Voith: So tickt der "Tod aus Heidenheim"

„Voith wird es in Heidenheim immer geben“: In der 50.000-Einwohner-Stadt ist das Unternehmen scheinbar allgegenwärtig.
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ST. PÖLTEN/HEIDENHEIM (jg). 556 Kilometer. Knapp fünf Stunden Fahrzeit, um von St. Pölten über Passau in die St. Pöltener Straße 43 in Heidenheim an der Brenz zu kommen. Von dieser Adresse aus eroberte Voith mit Erfindergeist und Unternehmertum, Wagemut und Weitblick über drei Jahrhunderte hinweg die Welt. Hier entschied die Führung des Konzerns kürzlich aber auch, den Voith-Paper-Standort in der niederösterreichischen Landeshauptstadt mit rund 200 betroffenen Arbeitnehmern zu schließen.

Ungewisse Zukunft und "hausgemachte Probleme"

Voith scheint hier als größter regionaler Arbeitgeber allgegenwärtig. Weitläufige Parkplatzanlagen für die Mitarbeiter durchteilen die Stadt, die in der Größenordnung mit rund 50.000 Einwohnern nur knapp unter St. Pölten liegt. Auf vielen Häusern prangt das Logo des Unternehmens, das Fußballstadion trägt den Namen Voith und auch im Café Melange sorgt der Konzern aktuell für Gespräche.

Hier kennt jeder jemanden, der bei Voith arbeitet. Durfte man früher eine Ausbildung bei Voith absolvieren, heißt es, hatte man es geschafft. Um die Zukunft brauchte man sich dann keine Sorgen zu machen. Heute hängt hingegen Ungewissheit in der Luft. Die Voith werde es in Heidenheim immer geben, darin sind sich alle einig. Doch in welcher Form, traut sich niemand sagen. Denn auch hier sind Einsparungen ein Thema. Bilder von Voith-Mitarbeitern, die bei streikähnlichen Kundgebungen mit Transparenten ihre Meinung zum Ausdruck bringen, lassen die Stimmung allerdings aufgebrachter erscheinen, als sie wirklich ist.

Liest man in St. Pölten etwa im aktuellen MFG vom „Tod aus Heidenheim“, schlägt man hier leisere Töne an – und versucht, die Schuld an der verzwickten Situation vieler Arbeiter nicht der Voith allein zu geben.
Café-Besitzerin Sue zum Beispiel spricht von der Globalisierung und einem „hausgemachten Problem“: „Wir kaufen nicht die T-Shirts aus Deutschland, sondern jene aus Asien um 3 Euro“, sagt sie. „Wir kaufen nicht im Geschäft um‘s Eck, sondern bestellen im Internet.“ In diesen Beispielen stecken Entwicklungen, die auch die Voith betreffen und auf die mit Neustrukturierungen reagiert werden soll, wie Bernd Stibi erklärt.

Rückgang des Papierverbrauchs

Der Voith-Paper-Geschäftsführer sitzt in einem karg eingerichteten Besprechungsraum, reicht dem Bezirksblätter-Redakteur selbst Kaffee und Milch und deutet auf ein Smartphone am Tisch, während er von der rasanten Entwicklung am Papiermarkt spricht. Diese ist in Nordamerika und Asien durch einen deutlichen Rückgang des Papierverbrauchs gekennzeichnet. „Ein Einbruch ist ab 2006 festzustellen“, sagt Stibi. Der Bedarf vor allem an grafischen Papieren sei seit 2006 rasant gesunken. In Asien hingegen sieht die Konzernführung vor allem in der Verpackungsindustrie einen guten Markt. Von einer „Verlagerung“ nach Asien, günstigeren Produktionsbedingungen und dahingehender Profitgier will der Manager hinsichtlich der Schließung von Voith Paper St. Pölten aber nicht sprechen.

Stibis Karriere bei Voith begann 1996 in einer Service-Ingenieur-Funktion. „Ich bin dann die Karriereleiter hochgestiegen“, sagt er. Heute zählt Stibi zu Österreichs Topmanagern. Im Industriemagazin-Ranking der 1.000 mächtigsten Geschäftsführer belegt er Rang 488.
Er hat es geschafft, dennoch fühlt er sich in seiner Haut momentan unwohl. Immer wieder betont er, dass es sich bei der Schließung in St. Pölten um eine „unangenehme Angelegenheit“ handle, er berichtet vom „enormen Preisdruck im Anlagenbau“ und will aktuell lieber nichts über die Werte, die Voith vermitteln will und selbst lebt, in der Zeitung lesen.

„Unangenehme Angelegenheit“ und neue Marktsituation

Der Job des Mannes im Business-Anzug mit hellblauem Hemd und gestreifter Krawatte ist es, ein Unternehmen wettbewerbsfähig zu machen. So klingen die für viele unerfreulichen Pläne aus dem Mund Stibis auch weniger nach versöhnender Beschwichtigung als vielmehr nach beinharter Notwendigkeit: „Wir haben eine Sparte bei Voith Paper, den Anlagenbau, die uns Sorgen macht, weil sich der Markt verändert hat. Wir stellen uns mit den aus unternehmerischer Sicht notwendigen Maßnahmen und der Bündelung der Walzenproduktion in China auf die neue Marktsituation ein“, so Stibi. In China würden eben viele Güter, die letztlich in Europa konsumiert werden, produziert. So steige dort auch der Bedarf an Verpackungsmaterial.

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