ÖBB: Mädchen erobern die technischen Berufe.
Sie kommen aus allen Bezirken Wiens zu ihren ÖBB-Lehrwerkstätten, manche sogar aus Mistelbach oder Melk. Da heißt es früh aufstehen, denn Arbeitsbeginn ist pünktlich um 7 Uhr.
Kein Problem für die 345 weiblichen Lehrlinge der ÖBB in Österreich, von denen die Hälfte bereits in "tylpischen Männnerberufen" den Lehrabschluss anstrebt. In Floridsdorf werden sie in drei technischen Berufen ausgebildet, in Maschienbautechnik, Anlagen- und Betriebstechnik und Elektronik.
Im zweiten Bezirk wird neben der Anlagen- und Betriebstechnik zusätzlich Mechatronik angeboten. Dieser ursprünglich als Feinmechaniker bezeichnete Lehrberuf wird in Zeiten der Computersteuerung und -programmierung immer wichtiger. Erstaunlicher Weise wollen viele der Mädchen nach Abschluss der Lehre Lokführerinnen werden, wofür die Ausbildung in einem der technischen Berufe eine gute Grundlage bilde, so Ausbilder Alois Grill, da schon im dritten Lehrjahr die Basis der Verkehrsnetztechnik und Theorie unterrichtet werde.
"Das ist mein Traumberuf", erklärt auch die 19jährige Julia Scherzer, eine begeisterte Motorradfahrerin aus Melk. "Mit typischen Mädchenberufen hatte ich noch nie was am Hut."
Behutsamer Anfang und Disziplin
Die Ausbildung der Mädchen in den ÖBB Lehrwerkstätten erfolgt mitten unter den männlichen Kollegen. Ausnahmen gibt es keine. Auch nicht, was die Fertigung des ersten Lehrstückes an der Werkbank angeht. Am wichtigsten sei aber - übrigens bei Burschen und Mädchen - der behutsame Beginn, das Hineinführen ins Arbeitsleben, erklärt Ausbildnerin Karoline Haidinger.
Neben den Ausbildern stehen den jungen Arbeitskräften auch noch je zwei BetreuerInnen mit Rat und Tat zur Seite, die für die soziale Seite der Berufsausbildung verantwortlich sind. "Die jungen Menschen müssen Regelmäßigkeit und Verantwortung erst lernen. Das heißt, sich in die Gemeinschaft einfügen, pünktlich sein. Zur Abwechslung gibt es natürlich auch Sport in unserem Turnsaal oder außerhalb."
Und für alle, die von weither nach Wien kommen, heuer sind das drei neue Kärntner und zwei Steirer, das Lehrlingswohnheim der ÖBB in Meidling, das, so Grill "schon eher einem tollen Hotel ähnelt". Dreieinhalb Jahre dauert die Ausbildung in den technischen Berufen, danach, mit der abgeschlossenen Lehre zum Facharbeiter, früher Geselle, stünden alle Möglichkeiten offen. "Unsere Lehrlinge bleiben gerne bei der ÖBB, sie sind aber auch in der Industrie gefragt."
Zuerst schnuppern, dann bleiben
Für alle - nicht nur die Mädchen - bietet die ÖBB Schnuppertage, wo die künftigen Lehrlinge erst einmal "ihren Beruf" für sich entdecken können, die meisten sind aber schon davor entschlossen. Warum boomen bei den Mädchen gerade diese Lehrberufe?
Die Gründe sind so verschieden wie die Mädchen, von "Ich wollte immer schon mein Hobby zum Beruf machen" bei den begabten Handwerkerninnen bis zu "Ich glaube, wir haben größere Chancen hier als in den typischen Mädchenberufen".
Auch Fortbildung hat bei der ÖBB Vorrang: "Wer die Matura nachmachen will - bei uns geht beides - Lehre und Matura", so Alois Grill. Jährlich werden von der ÖBB österreichweichweit rund 500 Lehrlinge neu aufgenommen und in 22 Lehrberufen ausgebildet, 18,5 Prozent davon Mädchen.
Die technischen Berufe machen bei den Mädchen schon mehr als die Hälfte aus. Alleine in Floridsdorf kamen mit Beginn dieses Lehrjahres 14 neue Mädchen dazu, um in den ehemaligen Männerdomänen erfolgreich ihre "Frau" zu stehen.
Du möchtest selbst beitragen?
Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.
Kommentare
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.