Rauchertagebuch: Der lange Kampf mit dem Drachen

Kreative Verzweiflung: Damit die Hände beschäftigt sind, bemalt Redakteur Peter Zellinger kleine Ritterfiguren. Welch Ironie.
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WAIDHOFEN. Beinahe täglich marschierte der freundliche ältere Herr mit seinem Spazierstock an mir vorbei als ich bei dem Aschenbecher meines Arbeitsplatzes stand und um exakt 7.55 meine schon dritte Zigarette rauchte. Wir unterhielten und über dieses und jenes, seine Erlebnisse im Krieg, seine Arbeit als Beamter - und wie er mehrmals aufhörte zu rauchen. Wir er seinen persönlichen "Kampf mit dem Drachen" - wie er es nennt, gewann, aber auch wieder verlor.

Nun sind Helden in glänzender Rüstung, die mit ihrem Schwert böse Jungfrauen entführende Drachen erschlagen genau mein Ding. Also dachte ich mir: Auf in den Kampf! Ich beende die Raucherkarriere! Zumindest nachdem dieses eine Packerl leer ist. Das ist abends ohnehin der Fall, schließlich brachte ich es auf zwei Packerl täglich. Die letzte Zigarette rauche ich - wie üblich - vor dem Schlafengehen.

Tag 1: Der Drache speit Feuer...

6.30 Uhr. Der Wecker klingelt. Normalerweise würde ich zum Morgenkaffee am Fenster stehen und eine durchziehen. Bleibt nurmehr der Kaffee. Noch ist es nicht schlimm. Ich beginne nachzudenken wie das Leben als Nichtraucher wohl sein wird? Kein nervöses Herumgerutsche mehr am Sessel, weil die letzte Rauchpause beim Seminar schon über eine Stunde her ist. Stiegensteigen sollte sich ohne Keuchen bewältigen lassen, das sind doch schöne Aussichten.

7.55 Uhr. Mein Raucherfreund vor dem Büro wird ohne mich auskommen müssen. Ich bleibe standhaft. Obwohl meine Hand zittert während ich den Autoschlüssel hervorkrame.

11 Uhr. Normalerweise hätte ich zu diesem Zeitpunkt schon mindestens fünf Zigaretten geraucht. Arbeiten fällt schwer, die Konzentration ist dahin und ich fühle mich im wahrsten Sinn des Wortes ferngesteuert. Ob es eine so gute Idee war das Rauchverlangen mit Unmengen an Kaffee zu unterdrücken?

14 Uhr. Das war schwer. Nach dem Mittagessen keine zu rauchen ist richtig hart. Der Drache scheint die Oberhand zu gewinnen. Ich schwitze und mein Herz rast. Wobei ich Letzteres auf die eher unglückliche Idee einer Kaffeetherapie schiebe.

16 Uhr. Ich recherchiere im Internet die besten Tipps das Rauchen aufzugeben. Viel trinken, steht da. An Karotten soll ich knabbern und mich ablenken. Blöde Idee. Wenn Georg der Drachentöter sich hätte ablenken lassen, wäre der Kampf wohl schnell vorbei gewesen. Und Karotten mag ich auch nicht.

20 Uhr. Heißhungerattacke. Ich schaufle rein was der Kühlschrank hergibt. Das Verlangen nach einer Zigarette wird dadurch zwar nicht kleiner, aber so lange Hände und Mund beschäftig sind geht es einigermaßen.

22 Uhr. Ich gehe früh schlafen. Ich bin völlig erschöpft. Der Drache hat Feuer gespien und mich schwer erwischt. Aber aufgeben gibt's nicht.

Tag 2: ... und er beißt auch noch zu

6.30 Uhr. Ich wache ohne Rauchverlangen auf. Der erste Gedanke: Du hast einen Tag geschafft, weiter so! Statt der Morgenzigarette gibt es erstmals seit einer Ewigkeit Frühstück. Normalerweise hat das Nikotin das Hungergefühl unterdrückt.

8.30 Uhr. Ich fühle mich hundselendig und bin überaus gereizt. Jede Tätigkeit die mehr als zwei Minuten Konzentration am Stück erfordert bleibt liegen. Ich gehe mit den Rauchern nach draußen um wenigstens passiv mitzuschnuppern.

11 Uhr. Zweifel kommen auf ob ich tatsächlich noch verkehrstauglich bin. Der Nikotinentzug knallt mir ein ordentliches Brett vor den Kopf. Die Konzentration ist vollends dahin.

12.30 Uhr. Ich fühle mich fiebrig, ein wenig so wie in der Frühphase einer Grippe. An diesem Kampf gegen den Drachen ist nichts glorreich. Keine glänzende Rüstung, keine Heldenposen.

16 Uhr. Sportprogramm. Fitnesstraining fühlt sich richtig gut an. Ein halbe Stunde auf dem Crosstrainer und ein paar Hanteln schwingen und ich fühle mich tatsächlich erfrischt. Kann es sein, dass ich schon jetzt besser Luft bekomme? Nach nicht einmal 48 Stunden? Ich rede es mir zumindest ein.

