Radlobby Hernals
"Wir haben kein Verständnis für Stillstand"
Kaum jemand weiß besser über das Radfahren in Hernals bescheid als die Vertreter der Radlobby. Für die BezirksZeitung Grund genug um mit Matthias Pintner über Gefahrenstellen, Baustellen und mögliche Verbesserungen zu sprechen.
WIEN/HERNALS. Matthias Pintner ist Sprecher der Radlobby Hernals. Für ihn ist das Fahrrad ein "krisentaugliches Verkehrsmittel". Im Interview analysiert er die Radsituation in Hernals ganz genau.
Wie oft sind Sie mit dem Rad in Hernals unterwegs?
MATTHIAS PINTNER: Ich wähle die Verkehrsmittel so, dass sie zum Wegzweck passen. Aktuell viel zu Fuß, mehrmals wöchentlich mit dem Rad, 1-2 mal in der Woche mit dem öffentlichen Verkehr. Für mit Öffis unerreichbare Ziele außerhalb der Stadt muss ich gelegentlich auch ein Auto nutzen.
Wie sicher sind die Hernalser Straßen und Gassen für Radfahrer?
Der Straßenverkehr in Wien ist vergleichsweise sicher. Aus Fußgänger- und Autofahrer-Sicht wird dies aber oft anders wahrgenommen, weil man die Aggression im Kfz-Verkehr aus erster Hand miterlebt. Hernals zeigt aufgrund seiner dichten Bebauung, der räumlichen Nähe und der linearen Struktur eine hohe Affinität zum Gehen und Radfahren. Darauf gilt es aufzubauen.
Wie gefährlich würden Sie Radfahren in Hernals auf einer Skala von 1 (sehr sicher) bis 10 (sehr gefährlich) einstufen?
Verglichen mit den anderen Verkehrsmitteln im Bezirk würde ich eine überdurchschnittliche 4 vergeben. Verglichen mit anderen Bezirken wohl eine unterdurchschnittliche 6 und wenn man weiß, was möglich ist. Verglichen mit den Niederlanden wohl eine 8. Dort ist man auch mit allen Verkehrsmitteln sicherer unterwegs.
Hernalser Gefahrenstellen
Wo liegen die größten Gefahrenstellen?
In Hernals gibt es vor allem zwei Typen von Problemstellen: Da sind die Hauptverkehrsstraßen und Schienenstraßen ohne sichere getrennte Radwege und Wohnviertel abseits von Hauptstraßen wo dennoch gebietsfremder Autoverkehr durchbraust. Dazu gibt es noch Gefahren aufgrund fehlender schützender Kreuzungen nach Niederländischem Vorbild.
Wie könnte man aus ihrer Sicht die Gefahrenstellen schnell beseitigen? Was wären die einfachsten Mittel um etwas zu verbessern?
Wir schlagen für den jeweiligen Typ von Problemstelle eine entsprechende Maßnahme vor: Getrennte Radwege und geschützte Radstreifen an den Hauptstraßen, wenn diese Hauptradrouten sind. Das einfachste Mittel dafür ist die Umwidmung von Abstellraum in Verkehrsraum. Einfach zu verordnende Halte- und Parkverbote schaffen sofort mehr Raum für den Fließverkehr. Die Menschen auf diesen Radspuren sollten durch Trennelemente und Schutzstreifen vor den Gefahren des motorisierten Verkehrs geschützt werden. Diese Straßen sind Hauptradrouten, wo dieser Platz fürs Rad aus unserer Sicht prioritär notwendig ist: Jörgerstraße, Alszeile, Richthausenstraße, Wattgasse und Hernalser Hauptstraße (Anm.: von der Vorortelinie bis zum Gürtel).
Gibt es noch mehr?
Ja. Zwischen den Kfz-Hauptstraßen sollten in Hernals vermehrt SuperGrätzl angelegt werden. Sie schaffen sofort Begrünung und Aufenthaltsqualität. Am besten gelingt die Umsetzung einer besseren Verkehrsorganisation durch Interventionen mit einfachsten Mitteln. Mit Pflanzenkübeln, neuen Sitzbänken, Pollern, Straßenmarkierungen und Pflanzenringen wird der Straßenraum neu verteilt. Verkehrsfilter sorgen dafür, dass der gebietsfremde Auto-Durchfahrtsverkehr auf den dafür vorgesehenen Kfz-Hauptstraßen stattfindet. In Hernals gibt es bereits drei wissenschaftlich ausgearbeitete bzw. von der Bezirksvertretung beschlossene SuperBlock-Viertel. Wir unterstützen hier die Bestrebungen des Bezirkes bei der Umsetzung von neuen SuperGrätzln, leider wird dieser bisher von der Stadt Wien laufend vertröstet. Hier gilt es, endlich Schritte in Richtung Umsetzung zu machen.
Zuletzt wurden zusätzliche Kreuzungen mit dem „Grünpfeil für Radfahrer“ ausgestattet. Was bringt die Maßnahme?
Wir begrüßen die Rad-Grünpfeile wo diese technisch möglich sind. Wir sehen sie als einfache und rasch umsetzbare Möglichkeit, nicht-notwendige Wartezeiten an roten Ampeln zu reduzieren. Hernals hat 21 Ampelkreuzungen, somit ein Vielfaches an möglichen Abbiegerelationen. Wir halten jetzt bei 9 Grünpfeilen. Ich denke, mindestens 20 Grünpfeile könnten gemäß der definierten Richtlinien möglich sein. Der Bezirk sollte anstreben dies umzusetzen.
