Wir alle sind Marienthal

- hochgeladen von Robert Streibel
Eine multimediale Performance über Arbeit und Arbeitslosigkeit ist am Mittwoch, 7.10. um 19:30 in der VHS Hietzing zu sehen.
Die Performance beruht auf Texten aus der Marienthalstudie und Margit Hahns Stück "Fair und nachhaltig kündigen".
„Mit einem Schlag ändert sich das Leben in Marienthal. Die Hausfrauen werden zuerst kopflos. Wie soll man das Wirtschaftsgeld einteilen? Wer ist imstande, mit einem plötzlich auf ein Viertel verringertem Einkommen zu wirtschaften? … Aber wenn die Marienthaler mit ihrem geänderten Zeiterlebnis es auch kaum mehr bemerken, die Zeit schreite doch vorwärts, und allmählich und unaufhaltsam bröckelt die Grundlage ab, auf der das Leben in Marienthal bis jetzt noch zu führen war. Es erhebt sich die Frage: Wie lange noch kann es so weitergehen? ... In der Fabrik ist es still geworden. Irgendwo hört man über die leeren Höfe hin einen klingenden Hammer alte Ziegeln aus der Mauer schlagen. Das ist die letzte Arbeit, die die Fabrik zu vergeben hat.“ (Aus: Paul F. Lazarsfeld, Hans Zeisel, Marie Jahoda, Die Arbeitslosen von Marienthal)
Zur Performance
Die Basis der Performance bilden Textauszuüge aus der berühmten soziografischen Studie " Die Arbeitslosen von Marienthal" der Soziologinnen Paul F. Lazarsfeld, Marie Jahoda und Hans Zeisel aus dem Jahr 1933, die dem Uraufführungstext „Fair und nachhaltig kündigen“ (2015) der österreichischen Autorin Margit Hahn gegenübergesetzt werden. Damit soll gewährleistet werden, dass ein aktueller Text aus der Feder einer Schriftstellerin, die sich seit Jahren mit dem Thema Arbeit / Arbeitsplatzverlust und den dahinter liegenden Machtstrukturen auseinandersetzt – recherchierend und literarisch verfremdend –, neue Einsichten auf heutige Dimensionen einer exponentiell ansteigenden Arbeitslosigkeit ermöglicht.
Die Konfrontation der Epochen – hier frühe Dreißigerjahre, da die letzten 5 Jahre seit der „Großen Krise“ zu Beginn eines neuen Jahrtausends – evoziert neue, oft erschreckende Parallelen und Aussichten. Allen voran steht die gefährliche „Politikverdrossenheit“, die einhergeht mit dem Verlust von Vertrauen in die Veränderbarkeit der Welt, einer allgemeinen Erosion politischer Teilhabe und ein resultierender Demokratieabbau, der einer der Folgen von Ausbildungs‐ und Arbeitsverlust ist, begleitet vom Schwund gesellschaftlicher Partizipation, besonders unter bildungsfernen Schichten.
In der Textmontage „Fair und nachhaltig kündigen“ versammelt und kontrastiert Margit Hahn Case-Studies, Geschichten von gekündigten oder von Arbeitslosigkeit bedrohten Männern und Frauen, die Existenzängsten und gesellschaftlicher Entwertung ausgesetzt sind, und Aussagen, Kalauer, Zitate und Gesprächsfragmente von Chefs, Abteilungsleitern, Konzernmanagern. Letztere dokumentieren die äußerste Kälte und Grausamkeit gegenüber Einzelschicksalen, mit der die von Kapitalinteressen geleitete Logik der Konzerne betriebliche Restrukturierungsmaßnahmen zur „Notwendigkeit“ erklärt und daraus angeblich nötig gewordene Entlassungen von zu viel, zu alt, zu teuer gewordenem Personal ableitet. Margit Hahn untersucht mit der ihr eigenen spitzen Feder, mit Humor und erfrischender Schonungslosigkeit nicht bloß, was in den Chefetagen der Großbetriebe gesagt, geschrieben und argumentiert wird, sondern vor allem auch die Sprache, das Managerkauderwelsch, mit der das tagtäglich vor sich gehende, zur „Normalität“ verkommene Ausrangieren von tausenden Menschen kommentiert und legitimiert wird. Hier verrät sich die Sprache selbst, ist zum Testament einer Verrohung sozialer Beziehungen geworden.
Künstlerische Leitung/Regie/Raum: Eva Brenner (A/USA),



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