20 Uhr. Die abendliche Fressattacke fällt ausgesprochen üppig aus. Fernsehen ist langweilig, zum Lesen fehlt mir die Konzentration. Ich muss meine Hände beschäftigen. Ich beginne mitten in der Nacht kleine Reparaturen am Haus vorzunehmen. Ich räume freiwillig auf. War da nicht noch irgendwo am Dachboden dieses alte Modellbauzeug? Ich krame das angestaubte Schachtel hervor und beginne kleine Ritter zu bemalen. Welch Ironie.

Tag 3: Die Bestie wankt...

6.30 Uhr. Die Lust auf die Morgenzigarette wird mir durch eine überaus widerlichen Husten samt klebrigem Auswurf zunichte gemacht. "Lungenpudding" nennt das meine Lebensgefährtin. Ich freue mich schon zwei Tage geschafft zu haben.

10.30 Uhr. Heute geht es besser. Ablenkung hilft das Rauchverlangen zu unterdrücken. Ich stürze mich in Arbeit - es ist ja genug liegen geblieben die beiden letzten Tage. Ich huste weiter.

12 Uhr. Die Erfahrung der letzten beiden Tage hat mich gelehrt, dass mich das Mittagessen besonders anfällig für Rückfälle macht. Daher lasse ich es aus. Großen Hunger habe ich ohnehin nicht, weil ich mich ertappe wie ich nebenbei permanent irgendetwas in mich hineinschaufle.

15 Uhr. Das fiebrige Gefühl scheint mich immer nachmittags zu befallen, es ist aber nicht mehr so schlimm wie gestern.

17 Uhr. Die Strategie der Ablenkung geht voll auf. So lange die Hände und das Hirn (so gut es eben angesichts des Entzugs geht) beschäftigt sind, ist alles in Ordnung. Bis spät in die Nacht bemale ich kleine Ritterfiguren. Haha, touché Drache!

Tag 4. ... fällt aber (noch) nicht

9 Uhr. Vor dem Samstag hatte etwas Angst. Ausgehen gibt es heute sicher nicht, spätestens nach dem ersten Bier würde ich rückfällig werden, da bin ich mir sicher. Der Husten bleibt.

12 Uhr. Die Beschäftigungstherapie zeigt Wirkung. Ich ertappe mich dabei, wie ich ausnahmsweise einmal NICHT ans Rauchen denke. Das Verlangen nach einer Zigarette lässt nach.

15 Uhr. Ich merke wie die Konzentration wiederkehrt. Nikotin und Rauchen sind nicht mehr die alles bestimmenden Gedanken in meinem Kopf.

20 Uhr. War es das? Liegt der Drache am Boden? Habe ich triumphiert? Ich rede es mir ein. Ich sollte falsch liegen...

Nach einer Woche: Jetzt gib schon auf!

Es geht mir gut. Nach wie vor sind Standard-Situationen schwierig: Abends mit Freunden zusammensitzen und keine zu Rauchen ist hart. Draußen vor der Haustüre Pause zu machen, danebenzustehen und nicht zu rauchen fühlt sich seltsam an. Hin und wieder überkommt mich kurz das Verlangen, aber der Stolz es geschafft zu haben überwiegt. Ich überlege schon, wohin ich den Drachenkopf als Trophäe hänge.

Heute, nach 192 Tagen: So ein zäher Kampf

Blöder Drache. Irgendwie ist er immer noch da. Ich könnte mir sofort eine anzünden und ich glaube, dass ich genießen würde. Und ich habe es natürlich getan. Ich habe wieder geraucht - aber nur um es sofort wieder zu bereuen. Erst wenn man länger keinen Glimmstängel inhaliert hat, weiß man wie widerlich Tabakqualm eigentlich schmeckt. Zugenommen habe ich auch, anfangs sechs Kilo, die ich mir mühsam wieder von den Rippen strample. Aber es fühlt sich gut an, nicht mehr in der Kälte zu stehen und zitternd Marlboro und Co zu huldigen. Oder sich heimlich davonzustehlen nur um schnell das Verlangen zu befriedigen. Habe ich triumphiert? Vielleicht. Geht es mir heute als besser als als Raucher? Bestimmt.

Dieses Tagebuch erscheint anlässlich des Weltnichtrauchertages am 31. Mai. Peter Zellinger ist Redakteur der Bezirksblätter Waidhofen und hat im Oktober 2014 beschlossen - zum zweiten Mal - das Rauchen aufzugeben. Davor unternahm er mehrere fehlgeschlagene Versuche von der Sucht loszukommen. 15 Jahre lang dauerte die Raucherkarriere mit 40 Zigaretten am Tag zu Spitzenzeiten. Jetzt ist seit ziemlich genau einem halben Jahr "Qualm aus".

Kreative Verzweiflung: Damit die Hände beschäftigt sind, bemalt Redakteur Peter Zellinger kleine Ritterfiguren. Welch Ironie.
Redakteur Peter Zellinger im Selbstversuch. Gegen diesen Drachen hilft keine Rüstung.

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