Wo wären die drei wichtigsten Stellen wo sofort Grünpfeile sinnvoll wären?
Prioritär sollten Grünpfeile an den Kreuzungen Jörgerstraße/Kalvarienberggasse, an der Kreuzung Richthausenstraße/Wattgasse sowie an der Kreuzung Hernalser Hauptstraße/Heigerleinstraße eingeführt werden. Alle drei Kreuzungen verbinden Hauptradrouten miteinander.
"Erwarten schnellere Umsetzung"
Die Radlobby Hernals macht immer wieder Vorschläge für Verbesserungen. Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit dem Bezirk?
Die Radlobby Hernals wurde 2015 gegründet und tritt in gewissen Abständen mit Vorschlägen an den Bezirk heran. Wir erleben den Austausch als sehr konstruktiv, wenngleich wir uns deutlich schnellere Umsetzungen erwarten als dies bisher geschieht. Die größte Aufgabe sind sicherlich die durchgängigen Hauptradrouten, die so attraktiv sein sollen, dass sie alle - vom Schulkind bis Seniorin - zum Radfahren einladen. Beim Thema Radbügel heißt es dranbleiben. Hier wird sich Hernals vom 13. Platz im Jahr 2015 auf den 7. Platz im Jahr 2025 vorgearbeitet haben. Bei den Einbahnöffnungen sieht es weniger gut aus. In Hernals sind aktuell nur ca. 43 Prozent aller Einbahnkilometer geöffnet, während es in Vorreiterbezirken wie der Leopoldstadt oder Währing bereits 70 bzw. 85 Prozent sind.
In der Alszeile wurde der temporäre Radweg eine permanente Radspur umgewandelt? Ein baulich getrennter Radweg wird laut Bezirksvorsteher noch einige Zeit dauern. Habe Sie Verständnis für die Verzögerungen?
Wir haben kein Verständnis dafür, dass diese Route so lange nicht umgesetzt war. Seit 1982 ist die Alszeile als Hauptradroute (damals: "kurz- und mittelfristige Maßnahme") ausgewiesen. 40 Jahre lang hätten hier kindertaugliche Radwege schon zum Radfahren einladen können. Für die konkreten zeitlichen Abläufe in der Herstellung von beschlossenen Radwegen im Rahmen aktueller Baustellen haben wir großes Verständnis. Dabei gilt es die Planungen abzuschließen, die Gewerke abzustimmen, und Baustellen zu koordinieren - keine leichte Sache! Mit dem getrennten Radweg stadtauswärts, von der Vollbadgasse bis Dornbacher Straße, ist jedoch der Route stadteinwärts noch nicht geholfen. Hier sind Bezirk und Stadt gut beraten, sich jetzt schon Gedanken zu machen wie die Umsetzung der Hauptradroute stadteinwärts aussehen könnte.
Wo in Hernals sollten sofort baulich getrennte Radwege hinkommen?
Radwege sind dort sinnvoll, wo Hauptradrouten auf Straßen verlaufen, die stark durch Kfz belastet sind. Dazu zählen: Jörgerstraße, Alszeile, Richthausenstraße, Wattgasse und Hernalser Hauptstraße (Anm.: von der Vorortelinie bis zum Gürtel).
Weniger Auto, mehr Rad
Rad-Gegner verlangen oft Nummernschilder für Räder und auch einen Radführerschein. Auch wird oft eine Versicherung im möglichen Schadensfall gefordert. Was halten Sie davon?
Das betrifft die Bundesebene. Hier zitiere ich Roland Romano, Sprecher Radlobby Österreich: "Wir können beiden Ideen von Rad-Gegnern wenig abgewinnen. Das Fahrrad ist ein krisentaugliches Verkehrsmittel und bietet den niederschwelligen Zugang zu nachhaltiger und leistbarer Mobilität. Das ist ein hohes Gut. Dieses gilt es vor überbordender Bürokratie und Zugangsbarrieren zu schützen. Die allermeisten Radfahrenden sind haushaltsversichert. Wir setzen uns intensiv weiterhin dafür ein, dass kostenlose Radkurse für jedes Volksschulkind angeboten werden und begrüßen die Ausweitung der freiwilligen Radfahrprüfung als Teil des Lehrplans der vierten Schulstufe."
Kann es bei der Frage von Rad oder Auto nur eines geben, oder kann es auch sowohl als auch lauten?
Die Antwort lautet für uns schon sehr lange "sowohl als auch, im richtigen Maß". Angesichts der Klimakrise, urbanen Hitzeinseln und reihenweise Verkehrsunfällen ist der Handlungsbedarf offensichtlich. Damit die Mobilität nachhaltig wird und Hernals nach der Massenmotorisieriung zurück in ein Gleichgewicht findet, braucht es weniger Auto und mehr Gehen, Radfahren und öffentliche Verkehrsmittel. Mit durchgängigen Radwegen auf Hauptstraßen und SuperBlocks in den Wohngebieten hat das Miteinander auf Augenhöhe endlich eine echte Chance.
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