstätte KZ Mauthausen
2. DDr.in Barbara Glück, Bundesministerium für Inneres, Leiterin Gedenkstätte KZ Mauthausen
3. MMag. Dr. Josef Goldberger, Oö. Landesarchiv
4. Mag. Heinz Gruber, Bundesdenkmalamt, Abteilung für Archäologie
5. Mag. Wolfgang Klimesch, Archäologe, Archeonova (i.A. des Bundesdenkmalamts)
6. Ing. Mag. Werner Kreisl, Bezirkshauptmann von Perg (Vorsitz)
7. Direktor Dr. Gerhard Marckhgott, Oö. Landesarchiv
8. Assoz. Prof. Doz. Dr. Bertrand Perz, Universität Wien, stv. Vorstand Institut f. Zeitgeschichte
9. Mag. Rene Ployer, Bundesdenkmalamt
10. Hilde Prandner, Bürgermeisterin der Marktgemeinde Luftenberg
11. Mag. Dipl.(HTL) Ing. Martin Scheiber, S Consult Management GmbH (i.A. der BIG)
12. HRin Dr.in Sigrid Sperker, Amt der Oö. Landesregierung, Direktion Umwelt und Wasserwirt-
schaft, Abteilung Umweltschutz, Gruppenleiterin Strahlenschutz
13. Ing. Thomas Styrsky, Leiter Spezialimmobilien, Bundesimmobiliengesellschaft m.b.H.
14. Dekanin Univ.-Prof.in Dr.in Claudia Theune-Vogt, Universität Wien, stv. Vorständin Institut für
Urgeschichte u. Historische Archäologie, Dekanin Historisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät 15. Ing. Erich Wahl, MBA, Bürgermeister der Marktgemeinde St. Georgen an der Gusen
16. OBauR Dipl. Ing. Dr. Harald Wimmer, Geologe, Amt der Oö. Landesregierung, Direktion
Umwelt und Wasserwirtschaft, Abteilung Grund- und Trinkwasserwirtschaft

Anzeige
Karin befördert mit Begeisterung Fahrgäste. | Foto: OÖVV/Kneidinger-Photography
4

Für den OÖVV am Steuer
Quereinsteiger im Bus: Ein neuer Job mit vielen Vorteilen

Es gibt Menschen, die von Kindheitstagen an auf das Buslenken als Traumberuf hinarbeiten. Die meisten Buslenkerinnen und Buslenker entdecken diesen abwechslungsreichen und krisensicheren Job aber erst im Laufe der Zeit für sich.Wir stellen heute vier Beispiele vor: Karin ist gelernte Konditorin, Kathrin war Tischlerin – beide hatten vorher auch Lkw-Erfahrung –, und Bernadette und Michael tauschten ihre Gastrovergangenheit mit einem Platz hinter dem Buslenkrad.  Übers Lkw-Fahren zum...

Kommentare

?

Du möchtest kommentieren?

Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.

UP TO DATE BLEIBEN

Aktuelle Nachrichten aus Perg auf MeinBezirk.at/Perg

Neuigkeiten aus Perg als Push-Nachricht direkt aufs Handy

BezirksRundSchau Perg auf Facebook: MeinBezirk.at/Perg - BezirksRundSchau

ePaper jetzt gleich digital durchblättern

Storys aus Perg und coole Gewinnspiele im wöchentlichen MeinBezirk.at-Newsletter


Du willst eigene Beiträge veröffentlichen?

Werde Regionaut!

Jetzt registrieren

Du möchtest selbst beitragen?

Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.