Freihandelsabkommen TTIP - Gefahr oder Chance – eine hochkarätig besetzte Veranstaltung in Rotholz

Direktor DI Norz der Ldw Lehranstalt Rotholz bei der Begrüßung
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Etwa 200 interessierte Zuhörerinnen und Zuhörer folgten am 8. April 2015 am Abend der Einladung von „Forum Land“ Landesobmann NR Hermann Gahr und dem Obmann des Rotholzer Absolventenvereines ÖR Alois Prosch in die LLA Rotholz, wo sich hochkarätige Gesprächspartner aus Politik, Wirtschaft und Landwirtschaft am Podium einfanden. EU-Abgeordnete Elli Köstinger war Hauptreferentin und stellte sich gemeinsam mit Mag. Stefan Garbislander von der Wirtschaftskammer, LK-Präsident Ing. Josef Hechenberger und Bio vom Berg Obmann Heinz Gstir der Diskussion. Überraschungsgast des Abends war Artur Auernhammer, Mitglied des Deutschen Bundestages.

Elli Köstinger ist seit 2009 EU-Abgeordnete und stammt aus Kärnten. Sie gab Einblick in die aktuellen Entwicklungen zur Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft TTIP. „Die Forderung nach Beschäftigung und Arbeit ist in fast allen Ländern sehr groß. Hintergrund der Verhandlungen ist es Wirtschaftsräume enger miteinander zu vernetzen, um die Wirtschaft zu stärken.“ Bis jetzt gab es 24 Verhandlungsrunden, wobei Österreich mit am Tisch sitzt und eine Stimme hat. Eine besondere Schwierigkeit in den Verhandlungen stellt für die EU Abgeordnete das unterschiedliche Denken in den Systemen dar: „Während in Europa zB Tierschutz und Umweltschutz sehr groß geschrieben und Produkte geschützt und zertifiziert werden, gibt es Länder, wo solche Auflagen und Standards schlichtweg nicht existieren.“ Für Köstinger ist es in den Verhandlungen unumgänglich auf die Beibehaltung der hohen heimischen Lebensmittelstandards und die Gewährleistung der Herkunftsbezeichnung zu bestehen. „Wir müssen sorgsam und wachsam sein und sehr gut auf unsere heimischen Produkte und Produzenten schauen.“ Bei den Verhandlungen gehe es entgegen der Meinung vieler Konsumenten nicht um die Großkonzerne. Diese würden laut Köstinger durch globale Wirtschaftszusamneschlüsse sowieso am Markt bestehen. Das TTIP Freihandelsabkommen müsse vor allem für kleine und mittelgroße Produzenten ausgehandelt werden. „Wir sind mit unseren österreichischen Produkten in qualitativ und preislich hochwertigem Segment unterwegs und können damit am Markt punkten und bestehen. Das muss uns bei den Verhandlungen bewusst sein. Der Handel ist keine Einbahnstraße und birgt große Chancen für uns, wenn man mögliche Gefahren bereits im Vorfeld aus dem Weg räumt.“ Warum TTIP so emotional und in den unterschiedlichsten Medien mit großem Interesse behandelt wird, ortet Köstinger in der notwendigen Verhandlungsstrategie: „Man kann bei laufenden Verhandlungen nicht alle Karten sofort offen auf den Tisch legen, wenn man ernsthaft ein Ziel erreichen will. Genau diese fehlenden Informationen verunsichern jedoch zur Zeit die Menschen.“
Eine Chance die man nutzen muss:
Mag. Stefan Garbislander, Leiter der Abteilung Wirtschaftspolitik und Strategie der Wirtschaftskammer Tirol schilderte die wirtschaftliche Sicht der Dinge. „Tirol ist massiv abhängig von ausländischen Märkten. Wir dürfen nicht so tun, als wäre der amerikanische Markt weit weg. 11 Mrd. Euro stammen in unserem Land aus dem Warenexport“ erklärte er und warnte in seinen Ausführungen davor das Thema TTIP zu emotional zu diskutieren. „Österreich selbst hat in den vergangenen Jahren 61 Handelsabkommen vereinbart. TTIP birgt große Potentiale und nicht zuletzt deshalb bitte ich sachlich an die Diskussion heranzugehen. Es ist klar, dass nur dort, wo Standards gleich sind ein Handel entstehen kann, alles andere wäre uninteressant“. Garbislander wies in seinen Ausführungen auf den Äquivalentbereich hin, der in den Verhandlungen eine wichtige Rolle spiele. „Der Handel sei keine Einbahnstraße, deswegen werde auf die Angleichung von Standards in den Verhandlungen selbstverständlich viel Wert gelegt.“

Die Bedenken der Tiroler Bauern:
LK-Präsident Ing Josef Hechenberger und Bio vom Berg Obmann Heinz Gstir wiesen mit aller Deutlichkeit auf den unbedingten Schutz der kleinstrukturierten Landwirtschaft in Tirol und den Erhalt der hohen Produktstandards in unserem Land hin. „Der Markt braucht Zügel, sonst wird der Wettbewerb innerhalb der Landwirtschaft noch mehr steigen. Der Konkurrenzkampf unter den Bauern wird größer und eines muss man sicherlich mit bedenken: auch wenn Klein- und Mittelbetriebe durch solche Handelsabkommen gestärkt werden, Großkonzerne werden mit Sicherheit noch stärker und mächtiger am Markt“, so Gstir, der als Obmann der Genossenschaft Bio vom Berg einen zunehmenden Druck auf heimische Bauern ortet.

LK-Präsident Ing. Josef Hechenberger brachte noch eine Facette ins Spiel: „Wir haben nicht einmal auf Österreichebene eine Chancengleichheit. Die Tiroler Landwirtschaft sei im Vergleich sehr klein strukturiert und wir Bauern müssen schauen, wie wir am Markt mit Großbauern aus Ostösterreich bestehen können. Unter diesen Voraussetzungen werde jetzt mit Märkten wie USA verhandelt, wo Massentierhaltung ganz selbstverständlich ist.“ Weiters brachte Hechenberger das Konsumentenverhalten ins Spiel: „Wir haben mit manchen Handelsketten faire Partner, die regionale, hochwertige Produkte zu angemessenen Preisen verkaufen und dennoch findet man bei all diesen Partnern zunehmend Eigenmarken in den Regalen, bei denen Herkunfts- und Inhaltsangaben auf ein Minimum reduziert sind. Diese fast schon anonymen Billigprodukte finde man nur in den Regalen, weil sie der Konsument auch kauft.“
Der Blick über die Landesgrenzen:

Artur Auernhammer, selber Landwirt und Mitglied des Deutschen Bundestages, ortet in Tirol ähnliche Bedenken und Ängste wie auch in Deutschland und begrüßt deswegen die Podiumsdiskussion. Auch er gab Einblicke in die Verhandlungen. „Bei den Gesprächen bin ich als mittelgroßer Bauer aus Bayern weitaus der kleinste Gesprächspartner. Es ist deswegen gerade für ein Land wie Österreich unumgänglich bei den Verhandlungen mitzumischen, damit die Perspektive der kleinstrukturierten Wirtschaft und Landwirtschaft nicht unter den Tisch fällt: „Sich den Verhandlungen fern zu halten wäre ein Fehler. Die Globalisierung können wir nicht aufhalten und wenn wir selbst uns nicht einig werden, werden sich andere über uns einig.“

Wo: Ldw Lehranstalt Rotholz, Straß, Strass i.Z. auf Karte anzeigen
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