Zwischenbrücken: Wie die Sektsteuer das Grätzel prägte
In den 1920ern, als das Rote Wien mit dem Bau kommunaler Wohnungen begann, schossen im Allerheiligenviertel die Gemeindebauten nur so aus dem Boden.
BRIGITTENAU. Luxuswarensteuer, Vergnügungssteuer, Dienstbotensteuer und natürlich Wohnbausteuer: Als Wien 1922 als Bundesland unabhängig wurde und selbst Steuern einführen konnte, machte der sozialdemokratische Finanzstadtrat Hugo Breitner davon ordentlich Gebrauch. Sein Ziel: Durch Besteuerung der Oberschicht der großen Mehrheit der Bevölkerung menschenwürdige Wohnungen zu finanzieren – die lebte nämlich in der stark angewachsenen, von feuchten Gründerzeithäusern dominierten Stadt alles andere als gut.
Ein perfekter Ort für die großen Bauprojekte, die dem Roten Wien vorschwebten, war Zwischenbrücken. Das Gebiet wurde durch die Donauregulierung in den 1870ern stark verändert – die Straßen wurden teilweise nach Rasterplanung parallel zur Donau neu errichtet und es gab viele leere Bauplätze. Rund um den Allerheiligenplatz entstanden so in den 1920ern gleich sechs neue Gemeindebauten von teils monumentaler Größe.
Gebaut wurde einerseits mit Rücksicht auf die Stadtkassa sparsam – andererseits aber in bewusster Abgrenzung zu den feuchten, engen und dunklen Behausungen, die damals viele Arbeiter bewohnen mussten. Luft und Licht sollte es genügend geben in den neuen Gemeindebauten – und auch auf Grünraum wurde achtgegeben. Wenn man sich den Robert-Blum-Hof, den Winarskyhof, den Otto-Haas-Hof und andere in der Umgebung ansieht, dann stechen sofort die großzügigen Innenhöfe ins Auge. Platz für Kinderspielplätze, Sonne und Sanitäranlagen in jeder Wohnung: das waren die Mindestanforderungen an den frühen kommunalen Wohnbau.
Frank und Schütte-Lihotzky
Besonders klingende Namen waren am Bau von Winarsky- und Otto-Haas-Hof beteiligt: Teile des Winarskyhofs mit insgesamt 560 Wohnungen wurden von Wiener-Werkstätten-Mitgründer Josef Hoffmann und den Modernisten Josef Frank und Oskar Strand geplant. Am Otto-Haas-Hof mit 264 Wohnungen wirkte Margarete Schütte-Lihotzky mit, die später durch die Frankfurter Küche berühmt wurde. Nur kurz vor den Höfen wurden daneben das Brigittaspital – das heutige Brigittainternat – und die Schule in der Vorgartenstraße gebaut. Ein Beispiel dafür, dass Gemeinschaftseinrichtungen im Gemeindebau von Anfang an eine große Rolle spielten. Auch einen Kindergarten, eine Bibliothek, das Winarsky-Kino sowie einige Ateliers und Werkstätten gab es.
Nur wenig später wurden entlang der Engerthstraße der Beer- und der Janecek-Hof errichtet. Hier wurde zugunsten einer dichteren Bebauung auf große Innenhöfe verzichtet. Insgesamt gibt es dafür in den beiden Komplexen fast 1.200 Wohnungen. Dem Janecek-Hof gegenüber liegt der Robert-Blum-Hof, der über einen parkartigen Innenhof verfügt.
Alle beschriebenen Höfe wurden in den Jahren 1923 bis 1926 errichtet und haben das Bild des Grätzels rund um den Allerheiligenpark nachhaltig verändert.
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