Die Geister der Villa Wertheimstein
In der Villa Wertheimstein fand einst einer der wichtigsten Salons der Stadt statt. Im Lauf der Jahrzehnte löste jedoch die Schwermut den Glanz ab.
DÖBLING. Die schweren Doppelflügeltüren zum Salon der Familie Wertheimstein werden vom Leiter des Döblinger Bezirksmuseums geöffnet, der riesige Kronleuchter erhellt den düsteren Raum und mit dem Licht wird auch ein Lächeln im Gesicht des Wiener Historikers Georg Hamann angeknipst. "Hier hat Josefine Wertheimstein ihren Salon geführt und Gäste wie Theophil Hansen und Hans Makart empfangen."
Respektvoll durchschreitet Hamann den Raum im ersten Stock des Museums in der Döblinger Hauptstraße 96 und bleibt vor einer Zeichnung am Ende des Raumes stehen. "Hier sieht man drei Generationen Gomperz-Wertheimstein-Damen. Die Großmutter, die depressive Josefine Wertheimstein und ihre ebenfalls schwermütige Tochter Franziska." Ob es an den zugezogenen Vorhängen oder den Schicksalsschlägen, die in diesen Räumlichkeiten stattgefunden haben, liegt - tatsächlich ist die Atmosphäre in den drei Zimmern, die sich abgetrennt vom Bezirksmuseum hinter dem Zahnradbahnraum befinden, wenig einladend.
Trauer um verstorbene Kinder
"Es ist esoterisch zu sagen, hier sind die Geister der unglücklichen Wertheimsteins und auch der Erbauer der Villa, die Familie Arthaber, die das Haus von 1834 bis 1835 errichtete und ebenfalls schwere Schicksalsschläge hinnehmen musste, gefangen. Aber man kann nüchtern feststellen, dass eine gewisse morbide Stimmung rund um das Haus herrscht", so Hamann, der die Geschichte der Villa Wertheimstein in seinem Buch "50 x Wien wo es Geschichte schrieb" erzählt. Und vom Schicksal wurde die damals wichtigste großbürgerliche, jüdische Familie der Stadt in der Tat heimgesucht: Die ohnedies melancholische Josefine trieb der Tod ihres geliebten Sohnes Carl, der im Alter von 19 Jahren unerwartet starb,beinahe in den Wahnsinn. "Um seiner Frau, die wochenlang ihr Zimmer nicht mehr verließ und nichts mehr aß, eine erholsame grüne Umgebung zu bieten, erwarb Leopold Wertheimstein die Villa vom Textilfabrikanten Rudolf Arthaber, der zwei von drei Kindern an die Tuberkulose verlor.
Zwar wurde die Villa der glanzvolle Mittelpunkt des Bildungsbürgertums, in dem Josefine laut Felicie Ewart, einer Freundin des Hauses, wie eine Königin in ihrem selbsterschaffenen Reich herumging, doch der Tod ihrer Mutter, ihres Gatten und ihrer Schwester ließen in Josefine wieder die alte Schwermut heraufsteigen. "Psychologisch nicht uninteressant ist auch die Tochter Franziska. Sie war sehr umschwärmt, hat es aber nie geschafft, sich aus dem Dunstkreis der Mutter zu lösen", erzählt Hamann während er eine Büste des Hausherren Leopold betrachtet. "Als die Mutter 1894 starb, wurde die unverheiratete Franziska täglich von ihrem alten Freund, dem Dichter Ferdinand von Saar besucht, dessen Frau Selbstmord begangen hat. Die beiden saßen in ihrer Schwermut im Haus düsterer Erinnerungen zusammen."
Der Journalist Rudolf Holzer besuchte das Haus im Wertheimsteinpark 1905 und beschrieb es als ein "Haus grauer erinnerungen, toter Gespenster, finsterer Dämonen." Saar brachte sich 1906 nach einer Krebsdiagnose um, Franziska starb kurz darauf im Jänner 1907. Ihr morbides Geisterhaus samt Park hinterließ sie der Stadt Wien. Der Salon kann heute noch besichtigt werden, in den restlichen Räumen befindet sich das Bezirksmuseum: Wo einst Prominente wie Johannes Brahms im Gästezimmer ihr Haupt betteten, befinden sich nun Haifischzähne und Seekuhknochen in Vitrinen - sie bevölkerten Döbling lange vor der Familie Wertheimstein.
Zur Sache
Das Buch "50 x Wien wo es Geschichte schrieb" von Georg Hamann ist im Amalthea-Verlag erschienen. Es ist gebunden, enthält 272 Seiten mit zahlreichen historischen Abbildungen und kostet 25 Euro.
ISBN-13: 978-3990500484
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