Die Stadt von gestern
Na, Prost - Bier aus Liesing
Das neue Buch "Die Stadt von gestern" lädt zu einer Entdeckungstour durch das Wien der Vergangenheit. Ein Kapitel ist auch der Liesinger Brauerei gewidmet, das einst sogar nach Afrika und Asien exportierte.
LIESING. Zwar nehmen die Autoren Thomas Hofmann und Beppo Beyerl die Leser ihres Buches auf eine Zeitreise durch Wien mit, doch als Nostalgiewerk wollen sie "Die Stadt von gestern" nicht sehen. "Wir reden nicht von der guten, alten Zeit, sondern wollen aufzeigen, wie verdichtet und angereichert mit menschlichen Geschichten diese Stadt ist", erklärt Hofmann.
"Es war uns wichtig, die verschütteten Identitäten der Stadt wieder an die Oberfläche zu holen", so Beyerl, der gemeinsam mit Hofmann genauso an die Skisprungschanze in Hietzing erinnert wie an die Liesinger Brauerei. "Um 1900 hatte die Liesinger Brauerei einen Ausstoß von 300.000 bis 400.000 Hektoliter pro Jahr. Sie lag damit nach der Schwechater Brauerei und der St. Marxer Brauerein an dritter Stelle im Großraum Wien", erklärt Beyerl.
Mysteriöses Testament
Gegründet wurde die Brauerei 1838 von dem sehbehinderten Militärbeamten Johann Georg Held auf dem Gelände zwischen der Liesing und dem Steinmaßl. "Am 7. März 1859 wurde das erste Bier ausgeschenkt. Aufgrund der Nähe zur damals neu eröffneten Südbahnstrecke wuchs die Brauerei rasant und besonders Ausflügler genossen das Bier aus Liesing", so Hofmann.
1850 starb Johann Held und hinterließ ein rätselhaftes Testament, in dem er die Einstellung des Brauereibetriebs verfügte. Zum Glück für die trinkfreudigen Liesinger waren zum Todeszeitpunkt bereits die Miteigentümer Moritz Faber und Theodor Löwenthal die Mehrheitseigentümer. "Helds Erben wurden von Faber und Löwenthal ausbezahlt und genau das Gegenteil des letzten Willens geschah: Die Anlage wurde vergrößert und die Brauerei hatte in fast allen Kronländern Bierdepots", erzählt Beyerl den rasanten Aufstieg des Unternehmens. "In Russland wurden zwei zusätzliche Brauereien gegründet, in St. Petersburg und in Samara. Sogar nach Afrika und Asien wurde exportiert!"
Silo 2006 abgetragen
1898 wurde nahe dem Liesinger Rathaus die "Brauhausrestauration" errichtet. "Das war eine reine Vergnügungsstätte und nie das Brauhaus. zum Glück steht das Gebäude unter Denkmalschutz." Damit hat das schmucke Gebäude mit seinen Türmchen und Erkern mehr Glück als der 72 Meter hohe Getreidespeicher, der trotz zahlreicher Proteste 2006 abgetragen wurde. "Der Silo mit dem Logo der Brauerei, zwei verschränkte Bierkrüge, war ein optisches Wahrzeichen des Bezirks und diente als Lagerraum für Gerste. Er musste dem Riverside-Komplex weichen."
Gerste wurde schon lange nicht mehr im Silo gelagert, denn die Brauerei, die 1928 mit der Österreichischen Brauerei fusionierte, wurde im Rahmen einer Produktionskonzentration 1973 eingestellt. "Am 13. Juli 1973 wurde der allerletzte Sud vorbereitet", so Beyerl traurig. "Mit dem Verschwinden der Brauerei ging ein Stück Liesinger Identität verloren." Was blieb von der einst florierenden Brauerei? "In der Haeckelstraße befinden sich ehemalige Arbeiterwohnhäuser. Sie sind heute noch bewohnt."
Zur Sache
"Die Stadt von gestern" von Thomas Hofmann und Beppo Beyerl ist im Styria Verlag erschienen, hat 240 Seiten und kostet 27 Euro.
ISBN 978-3-222-13610-8
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