Das Pokémon-Universum liegt im 5. Bezirk
Fernab vom Pokémon-Go-Wahn setzt der Künstler Kestutis Lapsys die japanischen Phantasiewesen in Kunstwerke um. Und das schon seit 20 Jahren.
MARGARETEN. Wer denkt, dass der Pokémon-Hype nur Jugendlichen oder Freaks vorbehalten ist, sollte in der Margaretner Wohnung des Künstlers Kestutis Lapsys vorbeisehen. Schon beim Eintreten in die Altbauwohnung wird klar, dass man die Grenze zum Pokémon-Universum überschritten hat: Zahlreiche Figuren in allen Größen bevölkern die gesamte Wohnung des Zeichners: Pikachu begrüßt als Bewegungsmelder die Gäste und lacht einen Meter weiter als Uhr aus dem Regal, auf dem Sofa im Wohnzimmer lümmelt Schiggy überlebensgroß aus Stoff und Gengar grinst diabolisch hinter Musikcassetten hervor.
Das Pokémonuniversum zog den Zeichner bereits bei seiner Entstehung Ende der 1990-er Jahre in seinen Bann. Seit zwanzig Jahren bevölkern 200 Pokémonfiguren neben Sammelalben und Geschenken aus Burger King-Kindertüten die Wohnung, die gleichzeitig als Atelier dient. Besonders stolz ist Lapsys auf eine gold platinierte Jigglypuff-Karte aus New York.
Zwangsläufig stellt sich Frage, ob der pensionierte AHS-Kunsterzieher niemals erwachsen geworden ist. "Biologisch schon", lacht Lapsys und erklärt seine Leidenschaft für Spielzeug mit seiner armen Kindheit. "Meine Eltern waren Flüchtlinge aus Litauen. Ich hatte kein einziges Spielzeug als Kind und verdanke den Care-Paketen mein Leben."
Ästhetik der Trivialkultur
Spielzeug hat Lapsys nun mehr als genug, doch wird nicht wahllos gesammelt, sondern artifiziell betrachtet. "Man darf Trivialkultur nicht unterschätzen! Disneyfilme und das komplexe Pokémonuniversum sind absolute Kunst", so Lapsys, von dessen Hals eine silberne Kette mit einem Eipamu-Anhänger baumelt - gleich neben einem Pikachu-Button auf dem Gilet. "Mich interessieren die Ästhetik und die psychologische Komponente der Spielprodukte."
Diese Ästhetik wird vom Zeichner in eine Kunstdimension gehoben, indem die Figuren als Vorlage für Eigeninterpretationen herhalten. Das Lieblingsmotiv des Künstlers ist übrigens Pantimos: "Pantimos ist ein Dodel und passt nirgends richtig dazu. Außerdem putzt er die ganze Zeit", wird die Phantasiefigur charakterisiert. "Mir geht es bei all diesen Objekten um den Kunstaspekt in einer artifiziellen Spielwelt", so Lapsys. Mit dem Smartphone in diese Spielwelt einzutauchen möchte der Künstler jedoch nicht. "Ich fange keine Pokémons - was man liebt, fängt man nicht! Natürlich gehe ich zu den großen Treffen, weil ich fasziniert bin, wie Nintendo es geschafft hat, etwas so Isolierendes wie Computerspiele in etwas Kommunikatives mit einem hohen Sozialfaktor zu verwandeln."
Love and Peace im Stadtpark
Die Pokémon-Go-Parties vergleicht Lapsys mit dem legendären Woodstock-Festival im Jahr 1969. "Beim Treffen im Stadtpark waren 4.000 Menschen aller Altersstufen. Es wurde auf Decken gepicknickt und Gitarre gespielt - das war ein regelrechtes Love and Peace-Festival!"
Ein Ende des weltweiten Pokémon-Hypes ist für den Pokémonspezialisten nicht absehbar. "Sicher wird diese Phase wieder ausklingen, aber es sind bereits neue Updates geplant. Mit dieser App wurde der Anfang gemacht, Leute mit neuen Outdoorspielen aus ihren Häusern herauszuziehen. Das ist absolut großartig!"
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