Ausverkauf im Namen Gottes

JEDENSPEIGEN. JEDENSPEIGEN. "Die Kirche kauft im Weinviertel zu überteuerten Preisen landwirtschaftlichen Grund und ruiniert damit den Markt - das ist Ausverkauf von Grund und Boden", lautet der Vorwurf eines Agrarökonomen aus dem Bezirk.
Das Erzbistum Wien, das bereits einige Hektar in Jedenspeigen erworben hat, überbietet die örtlichen Landwirte und zahlt 3 Euro pro Quadratmeter, was aus einem Kaufvertrag, unterschrieben von Kardinal Schönborn, hervorgeht. "Der Marktwert liegt in Jedenspeigen bei 1,70 Euro, das ist jetzt schon fern jeder wirtschaftlichen Realität, ökonomisch korrekt wären 20 bis 30 Cent", wettert oben genannter Agrarökonom.
Mittlerweile besitzt die Kirche rund 2000 Hektar Land im Bezirk und hat in den vergangenen fünf Jahren immer wieder Landkäufe getätigt. Die Konsequenz: Der Verkehrswert von Grund und Boden wird künstlich hinaufgetrieben. Was wiederum bedeutet, dass bei Grunderwerb die Steuern und Gebühren steigen.
Ab 1. Jänner 2013 wird die Grundbucheintragung bei Erbschaften und Schenkungen nach dem Verkehrswert berechnet. "Wird der Hektarpreis, den die Kirche zahlt, als Verkehrswert herangezogen, bedeutet dies eine 30-fache Steigerung der Gebühren", erklärt ein Sachverständiger aus dem Bezirk. Für das Erzbistum Wien, eine steuerbegünstigte Stiftung, wird diese Gebührenerhöhung nicht schlagend.
Der Agrarökonom hat deswegen Einspruch nach dem Grundverkehrsgesetz gegen einen Kauf des Erzbistums Wien erhoben. Denn laut diesem braucht es eine behördliche Genehmigung, will ein Nicht-Landwirt Agrarflächen erwerben. Mit diesem Gesetz soll Spekulanten Einhalt geboten werden. Die Klage liegt seit einiger Zeit beim Land NÖ.
"Die Kirche investiert gern in Grund und Boden, für sie die ideale Geldanlage. Aber wenn Spekulanten in anderen Ländern zu überteuerten Preisen kaufen und die Bauern nicht zum Zug kommen, nennt man das ,Landgrabbing' - Landraub", ärgert sich ein Agrar-Insider.
Landgrabbing in Afrika wird übrigens offiziell von der katholischen Kirche scharf verurteilt.

Zur Sache
Im Bezirk Gänserndorf, der Kornkammer Österreichs, gehört ein Drittel des Agrarlandes Nicht-Landwirten. Ein paar Beispiele: Bundesforste (Nationalpark Donau-Auen) 9300 Hektar, Landwirtschaftsministerium 1400 ha, Erzbistum Wien 1100 ha, Stift Schotten 500 ha, Gemeinde Wien 1000 ha. Jeweils über 100 ha besitzen die Bundesimmobiliengesellschaft (bei Groß-Enzersdorf), Stift Klosterneuburg (Matzen), Stift Melk (Weikendorf) und der WWF.
Ulrike Potmesil