"Das Jugendamt ist nicht 'böse' – das müssen wir den Eltern klarmachen"

Den Mirabellgarten hat sich Vizebgm. Anja Hagenauer (SPÖ) für das Stadtblatt-Sommergespräch ausgesucht, weil "hier Barock und moderne Architektur so gut zusammenpassen. Man sieht also, dass wir das in Salzburg doch auch können."
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Den Mirabellgarten hat sich Vizebgm. Anja Hagenauer (SPÖ) für das Stadtblatt-Sommergespräch ausgesucht, weil "hier Barock und moderne Architektur so gut zusammenpassen. Man sieht also, dass wir das in Salzburg doch auch können."

Sie sind seit gut drei Monaten neue Vizebürgermeisterin der Stadt Salzburg, aber nicht neu in der Politik. Wie desillusioniert ist man nach der Einarbeitungsphase?
ANJA HAGENAUER:
Gar nicht, ganz im Gegenteil. Im Gemeinderat und auch auf der Regierungsbank sind nach meiner Wahrnehmung alle von dem Willen getrieben, das Beste für die Stadt zu erreichen. Dass es da natürlich verschiedene Meinungen dazu gibt, ist klar, aber jeder will etwas zu einer Verbesserung beitragen. Und das gefällt mir.

Das Sozialressort umfasst 650 Mitarbeiter und ein Budget von rund 50 Millionen Euro. Was hat sich mit Ihnen geändert oder wird sich demnächst im Sozialressort ändern?
ANJA HAGENAUER:
Ich habe festgestellt, dass ich einen gut bestellten Stall übernommen habe. Der Unterschied mit mir ist: Ich habe 20 Jahre lang an der Basis gearbeitet, ich gehe mit einem anderen Blick hinein und in den nächsten Jahren wird sich hier einiges ändern.

Was zum Beispiel?
ANJA HAGENAUER:
Ich möchte, dass wir uns mehr öffnen, dass die Menschen das Gefühl haben, sie werden nicht gegängelt, sondern dass man sich nicht schämen muss, wenn man Hilfe benötigt – die einem ja zusteht. Das betrifft auch das Jugendamt, das leider kein besonders gutes Image hat.

Inwiefern?
ANJA HAGENAUER:
Eltern haben Angst, sich mit Problemen an uns zu wenden, weil wir diejenigen sind, die ihnen dann die Kinder „wegnehmen“. Aber dieses Bild stimmt nicht, ja, klar, es gibt Kindesabnahmen, aber nur im äußersten Notfall. Das Jugendamt ist nicht „böse“, sondern es hat die Aufgabe, Familien bestmöglich zu begleiten. Und je früher Familien mit einem Thema kommen, desto besser. Dazu müssen wir intern aber noch den Blick öffnen und uns besser mit anderen Sozialeinrichtungen im Jugendbereich vernetzen.

Und hat das Jugendamt überhaupt genug Personal dafür, sich um „nicht ganz dringende Fälle“ zu kümmern?
ANJA HAGENAUER:
Personell sind wir relativ zufrieden und wenn ich an finanzielle Aspekte denke, dann ist es allemal günstiger, einer Familie präventiv bei der Bewältigung von Problemen zu helfen, als später Kinder und Jugendliche in teure Maßnahmen stecken zu müssen.

Wo sehen Sie noch Änderungsbedarf?
ANJA HAGENAUER:
Ein weiterer wichtiger Bereich sind für mich die Seniorinnen und Senioren. Mit dem Umbau der Seniorenwohnhäuser in große Wohneinheiten geht auch hier ein Umdenken einher. Bisher wurde den älteren Menschen oft eine gewisse Mündigkeit abgesprochen, aber warum bitte soll ein Seniorenwohnhausbewohner nicht selbst bestimmen können, ob er um 17 oder um 19 Uhr Abendessen möchte? In den neuen Wohneinheiten leben die Seniorinnen und Senioren wie in einer Großfamilie zusammen. Sie haben ihr eigenes Zimmer, aber wenn sie da herauskommen, dann finden sie sich nicht auf einem Gang, sondern eben in einer Wohnumgebung. Es geht darum, ihnen etwas zuzutrauen. Wir wollen die Leute nicht verwahren, sondern ihnen sagen: Lebt einfach noch!

