"Sensory friendly screening" im Filmcasino: Weil auch reizarm manchmal reizvoll sein kann
Mit halbem Saallicht und reduzierter Lautstärke soll auch autistischen Besuchern ein Kinobesuch ermöglicht werden. Als erster Kino weltweit findet dieses Konzept seit Juli im Filmcasino Verwendung.
MARGARETEN. Gemütlich in den Kinosessel hocken, Popcorn, Licht aus, Vorhang auf, Kino! Was für viele Menschen nach einem gelungenen Abend klingt, ist für manche das genaue Gegenteil. Dunkle Räume, laute Musik, dazu viele Menschen: besonders für Personen mit Autismen bedeutet ein solches Setting Stress pur. Mit dem sogenannten "sensory friendly screening" soll der Kinobesuch nun auch für autistische Zuseher zum Entspannen einladen. Die Technologie, die bisher nur vereinzelt in den USA und Großbritannien zum Einsatz kam, schaffte es nun auch nach Österreich. Als erstes und bisher einziges Kino österreichweit nimmt das Filmcasino in der Margaretenstraße 78 die neue Schiene unter dem Motto "Filmcasino für Alle" ins Programm auf.
Beim "sensory friendly screening" ist das Saallicht nur halb an, der Ton etwas leiser, erklärt Wolfgang Pielmeier vom Filmcasino. So soll eine Art "Wohnzimmeratmosphäre" geschaffen werden. Zusätzlich sitzt auch immer eine Person vom Filmcasino-Team als Aufsicht mit im Saal. So soll auch Menschen mit Autismen, für die ein Kinobesuch für gewöhnlich mit einem "hohen Stressfaktor" verbunden ist, ermöglicht werden Filme zu schauen. Interessant dabei ist, dass es mehr das "Setting", also das Zusammenspiel aus Licht, Ton und Menschenmasse ist, das den Stress hervorruft. Die eigentliche Handlung des Films hat weit weniger Auswirkungen auf das Wohlbefinden eines Autisten.
Anregungen aus London
Dennoch fokussiert man sich im Filmcasino zunächst einmal auf Kinderfilme, einen Ausbau des Programms könne man sich jedoch durchaus vorstellen, so Pielmeier. Im Rahmen der Serie "Filmwunder" sollen so die beiden Animationsfilme "Ponyo - Das große Abenteuer am Meer" und "Kikis kleiner Lieferservice" in der reizarmen Variante gezeigt werden.
Auf das Thema gestoßen sei man durch den mehrfach ausgezeichneten Film "Life, animated", der im Juni im Kino in der Margaretenstraße lief. Dieser handelt von einem Jungen, der plötzlich verstummt. Nur durch das Sprachrohr der Disney Filme können seine Eltern die Kommunikation zu ihm wieder herstellen. In Gesprächen mit der Organisation "Autism in Vienna", habe man dann gemerkt, dass in Wien durchaus Nachfrage nach dieser Filmform besteht, so Pielmeier. Danach habe man sich in London umgehört, dort ist "sensory friendly screening" bereits im Kinoalltag integriert - wenn auch bei weitem nicht flächendeckend. Mit Juli nahm man die Technik dann auch ins eigene Programm auf. Mindestens für ein halbes Jahr wolle man diese nun testen und ausprobieren.
Inklusives Kino für Alle
Das Filmcasino fungiert seit jeher als Wegbereiter für inklusives Kino - von Barrierefreiheit bis zum Programm. Bereits in den 1990ern gastierte das 1. Genderfilmfestival. Es folgten das Queerfilmfestival "Identities", die Frauenfilmtage und das Menschenrechtsfestival "This human world". "Es ist uns wichtig, dass es ein Kino für alle Leute ist", erklärt Pielmeier, selbst bekennender Filmliebhaber. Da es offensichtlich Menschen gibt, die gerne ins Kino gehen würden, allerdings nicht können, war das "sensory friendly screening" nur der nächste logische Schritt im Programm des Filmcasinos.
Zur Info
Die nächsten "sensory friendly screenings" gibt's am Samstag, den 14. Oktober mit "Kikis kleiner Lieferservice". Alle weiteren Infos gibt's auf filmcasino.at
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