Döblinger Schüler trotzen der Flüchtlingskrise

- hochgeladen von Christoph Gerhardt
Umfragen sind Momentaufnahmen und in dieser Hinsicht fügt sich die Umfrage über die Flüchtlingskrise, die unter Döblinger Oberstufenschüler und Schülerinnen im November und Dezember 2015 durchgeführt worden ist, in dieses Bild. Es ist ein Stimmungsbild aus der Vor-Köln-Zeit, also bevor es zu mutmaßlichen Massenübergriffen durch nordafrikanische Asylwerber zu Silvester gekommen ist. Die Oberdöblinger katholische Mittelschulverbindung Austro-Danubia beauftragte kein Meinungsforschungsinstitut sondern ließ Döblinger Schüler die Umfrage durchführen, ausgearbeitet und begleitet von zwei Journalisten.
Humanitäre Pflicht trotz hoher Zuwanderung
Von den 238 befragten Schülerinnen und Schülern meint fast die Hälfte, dass Österreich die Krise zwar nicht alleine bewältigen kann, aber die Stadt Wien die humanitäre Pflicht hat, zu helfen. Über 70% sind dieser Ansicht, nur 17% wollen das nicht. Zwei von Drei Jugendlichen sind gar der Auffassung, einen weiteren Zuzug darf die Stadt nicht verhindern, weil eine internationale Großstadt wie Wien stark von anderen Kulturkreisen lebt. Etwas relativiert wird dieser hohe Prozentsatz bei der Frage, ob in Wien schon zu viele Migranten leben. Hier meint kanpp ein Viertel, dass dies bereits der Fall ist.
Offene Grenzen als Merkmal Europas
Die Befragten sind alle nach 1994 geboren und somit mit dem Schengen-Grenzschutzabkommen aufgewachsen, dem Österreich 1995 beigetreten ist. Das Europa der offenen Grenzen ist also für die Schüler völlig normal, weshalb fast 70% für ein Beibehalten des Schengen Raumes sind und sich damit klar gegen Grenzen und Grenzkontrollen aussprechen. Fast 85% der zukünftigen Bildungselite sieht ein offenes Europa als Chance: Sowohl was ein Auslandsstudium oder die Arbeit in einem anderen EU Land betrifft. Von Abschottung halten fast 70% der Befragten nichts: Sie sehen es als wichtig an, andere europäische Kulturen zu erleben. Das Schengen-Abkommen sieht allerdings Ausnahmen und daher temporäre Grenzkontrollen wie etwa zur Fussball EM 2008 oder während des Weltwirtschaftsforums 2011 vor. Jeder Dritte ist der Meinung, die EU Länder sollen ihre Grenzen nach Belieben schließen dürfen, nur jeder Zweite findet das nicht und gar jeder Vierte findet keine Antwort auf diese Frage. Was offene Grenzen betrifft, sorgt angesichts der großen Anzahl an Flüchtenden für Verunsicherung.
Wohlstandsängste und Toleranz
Bei der Frage nach den Kosten zur Bewältigung des Flüchtlingsandrangs gehen die Jugendlichen einen anderen Weg als ihre Eltern oder Großeltern. Diese sehen die Zukunft ihrer Sprösslinge in aktuellen Umfragen eher düster, sowohl was den Arbeitsmarkt als auch die Chancen auf ein erfolgreiches Leben betrifft. Die Jugendlichen sind da entspannter: Zwei von Drei finden, Österreich kann sich auch eine hohe Zahl an Flüchtlingen locker leisten, nur jeder Fünfte glaubt das nicht. Ähnlich auch die Antworten auf die Frage nach dem Arbeitsmarkt. Hier halten 61% die Flüchtlinge nicht für Konkurrenten. Das entspricht den Einschätzungen vom AMS, das in erster Linie einen Verdrängungseffekt bei bildungsfernen und schlecht ausgebildeten Arbeitskräften erwartet. Immerhin 25% teilen die Sorge, doch unter die Räder zu kommen. Ähnlich hoch auch die Angst vor der immer wieder kolportierten kulturellen Veränderung durch Menschen aus dem arabischen Raum. Dennoch sieht eine große Mehrheit die eigene Kultur nicht gefährdet und gar 9 von 10 Teenager finden, dass Österreich bei der Religion der Flüchtlinge tolerant bleiben muss und Moslems daher auf jeden Fall aufgenommen werden müssen. Nur 5% sind er Ansicht, dass nur Christen in Österreich Asyl bekommen sollen.
Europäische Solidarität und österreichische Lösungen
Befragt nach Lösungsansätzen antworten die Jugendlichen europäisch: 78% meinen, nur die Union könne eine Antwort auf Krise finden, 11% glauben, Österreich kann das auch alleine. Ähnlich die Einstellung zu der von der EU Kommission vorgeschlagenen Verteilung der etwa 1,4 Millionen Flüchtlinge auf den gesamten Kontinent: 86% wollen eine faire Aufteilung auf alle EU-Länder. Gleichzeitig will aber jeder vierte Schüler nicht alles Brüssel überlassen. Die Länder sollen selbst entscheiden, ob sie Flüchtlinge aufnehmen oder nicht. 60% sehen das allerdings nicht so. Ein mieses Zeugnis erhalten die politischen Profis. Befragt, welche österreichische Partei die richtigen Antworten und Lösungen auf die Krise hat, schneiden nämlich alle Parlamtensparteien schlecht ab: 43% sind der Ansicht, dass keine einzige Partei glänzt. Jeder 5. hält aber die SPÖ noch am Ehesten für geeignet, die NEOS kommen mit 9% noch vor der ÖVP auf Platz 2 und nur 6% können den freiheitlichen Vorschlägen etwas abgewinnen.
Nach Abschluss der Umfrage hat sich die Situation in Europa und in Österreich stark verändert. Die massenhaften Übergriffe in Köln, der Grenzzaun in Spielfeld und die gefühlte Angst der Österreicher haben zu einem Ende der sogenannten Willkommenskultur geführt. Der Verteidigungsminister spricht von einem möglichen Bundesheereinsatz an der grünen Ost- und Südgrenze, wohin die Jugendlichen, die vor wenigen Wochen noch gegen Grenzkontrollen waren, bereits nach ihrer Matura geschickt werden könnten. Die Döblinger Jugend blickt optimistisch in die Zukunft. So lässt sich das Stimmungsbild im Winter 2015 zusammenfassen. Es bleibt aber nur eine Momentaufnahme.
Die Austro-Danubia ist eine katholische Mittelschulverbindung in Oberdöbling. Der seit 1928 bestehende Verein mit seinen rund 90 Mitgliedern tritt für politische, religiöse und persönliche Werte ein. Jeden Donnerstag finden Veranstaltungen zu aktuellen gesellschaftlichen oder politischen Themen statt. Gäste waren vor kurzem unter anderem Minister Sebastian Kurz, NEOS-Chef Matthias Strolz und Heinz Patzelt von Amnesty International Österreich.
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