Bettler sind ein ewiges Thema: Was geht hier weiter?
ANJA HAGENAUER:
Die Caritas ist nach wie vor auf der Suche nach einer Unterkunft, die soll so einfach wie möglich sein, mit Matratzen zum Schlafen und einer Gelegenheit, Tee und ein warmes Essen zu kochen. Mehr als 100.000 Euro pro Jahr wird es dafür von der Stadt aber nicht geben. Ich will auch nicht, dass die Stadt voller Bettler ist, aber ich will auch nicht, dass bei uns Bettler erfrieren. Des Weiteren wird noch an einem Verhaltenskodex für Bettler gearbeitet, der sollte in den nächsten Wochen fertig sein.

Was ist mit Kindern der Bettler?
ANJA HAGENAUER:
Nur wenn eine Familie mit ihrem Kind im Freien schläft, liegt noch keine Gefährdung des Kindeswohls vor. Die wäre für ein Einschreiten des Jugendamtes aber notwendig. Und nachdem die Familien ihren Hauptwohnsitz nicht hier haben, gelten sie als Touristen und die Schulpflicht spielt damit auch keine Rolle. Wer mit einem Kind bettelt, macht sich allerdings strafbar.

Sie sind eine Integrationsexpertin – und für die Schulen zuständig. Wird es hier neue Rezepte im Umgang mit vielen Nationalitäten und Sprachen in den Pflichtschulen geben?
ANJA HAGENAUER:
Wir können nicht in das Schulwesen eingreifen, denn dafür sind wir nicht zuständig. Was wir aber in der Vergangenheit gemacht haben und auch weiterhin tun werden, sind Projekte wie "Miteinander Tun". Dabei haben angehende Lehrkräfte Freizeit mit Kindern aus Migrationsfamilien verbracht. Die Kinder haben dadurch Plätze in der Stadt kennen gelernt, an die sie sonst nicht gekommen wären und die künftigen Lehrer haben die Umgebung der Kinder kennen gelernt und zum Beispiel erfahren, dass eben nicht jedes Kind ein eigenes Zimmer hat, in das es sich zum Lernen zurückziehen kann.

Könnte man die Vielfalt besser nützen, als Potenzial für alle, die hier leben?
ANJA HAGENAUER:
Wir haben ein großes Problem: Unser Schulsystem ist monokulturell, das heißt, der Lehrkörper besteht aus Österreichern und spiegelt die Vielfalt im Klassenzimmer nicht wider. Diversity Management ist immer noch kein Pflichtteil in der Lehrerausbildung, und es fehlen Rollenbilder von Lehrern mit Migrationshintergrund. Die Wirtschaft ist uns da voraus – es ist selbstverständlich, dass Banken und Versicherungen gezielt Menschen mit Migrationshintergrund beschäftigen, weil man sich auf diese Kundenschichten eingestellt hat. Bei Lehrern, aber auch bei der Polizei oder im Magistrat hinken wir hier leider noch hinterher. Eine Gesellschaft, die es schafft, aus Verschiedenheit ihre Stärke zu ziehen, ist innovativ und erfolgreich – und das betrifft nicht nur Migranten, sondern beispielsweise auch Menschen mit Behinderungen oder anderer sexueller Orientierung.

Was kann das in der Praxis heißen?
ANJA HAGENAUER:
Dass wir gemeinsam mit Baustadträtin Barbara Unterkofler bei der Neugestaltung der Getreidegasse, anders als bei der Linzergasse, wo das nur zum Teil geglückt ist, Behindertenvertreter von vornherein einbinden, um die Getreidegasse barrierefrei zu machen. Immerhin ist ein Fünftel der Bevölkerung beeinträchtigt, dazu muss man nicht unbedingt im Rollstuhl sitzen.

Wollen Sie die nächste Bürgermeisterin bzw. damit dann die erste Bürgermeisterin der Stadt Salzburg werden?
ANJA HAGENAUER:
Ich bin zufrieden als Vizebürgermeisterin. Ich habe vor zwei Jahren noch nicht geglaubt, dass ich heute Vizebürgermeisterin sein würde – das weiß also der Herrgott und sonst keiner.

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