Von wegen Nerd. Über eine völlig logische Leidenschaft
Die Bezirksblätter haben die Logikforscherin Martina Seidl, eine gebürtige Klosterneuburgerin, zum Gespräch über ihre Wissenschaft und deren (nicht immer offensichtlichen) Alltagsbezug gebeten.
KLOSTERNEUBURG/WIEN (Printausgabe, 13. April 2016). Martina Seidl ist in Klosterneuburg aufgewachsen. Hier am Gymnasium wurde ihre Liebe für Zahlen, für Logik und Informatik geweckt. Vor wenigen Wochen habilitierte die 36-Jährige und darf sich nun Professorin nennen. An der Johannes-Kepler-Universität, wo sie derzeit Logik und formale Methoden unterricht, hat sie eine Laufbahn-Stelle. Wir trafen Seidl an ihrer "Heimatuniversität", der TU Wien.
Sie sind in einem Fach erfolgreich, das den Stempel frauenuntypisch trägt. Stört Sie diese Zuschreibung?
MARTINA SEIDL: "Nein. In der alltäglichen Arbeit merke ich das auch nicht. Natürlich fällt es auf, dass in dem Umfeld weniger Frauen sind, aber zum Beispiel im Logikdoktoratsprogramm der TU Wien/TU Graz/JKU Linz liegt der Frauenanteil bei 50 Prozent. Ich finde Frauen in der Informatik als nichts besonders Bemerkenswertes."
Wie sind Sie zur Logik gekommen?
MARTINA SEIDL: "In der Oberstufe am Gymnasium Klosterneuburg hatte ich einen guten Informatikunterricht. Mein Interesse geweckt hat schließlich ein fächerübergreifendes Medienkunst-Projekt in Englisch und Zeichnen. Ich war fasziniert und wollte wissen, was einen Computer zum Laufen bringt. Es war schnell klar, dass ich theoretische Informatik studieren will. Die Richtung der Logik hat sich dann im Laufe des Studiums ergeben."
Was macht die Faszination für das Logische aus?
MARTINA SEIDL: "Einerseits ist man in der Logik extrem genau und präzise, andererseits kann man dadurch aber sehr kreative Sachen machen. Es ist mit der Logik möglich mit sehr simpel wirkenden Ausdrücken sehr schwierige Probleme zu lösen. Mich interessieren dabei die konkreten Anwendungen und nicht der Selbstzweck."
Wo im Alltag begegnen uns die Ergebnisse Ihrer Forschung?
MARTINA SEIDL: "Sie merken es dadurch, dass Computer immer stabiler werden. Große Firmen haben eigene Forschungsabteilungen, die das mit entsprechenden Verfahren sicherstellen – dort findet der praktische Einsatz unserer akademischen Arbeit statt. Unsere Techniken werden dazu verwendet, dass Systeme funktionieren. Besonders wichtig ist das bei kritischen System, wo es zum Beispiel wie bei der Software von Flugzeugen auch um Menschenleben geht."
Mit Ihrer Forschungs und Ihrem Wissen lässt sich in der Privatwirtschaft viel Geld verdienen und Karriere machen. Reizt Sie das nicht?
MARTINA SEIDL: "Es war einmal Thema, ja. Aber ich bin sehr gerne im universitären Bereich und lehrend tätig."
Viele wichtige Ideen aus dem Feld der Logik kamen Anfang des 20. Jahrhunderts aus Wien. Besteht zwischen den damaligen Theorien von Karl Popper, Ludwig Wittgenstein oder Moritz Schlick und der heutigen Disziplin angesichts der Erfindung der Computer überhaupt ein Zusammenhang?
MARTINA SEIDL: "Ja, den gibt es schon. Die Ursprünge gehen auf die frühen Überlegungen zurück. Geändert hat sich natürlich, dass wir mit den Computern unsere Algorithmen tatsächlich auch empirisch ausprobieren können."
Die alltagssprachliche Verwendung von "logisch" hat mit der wissenschaftlichen nicht allzu viel gemein ...
MARTINA SEIDL: "Sie meinen mit dem Hausverstand? (lacht) Es stimmt schon, was Studierende manchmal sagen, dass das, was wir unterrichten, nicht immer dem Hausverstand entspricht. Nichtsdestotrotz ist es sehr mathematisch."
Klischees unterstellen InformatikerInnen gern Alltagsfremdheit. Wie viel ist da dran?
MARTINA SEIDL: "Man ist in der Informatikausbildung definitiv nicht der Nerd, der kein Tageslicht mehr sieht. Gerade die Informatik ist sehr vielfältig. Natürlich gibt es theoretische Teilbereiche, die wenig Anknüpfungspunkte zum Alltag haben. Aber man kann sich auch mit sozialen Fragen auseinandersetzen, wenn es zum Beispiel um Begriffe wie der Benutzerfreundlichkeit von Programmen geht. Das hat auch eine soziologische Komponente. Wenn man sich überlegt, welche Auswirkungen es hat, wenn eine Software die Zusammenarbeit mehrerer Leute ermöglicht. Facebook zum Beispiel hat verändert, wie Menschen miteinander kommunizieren. Man kann mit Computern klassische Programmiersachen, die näher an der Hardware sind, genauso wie Kunst machen."
Womit beschäftigen Sie sich aktuell?
MARTINA SEIDL: "In der Informatik gibt es die so genannten Beweiser. Das sind hochkomplizierte Programme, die bestimmte Eigenschaften von Systemen wie Software mithilfe logischer Formeln überprüfen. Mich interessiert, ob die Tools zur Überprüfung, ob Programmen richtig laufen, also die Beweiser, selbst auch richtig laufen. Dabei handelt es sich letztendlich um Grundlagenforschung."
Interview: Cornelia Grobner
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