"Ich fühle mich so alleine!" - Der Verein Rainbow hilft traumatisierten Kindern
Was tun, wenn sich Eltern plötzlich scheiden lassen? Rainbows hilft weiter
ST. PÖLTEN (ah). "Mama und Papa schreien sich schon wieder an. Eine Türe knallt zu und plötzlich höre ich, dass Papa schon wieder das Haus verlässt und mit dem Auto wegfährt." - Solche Szenen kennen viele Scheidungskinder. Der Verein Rainbows nimmt sich traumatisierten Kindern und Jugendlichen an. Im Februar startet ein zwölf Wochen dauernder Kurs. Die NÖ Rainbows-Beauftragte Marion Wallner im Bezirksblätter-Gespräch.
Bezirksblätter: Wie erkennt man, dass ein Kind/Jugendlicher Hilfe in Ausnahmesituationen wie bei Scheidung oder Tod eines Familienmitglieds braucht?
MARION WALLNER: "Oft kommt der Hilferuf von den Kindern selbst. Dann ist es wichtig, den Wunsch ernst zu nehmen. Manche fallen durch besondere Gefühlsausbrüche mit viel Wut und Aggression auf, andere ziehen sich komplett zurück, wieder andere reagieren scheinbar gar nicht, Begleitung können alle Kinder in Zeiten der Trauer um einen geliebten Menschen oder in Zeiten großer Umbrüche im Leben brauchen. Das stärkt sie und bestätigt sie darin, dass mit ihnen alles in Ordnung ist, wenn sie sich anders fühlen und verhalten als sonst."
Muss die Situation akut sein, oder kann man sich auch erst etwas später Hilfe holen?
"Beides kommt vor und hat seine Berechtigung. In der Schockstarre bleiben manche Kinder lieber nur im Familienverband und können sich anderen Personen gegenüber nicht öffnen. Für viele ist aber sofortige Hilfe das Beste, weil sie in ihrer Unsicherheit nicht alleine gelassen werden."
Was erwartet die Kinder bei den Gruppentreffen in St. Pölten?
"Andere Kinder, die in derselben Situation sind: sie haben zwei Elternteile, die verschiedene Zuhause haben. Diese Gemeinsamkeit schweißt zusammen. Es geht bei RAINBOWS um die Verarbeitung von belastenden Themen. Die Kinder sind füreinander Experten und werden von einer erwachsenen Gruppenleiterin angeregt, anhand vieler verschiedener Methoden sich all ihren Sorgen, Wünschen, Ängsten, Wutauslösern zu stellen. Manchmal können gemeinsam Bewältigungsstrategien gefunden werden und manchmal hilft es, die Situation einmal aus einer anderen Perspektive zu betrachten."
Welche Rolle spielt Ihrer Meinung nach die Gefühlswelt von Kindern in unserer heutigen Gesellschaft?
"Ich denke, sie spielt eine immer größere Rolle und ich finde, das ist auch gut so. Kinder erleben viele Situationen zum allerersten Mal. Was sie fühlen und wie sie es ausdrücken, ist ursprünglich, unverfälscht und oft heftig. An Momente des Glücks in der Kindheit denken wir bis ins hohe Erwachsenenalter gerne zurück. Und ebenso wissen wir, wie sehr negative Erfahrungen unser Leben prägen und Gefühle in unangenehmen oder schwer erträglichen Momenten für immer eingebrannt sind. Wir können unseren Kindern keine Glasglocke umstülpen, denn dann ginge wertvolle Lebenserfahrung und die Chance zu reifen verloren. Deshalb empfehlen wir einen offenen und ehrlichen Umgang mit Trauer oder Trennung. Aber zugleich sind seelische Wunden, die zum Beispiel fortgeführte elterliche Konflikte verursachen, vermeidbar. Und hier sehe ich noch immer viel Handlungsbedarf, wenn uns die Gefühlswelt unserer Kinder wichtig ist."
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