Andreas Altmann: "Ich bin kein Romancier, ich muss hinaus"
Auf Lesetour mit seinem neuesten Werk "Gebrauchsanweisung für das Leben" hat der berühmte deutsche Reiseautor Andreas Altmann in Wien Halt gemacht.
WIEN. Der deutsche Autor und ehemalige Reporter Andreas Altmann war in Hietzing zu Gast und hat vor einem äußerst gut gefüllten Festsaal im Amtshaus aus seinen Werken gelesen. Die bz hat mit ihm über sein neuestes Buch "Gebrauchsanweisung für das Leben", seine Verbindung zu Wien und das Reisen gesprochen.
Sie waren eine Zeit lang am Schauspielhaus engagiert...
ANDREAS ALTMANN: Mit dem wunderbaren Hans Gratzer. Es war, glaube ich, vorher ein Heimatkino und wie wir dann kamen, haben wir es umgebastelt.
Wie lange waren Sie in Wien?
So lange bis endgültig klar wurde, dass ich ein mittelmäßiger Schauspieler bin und auch ich es eingesehen habe.
Verbindet Sie noch etwas mit Wien?
Ja klar, ich habe ja insgesamt eineinhalb Jahre hier gelebt. Da habe ich mich in die Wiener Kaffeehäuser verliebt. Die Wiener haben ja diese wunderbare Erfindung, dass man nicht nur für den Kaffee zahlt, sondern dass man dahocken kann ohne das einem jemand vertreibt. Das gibt es in Paris nicht.
Wie viele Länder haben Sie bereist während Sie „Gebrauchsanweisung für das Leben“ geschrieben haben?
Ich würde mal sagen zehn.
Wie lange haben Sie dafür gebraucht?
Vor 1996 war ich ja Reporter für Magazine, aber dann hatte ich genug von den bunten Heftchen, weil es auch Streit gab mit den Redakteuren. Das Buch ist das letzte Refugium, wo man die Sau rauslassen darf. Hoffentlich klug und intelligent natürlich, nicht vulgär. Seit 1996 habe ich zwanzig Bücher geschrieben, dass heißt für ein Buch würde ich sagen ein Jahr insgesamt, mit dem recherchieren. Ich bin kein Romancier, ich muss hinaus in die Welt. Das dauert ungefähr zwei, drei Monate und dann fange ich an zu schreiben.
Sie schreiben ja auch von der Angst und viele Menschen haben Angst vor dem Fremden. Was raten Sie den Menschen?
Sigmund Freud, der große Sohn Österreichs, hat schon festgestellt, dass die Angst unser Urgefühl ist. Und die Angst vor dem Fremden ist ja ganz natürlich. Warum umarme ich einen Freund? Weil ich ihn kenne, weil ich weiß, er zieht jetzt nicht das Hackebeil heraus. Aber zum Erwachsensein denke ich gehört auch, dass man dem anderen einen gewissen Vorschuss gibt. Aber viele Menschen haben dafür nicht die Kraft oder sind durch Politiker angespitzt. Viele Menschen tun Dinge nicht, weil sie denken, das geht schlecht aus. Es gibt ein schönes Sprichwort im Französischen, dass heißt „Das Schlimmste ist nicht sicher“, also es kann durchaus gut ausgehen. Aber Angst ist auf der anderen Seite ja auch nützlich. Stellen Sie sich vor, es kommt ein Auto und wir schätzen ab, kommen wir rüber oder nicht. Hätten wir keinen Angst, würde ich immer rübergehen, egal ob fünf Meter vor mir ein Lastwagen kommt. Also Angst kann dich retten oder dich zum Angsthäschen machen.
Sie haben unheimlich viel erlebt, haben Sie auch einmal richtig Angst gehabt?
Ja, ich habe wahnsinnig oft Angst. Ich bin ein Angsthase der seine Angst nicht aushält. Es gab Situationen, auch als ich noch als Reporter gearbeitet habe, wo ich mit einem Fotografen unterwegs war und wir uns sehr genau überlegt haben ob wir in diese Situation hineingehen. Und manchmal haben wir gesagt, es ist uns zu heiß. Weil ich gar nicht daran denke, für eine Story eine Kugel in den Kopf zu bekommen. Andere Situationen haben wir überlebt, weil wir Glück hatten. Die Kugel ging daneben. Es werden Vorsichtsmaßnahmen getroffen. Auf der anderen Seite ist das ein Beruf, wo du schon nahekommen musst, damit du etwas siehst und verstehst. Ich bin davongekommen, Kollegen von mir sind es nicht. Und die waren mindestens so mutig wie ich.
Sie sind so viel unterwegs, kommt man da auch gerne nach Hause?
Ich wurde gefragt, ob ich eine Reisesucht habe. Die habe ich überhaupt nicht. Ich bin auch wieder froh, wenn ich in einem Pariser Kaffeehaus herumhocken darf. Und wenn ich jetzt nicht irgendeinem Bus hinterher rennen muss und mich nicht jeden Tag sagen wir 18 Stunden um irgendwas kümmern muss. Sondern wenn ich weiß, da ist meine Wohnung, da ist der Laden wo ich einkaufe. Albert Camus meinte einmal, es gibt eine Zeit zu leben und eine Zeit davon Zeugnis abzulegen. Ich war im Sommer in Mexiko und jetzt brauche ich die Zeit um das Erlebte, dass ja schon in meinen Tagebüchern drin steht, in Literatursprache zu übersetzen.
Also Mexiko war der letzte große Aufenthalt?
Es ist so, ich fadisiere mich manchmal in dem schönen Paris, dann fahre ich für eine Woche in den Kosovo, schreibe dort weiter, flaniere und lasse mich inspirieren. Vor kurzem war ich eine Woche auf Zypern, dort war ich vorher noch nicht. Mich interessiert die politische Situation, wie die Leute aussehen usw. Jetzt werde ich dann noch eine Woche nach Bratislava fahren, da wollte ich immer einmal hin. Ich nehme mir ein Hotel und schreibe. Und sonst tue ich nichts anderes als über Sprache nachdenken.
Wie viel Zeit im Jahr verbringen Sie auf Reisen?
Ich würde sagen, insgesamt bin ich im Jahr – mit den Lesetouren – acht Monate unterwegs. Ungefähr sechs Monate bin ich richtig auf Reisen. Also vier Monate, zusammengezählt, wäre ich dann in Paris.
…und fadisieren sich hin und wieder?
Ich bin natürlich bis über die Ohren in Paris verliebt. Weil ich, wie ein Kritiker zurecht sagt, ich ein widerlicher Ästhet bis und ich zu dieser schrecklichen Männerrasse gehöre, die auch noch äußere Werte wahrnehmen kann, nicht nur die inneren Werte. Also ich liebe Paris, weil es schön in Paris aussieht, in Wirklichkeit habe ich keinen anderen Grund. Und weil ich gerne Fremder bin.
Wie meinen Sie das?
Ich möchte nicht in Deutschland leben. Ich bin nicht im germany-bashing business, aber ich bin sensibler wenn ich Fremder bin. Ich werde nie Franzose, nein, ich bin dort Fremder. Ich bin großer Liebhaber der europäischen Gedanken.
Eine letzte Frage: Wann soll Ihr nächstes Buch fertig werden?
Herauskommen wird es im September nächsten Jahres.
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