"Ich wollte keinen Skandalfilm machen"
Regisseur und Drehbuchautor Stephan Richter im Interview über sein Spielfilmdebüt.
BAD FÜSSING (gasc). "Einer von uns" thematisiert den realen Fall eines 14-jährigen, der beim nächtlichen Einbruch in einem Kremser Supermarkt von einem Polizisten erschossen wurde.
In Österreich startete der Spielfilm schon vor einem Jahr, seit dem wurde er unter anderem mit dem Österreichischen Filmpreis für die beste männliche Nebenrolle und dem Max Ophüls Preis ausgezeichnet.
Anlässlich des deutschen Kinostarts präsentiert ihn der Regisseur Stephan Richter am 25. 11. im Kino Bad Füssing. Vorab erzählt er über Intention, Ziele und Hintergründe.
BezirksRundschau: „Einer von uns“ war ihr Spielfilmdebüt – wann und wie entschieden Sie sich dazu, genau das zu thematisieren?
Stephan Richter: Ich habe den Fall 2009 sehr betroffen in den Medien verfolgt. Dieses Bild von einem toten Kind im Supermarkt war so verstörend und traurig, dass mich das nicht mehr losgelassen hat. Darum begann ich 2011 zu recherchieren und entschied, einen Film darüber zu machen, der kreative Impuls war einfach da.
Was an dem Film sind Fakten, was ist Interpretation?
Das Figurenensemble ist an dem realen Fall orientiert, es gab die drei jungen Leute, es gab die zwei Polizisten und es gab den Supermarkt, der wie ein Marktplatz in dem industriellen Vorort funktioniert hat. Ich habe nachgeforscht, was ich konnte und ich habe mit allen Leuten gesprochen, die mit mir sprechen wollten. Trotzdem gab es viele offene Fragen, darum muss man ab einem gewissen Punkt interpretieren.
Irgendwann kamen auch die jugendlichen Schauspieler dazu und begannen zu proben und zu arbeiten. Da bemerkte ich, die haben einen eigenen Charakter und entwickeln eine eigene Gruppendynamik, das nutzte ich dann für den Film, damit er möglichst authentisch wird.
Was war Ihnen wichtig, besonders hervorzuheben? Wollten Sie mit "Einer von uns" etwas erreichen?
Ich wollte den Fall nicht benutzen, um einen "Skandalfilm" zu machen, der in dieselbe Kerbe schlägt wie die vielen polemischen Zeitungsartikel. Vielmehr wollte ich einen neuen Blickwinkel finden und dazu beitragen, dass man seine Meinung für sich neu findet.
Natürlich gibt es dann auch noch den Supermarkt, der eine Metapher für ein kaputtes kapitalistisches System ist, um den dreht sich ja alles, auch die Charaktere kreisen darum. Aber wichtig war mir einfach, die eigene Meinung zurückzunehmen und die Charaktere gleichwertig authentisch darzustellen, ohne sie sofort zu verurteilen. Denn ich glaube, das tut einer Geschichte nicht gut. Mein Ziel war es, die Perspektive ein bisschen zu verschieben und so einen neuen Zugang zu bekommen. Letztendlich muss jeder sein Urteil selbst fällen.
Wie kam es zur Musikauswahl?
Bei der Musik wollte ich ein bisschen über das Milieu hinausgehen. Ich wollte den Zusehern und vor allem den jugendlichen Zusehern nicht zeigen, was sie sowieso schon kennen und habe überlegt, wie man die Innenwelt junger Leute wiederspiegeln kann.
Ich finde, Maeckes macht das gut, denn er schafft sehr offene Welten in seiner Lyrik, da gibt es viel poetischen Spielraum.
Seinen Track „Niemandsland“ hab ich zum Beispiel das erste Mal gehört, als ich angefangen habe, den Film zu schreiben, das hat mir damals sehr geholfen. Denn auch wenn es bei "Niemandsland" eigentlich um virtuelle Welten und das Internet geht, hat das für mich den Supermarkt so stark definiert.
Die anderen Tracks, wie der von Nazar, sind eher auf die Beats beschränkt und dramaturgisch eingesetzt.
Gibt es etwas, das Sie im Nachhinein anders machen würden?
Ich bin prinzipiell ein Mensch, der die eigene Arbeit sehr kritisch sieht. Es gibt vieles, das man vielleicht ändern würde, denn Filmemachen ist ein permanenter und komplexer Lernprozess. Danach ist man immer schlauer, aber letztendlich bin ich ein Mensch, der nach vorne schaut. Ich kann es ja beim nächsten Mal besser machen.
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