Stift Wilhering: „Eine Auszeit gönnen“
Reinhold Dessl ist seit drei Jahren als 74. Abt im Zisterzienserstift in der Gemeinde Wilhering tätig.
WILHERING (nikl). Der promovierte Theologe im Gespräch mit der BezirksRundschau über die stille Zeit des Jahres und die Natur als „Lehrmeister“.
Als Abt des Stiftes Wilhering haben Sie das ganze Jahr über einen vollen Terminkalender. Wird die „stille Zeit“ im Jahr nun stressfreier werden?
Dessl:
Als Seelsorger arbeiten wir im Advent vermehrt daran, dass andere zur Besinnung kommen können. Auch ich als Abt des Zisterzienerstiftes Wilhering habe nicht wirklich weniger Termine als sonst über im Jahr. Aber ich habe zum Beispiel heuer meine Mitbrüder im Stift Wilhering eingeladen, dass wir uns selber einen ganzen Nachmittag für uns Zeit nehmen, um uns als Gemeinschaft einen spirituellen Impuls von außen schenken zu lassen und somit bewusst auch einmal Zeit für die Stille zu nehmen. Ich freue mich schon darauf.
Welche prägenden Erinnerungen haben Sie an den Advent in Ihrer Kindheit?
Die Zeit im Advent verbinde ich mit verschiedenen Gerüchen, dem Licht der brennenden Kerzen, dem Gebet am Abend beim Adventkranz und der unbändigen Vorfreude auf das Christkind, das wir als Kinder kaum mehr erwarten konnten.
Warum hat sich die „Zeit der Erwartung“ in eine Zeit des „Nicht-mehr-warten-könnens“ verwandelt?
Unsere technischen Hilfsmittel, die wir schätzen, werden immer schneller, sodass wir das manchmal auch auf andere Lebensbereiche übertragen. Ich ertappe mich selber oft in der Ungeduld. Hier täte es uns gut, wieder mehr bei der Natur Anleihen zu nehmen. Wachstum von Früchten kann man nicht erzwingen. Außerdem nimmt sich die Natur im Winter eine „Auszeit“ und geht „in die Tiefe“, um im Frühling wieder neue Kräfte zu haben.
Gibt es vielleicht ein Rezept, wie man sich wieder ein wenig mehr Advent zurückerobern könnte?
Rezepte gibt es keine. Da muss jeder/jede selber erfinderisch werden, sich kleine Auszeiten gönnen. Wenn ich fast täglich mit der Donaufähre von Wilhering nach Ottensheim übersetze, ist das für mich so eine Auszeit, wo ich das Warten-können trainiere, wo die Zeit für einen Augenblick stillsteht und außerdem viele überraschende Begegnungen geschehen.
Haben Sie persönlich ein Ritual oder einen Brauch um den Advent zu erleben?
Ein großer Gewinn sind für mich die Gottesdienste in der Adventzeit mit den berührenden Hoffnungstexten aus dem Propheten Jesaja und anderen zentralen Bibelstellen. Die Liturgie bietet uns ein reiches Buffet an Gebeten, Symbolen und Ritualen an, die wir ergreifen können. Besonders wichtig dabei ist mir, mich mit der Aufmerksamkeit immer wieder in die Gegenwart zurück zu holen und da zu sein im Augenblick.
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