Neubau & Nachverdichtung
Nach dem Abriss ist Döblings "Agnes" zurück
Oft wurde das "Agnes"-Gebäude in der Sieveringer Straße 221 zum Schandfleck gekürt. Nach dem Abriss trotz der bestehenden Schutzzone ist es wieder zurück und bereit für den Einzug. Dabei setzte man beim Wiederaufbau auf den Döblinger Dorfbildcharakter. Heute wäre das Projekt so allerdings nicht mehr möglich.
WIEN/DÖBLING. Wenn die Döblingerinnen und Döblinger auf etwas besonders stolz sind, dann sind das zwei Dinge: ihren Wein und ihre historischen Gebäude. Kommt man ihnen zu nahe, ist die Aufregung groß – so war es auch lange der Fall in der Sieveringer Straße 221.
Zwar stand das dortige Gebäude "Zur schönen Agnes" schon lange still, hatte aber als ehemaliger Beherbergungsbetrieb so einige Jahre an Erfahrung und das merkte man – vor allem äußerlich: Zeitweise war das Gebäude ohne Dach. Zahlreiche Anrainerinnen und Anrainer empfanden die Ruine als Schandfleck im Grätzl.
Davon ist man aber nun weit entfernt: "Zur schönen Agnes" erscheint im neuen Glanz. Anfang 2022 wurde die historische Fassade trotz Schutzzone, die für eine Erhaltung des charakterlichen Stadtbildes sorgt, abgerissen. Möglich war das aufgrund der Einsturzgefahr.
Beliebtes Fotomodell
"Sievering ist in diesem Fall besonders sensibel. Bei diesem Projekt hat das aber sehr gut funktioniert", sagt Bezirksvorsteher Daniel Resch (ÖVP). Kritik sei bis jetzt nach der Fertigstellung noch nicht gekommen, obwohl die Bauarbeiten von den Anrainerinnen und Anrainern wie haarscharf verfolgt wurden.
"Das war wahrscheinlich die am besten dokumentierte Baustelle. Ich habe noch nie so viel Fotomaterial dazu erhalten", sagt Resch. Es sei nicht jedes Gebäude zu erhalten: "Viele davon sind schlichtweg nicht mehr zeitgemäß, andere, so wie dieses Projekt, gar nicht mehr bewohn- und sanierbar. Wenn dann kein Weg am Neubau vorbeiführt, gehen die Wogen immer sehr hoch", sagt Resch.
Döblinger Ortsbild erhalten
Die "Agnes" wurde zunächst komplette rekonstruiert und danach abgerissen. Dem Bauherrn Hans Jörg Ulreich und dem Architektenbüro HMA Architektur ZT GmbH war es aber vor allem wichtig, das Erscheinungsbild mit Dorfbildcharakter zu erhalten. So ähnelt das Gebäude äußerlich immer noch der alten "Agnes". Sie stellen aber auch klar, dass das Projekt heute aufgrund der neuen Bauordnungsnovelle nicht mehr so umgesetzt werden hätte können.
So sei die Glaskuppel in den Wohnungen nicht mehr erlaubt. Das kritisiert Ulreich: "Jetzt steht das Stadtbild über allem, aber nicht jedes Gebäude ist dafür prägend, manche sind einfach alt. An manchen Orten ist ein Neubau die bessere Lösung." In Sievering habe man sich für eine Rekonstruktion entschieden, um sich an das Ortsbild nahezu perfekt anzupassen.
"Verdichtung nicht immer negativ"
2.000 Quadratmeter neue Wohnfläche wurden für Sievering dazu gebaut, keine der Miet- und Eigentumswohnungen ist gleich und sind unter anderem mit Photovoltaikanlagen, umfassenden Begrünungssystem und Tiefgarage ausgestattet. "Die Vorbesitzer hatten kein Geld, um laufende Sanierungsarbeiten durchzuführen und selbst wenn – ökologischer für die Stadt wäre es dadurch nicht geworden", sagt Ulreich. Für Ulreich brauche es neben einem Ausstieg aus Öl und Gas auch Nachverdichtung mit Zugewinn an Wohnfläche.
Verdichtung muss nicht immer negativ behaftet sein, sondern kann auch zu Verbesserungen führen, ist Sophie Ronaghi Bolldorf, Kammer- und Sektionsvorstand der Kammer der ZiviltechnikerInnen überzeugt: "Es kann zu Zugewinn an Fläche führen, wodurch ein Gebiet mit Leben gefüllt wird. Das führt zu einem Qualitätsgewinn." Je mehr Menschen in einem Gebiet wohnen, desto eher könne man sich die Kosten aufteilen. Das beginne bereits bei der Errichtung eines barrierefreien Lifts. So wünsche sie sich mehr Bewusstsein für Nachverdichtung, Barrierefreiheit, alternative Energien und Grün-Freiflächen.
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