"Nicht mitverheimlichen!"

GRAFENSTEIN (vp). 1995 gründete Waltraut Kompein-Chimani das Therapiezentrum Weidenhof. Hier bekommen Jugendliche und Erwachsene professionelle Hilfe durch ein etwa 30-köpfiges Team, wenn es um Essstörungen oder andere psychische Probleme geht. Die Expertin im WOCHE-Interview.

WOCHE: Die meisten Bewohnerinnen des Weidenhofs leiden an Essstörungen. Was sind die Ursachen?
KOMPEIN-CHIMANI: Eine Esstörung tritt nie alleine auf. Sie ist Ausdrucksform einer zugrundeliegenden Persönlichkeitsentwicklungsstörung, welche die Ursache ist. Auslöser ist zumeist unser gesellschaftlicher Diät- und Schlankheitswahn. Meist treten Essstörungen in der Pubertät auf.

Also sind die Medien schuld?
Hinter dem Auslöser steckt eine riesige Industrie - ob in der Mode oder wenn es um Diäten geht-, die auf den Selbstwert der Frau abzielt. Es ist so paradox: In jeder Frauenzeitschrift findet man Diättipps und ein paar Seiten danach Rezepte für Torten & Co. Es sind tödliche Irrtümer, dass dünn sein erfolgreich und schön sein bedeutet. Es herrscht eine hohe Sterblichkeitsrate, vor allem bei anorektischer Bulimie.

Wie kommen die Bewohnerinnen zum Weidenhof?
Viele werden von Kliniken geschickt oder kommen von alleine. Manchmal melden sich Eltern, sehr oft die Tanten.

Was raten Sie Angehörigen, wenn man eine Essstörung bemerkt?
Es handelt sich um eine heimliche Erkrankung, die man meist nicht sofort bemerkt. Wichtig ist, seine Sorge zum Ausdruck zu bringen und nicht mitzuverheimlichen.

Welche Esstörung tritt am häufigsten auf?
Generell auffällig ist, dass das gesunde Mittelmaß immer mehr schwindet. Am häufigsten ist Adipositas, Fettsucht.

Wie gehen Sie bei der Therapie vor?
Das ist natürlich individuell. Zuerst stelle ich die Grundfragen - je nach vorliegender Essstörung: Warum verdünnisierst du dich? Was in deinem Leben ist zum Kotzen? Oder bei einem adiposen Kind: Wovor musst du dich schützen? Dann schaut man sich das Umfeld an und eruiert die krankheitsauslösenden Faktoren. Oft sind das Missbrauch, Spott und Hohn. Gemeinsam stecken wir Ziele, um die psychische, körperliche, geistige und soziale Gesundheit wiederherzustellen. Das Oberziel ist die Selbsterhaltungsfähigkeit. Die soziale Gesundheit ist für mich das Wichtigste, denn ohne sie ist alles andere nicht lebbar. Wir haben mit unserer Therapie im internationalen Vergleich eine hohe Erfolgsquote mit 87 Prozent.

Was unterstützt am Weidenhof die Wiederherstellung der sozialen Gesundheit?
Wir schauen, dass die Bewohnerinnen alles machen können, um wieder auf eigenen Beinen zu stehen - Ausbildung von Schule über Uni, den Führerschein, ein Instrument lernen. Einfach alles muss möglich sein.

Ist man von einer Essstörung jemals geheilt?
Ich finde es moralisch verwerflich, wenn Menschen, die eine Krankheit - auch Alkoholismus - hatten, diese immer wieder vorgeworfen wird. Eine psychische Erkrankung ist wie ein Stigma. Ich meine, man ist nicht für immer essgestört oder alkoholkrank. Wie schnell eine Essstörung heilbar ist, kommt auf die Dauer der Erkrankung an. Wir hatten zwei Jahre eine 48-Jährige bei uns, die über 20 Jahre anorektisch-bulimisch und alkoholkrank war und die wir gesund entlassen konnten.

Neuigkeiten am Weidenhof:
Neben der Unterbringung am Weidenhof und in Übergangswohnungen (Außenwohnungen) wurde eine "Zwischenstufe" eingeführt. Die Tenne am Hof wurde ausgebaut und vier Wohnungen geschaffen (für acht Bewohnerinnen). Diese Betreuungsstufe wurde eingeführt, um die Mädchen besser in die Selbständigkeit führen zu können. Die räumliche Nähe zum Betreuungsteam ist dennoch gegeben.
Außerdem ist es Weidenhof nun möglich, eine Anlehre zu machen - für jene, die am freien Arbeitsmarkt keinen Arbeitsplatz finden. "Wir sind momentan noch dabei, mit dem AMS ein Taschengeld zu verhandeln, Lohn gibt es ja nicht, weil die Lebenserhaltungskosten ohnehin abgedeckt sind", so Kompein-Chimani. Die Anlehre kann in den Bereichen Garten, Hauswirtschaft, Büro und Tierpflege erfolgen.
Es gibt am Weidenhof sieben Pferde, drei Hunde, 15 Katzen, zwei Hängebauchschweine, Enten, Hühner und Hasen. Die Tiere werden in die Therapie miteingebunden. Neu sind zwei Kamele.

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