Familie Abuteir: Gestrandet in Zagreb
GROSS-ENZERSDORF/ZAGREB. Groß-Enzersdorfs Flüchtlingshelfer sind schockiert.
Familie Abuteir aus Palästina wurde Montag Morgen nach Kroatien abgeschoben. Nach zehn Monaten Integrationsarbeit, Deutsch-Kursen, Aufbau von Freundschaften wurden die beiden jungen Menschen mit ihren Baby aus der neuen Heimat herausgerissen und nach Zagreb gebracht.
In Kroatien hatten sie ihre Daten, wie von ihnen verlangt, abgegeben. Nach Dublin III müssen sie jetzt in Kroatien den Asylantrag stellen.
Zur Vorgeschichte
In Zagreb
Gabriele Mühlbauer setzte sich kurzerhand ins Auto um Familie Abuteir in Zagreb zu unterstützen. "Die Familie wartete schon auf uns, wir erschraken, als wir sahen in welchem Zustand sie waren. Sie waren buchstäblich am Ende ihrer Kräfte."
Im Hotel Porin, einem Asylheim, bezogen sie ein Zimmer, dass in einem schrecklichen Zustand ist. Die medizinische Versorgung nur rudimentär verfügbar. "Hanadi war bei unserer Abreise knapp vor einem Zusammenbruch, wie sie ihn schon in Österreich hatte und nur in Sorge um ihr Kind ist es ihr derzeit möglich eine gewisse Haltung zu bewahren. Es ist allerdings nur eine Frage der Zeit bis es wieder kippt. Wir haben die ganze Heimfahrt geweint", erzählt Gabriele Mühlbauer.
Gemeinderat lehnt Protest ab
Der Groß-Enzersdorfer Gemeinderat lehnte einen Antrag der Grünen ab eine Protestnote an die zuständige Behörde schicken, um gegen die Abschiebungen laut Dublin III von gut integrierten Flüchtlingen aus der Gemeinde zu auszusprechen. Die geheime Abstimmung endete 17:12.
Hier der gesamte Bericht von Gabriele Mühlbauer:
"Das Hotel der verlorenen Seelen"
"Nur 5 Auto-Stunden und doch Welten, liegen zwischen Groß Enzersdorf, der eigentlichen neuen Heimat von Familie Abuteir aus Palästina, eine 3 köpfige Familie, die wir, unterstützt durch eine großartige Gemeinschaft , seit einem Jahr betreuen und dem Hotel Porin in Zagreb, wohin man sie brachte.
Nach einer unglaublichen Tortur, die sie bei der Deportierung, im Anhaltezentrum und bei der Überstellung nach Kroatien erleben mussten, landeten sie Buchstäblich in der Hölle. Walid, Hanadi und ihr Baby Khaleed, sind für uns in diesem Jahr Familie geworden, also setzten wir uns ins Auto und folgten Ihnen nach.
Die Familie wartete schon auf uns, wir erschraken, als wir sahen in welchem Zustand sie waren. Sie waren buchstäblich am Ende ihrer Kräfte. Als wir in die Hotelhalle kamen – weiter durften wir nicht und die Flüchtlinge erfuhren, dass wir Österreicher sind, kamen sie alle auf uns zu. Sie begrüßten uns auf Deutsch und nein, sie kamen nicht mehr aus Syrien, Afghanistan, Irak oder dem Iran.
Sie kamen aus dem Burgenland, aus Niederösterreich, aus Wien. Alle teilen sich gemeinsame Schicksäle. Zwischen 8 und 10 Monaten in Österreich, liebevoll von Gemeinden, Privatmenschen oder Organisationen betreut. Der Deutschen Sprache mächtig, integriert, selbstständig und wertvolle Mitglieder der Gesellschaft. Familien mit Kindern, schwangere Frauen, Menschen mit gesundheitlichen Problemen.
Alle von der Polizei gewaltsam aus ihrer neuen Heimat gerissen, wo ihr einziges Verbrechen daran lag, durch Kroatien eingereist zu sein. Alle in derselben Verzweiflung. Immer wieder wurden wir gefragt – warum? Was haben wir getan?
Wir verbrachten mit ihnen gemeinsam den Nachmittag und den Abend in der Halle. Sie berichten von den schrecklichen Zuständen der Zimmer, vom ungenießbaren und nicht ausreichenden Essen. Es gibt nicht wirklich eine ärztliche Versorgung und kaum Geld um sich über Wasser zu halten. Auch Diebstahl und Kriminalität stehen an der Tagesordnung, in diesem Heim, wo es so wenig gibt für zu viele Menschen. Beim Abschied wurden wir von allen innig umarmt.
Wir waren für wenige Momente, eine große „österreichische“ Familie. Hanadi war bei unserer Abreise knapp vor einem Zusammenbruch, wie sie ihn schon in Österreich hatte und nur in Sorge um ihr Kind ist es ihr derzeit möglich eine gewisse Haltung zu bewahren. Es ist allerdings nur eine Frage der Zeit bis es wieder kippt.
Wir haben die ganze Heimfahrt geweint. Seit unserer Rückkehr nach Österreich erhalten wir immer wieder Anrufe, bei welchen die Menschen dort unten verzweifelt um Hilfe bitten und wir verzweifeln an unserer Hilflosigkeit nicht helfen zu können, denen die wir zurück lassen mussten, so ohne Hoffnung auf eine gesicherte Zukunf und Angst vor Kettenabschiebung nach Nirgendwo. Und wir denken an ihre letzten Worte: Bitte holt uns wieder nach Hause!
Hier in Österreich werden wir oft erstaunt gefragt: Eure Familie, doch nicht die?
Aber der Staat macht keinen Unterschied, er sieht nicht die Menschen dahinter, er sieht nur das Gesetz und er hört nur die, die besonders laut schreien. Aber vielleicht hätten wir freiwilligen Helfer, die mit den Flüchtlingen leben, die sie betreuen, die sie ins Herz geschlossen haben und die sie wirklich kennen, etwas lauter schreien sollen. Und mit diesem Artikel möchten wir das jetzt tun.
Kroatien ist ein wunderbares Urlaubsland, wir lieben es alle sehr. Aber es hat auch eine andere Seite, eine voll Kummer und Leid. Hier in Österreich waren sie glücklich, „die Menschen hier sind gut“ sagen sie, „sie sind wirkliche Freunde und Familie geworden“ – denken wir doch um und holen wir sie wieder nach Hause, die verlorenen Seelen.
Im Namen aller freiwilligen Helfer, die oft ihr Letztes geben Gabriela Mühlbauer."
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