Schulprojekt
Märchen, Primzahlen und mehr Chancen für Mittelschüler
"Wenn ihr Wörter nicht versteht, dann unterbrecht ihr, bitte, einfach!" Andrea Schweiger, eine pensionierte Lehrerin, bietet nun im Rahmen der "Wiener Bildungschancen" spezielle Projekte zur Unterstützung für Schüler im Unterricht an. An diesem Dienstagvormittag ist ihre Aufforderung zum Unterbrechen an 19 Schülerinnen und Schüler einer ersten Klasse an der Sportmittelschule, kurz SMS12, in Meidling gerichtet. Und zwar, bevor Schweiger den Schulkindern in der Bibliothek der Schule das Märchen von den sieben Raben vorliest. Sie unterstützt so die Mittelschulklasse. In der ersten Klasse ist von Klassenvorstand Thomas Hofer in dieser Woche der Schwerpunkt Märchenprojekt im Unterricht angesetzt.
Viel ist seit Jahren über negative Entwicklungen rund um die Schulen zu lesen und zu hören. Stichworte sind Lehrermangel, Gewalt an Schulen, entnervte Pädagoginnen und Pädagogen, die ihren Beruf aufgeben oder Aufmerksamkeitsdefizite und Ablenkung durch Handys bei Schülern. Gerade Mittelschulen in Wien kämpfen mit einem negativen Image. Die Sportmittelschule in Meidling selbst und die ehemalige Lehrerin Schweiger mit ihren unterstützenden Aktivitäten wollen statt nur zu klagen lieber positive Signale und Anreize setzen. Neben Märchen- und Rollenspielen bietet sie in Form von Workshops die Beschäftigung mit Gedichten nicht mit bloßem Auswendiglernen, sondern mit szenischer Bearbeitung an, ebenso Tanzen und Kommunikationstraining.
Nach dem Skikurs jetzt die Märchen-Projektwoche
Erst in der Vorwoche war die Klasse an der steirisch-kärntnerischen Grenze auf Skikurs. Auch keine einfache Aufgabe. Jetzt zurück in der der Bibliothek ihrer Mittelschule wird die Märchen-Vorlesung in der ersten Stunde Dienstagfrüh von Mädchen und Buben mit einigem Interesse verfolgt. Die Schulkinder sitzen dabei gemütlich auf einer froschgrünen Ledercouch, auf Matten und die meisten in einer heimeligen Sitzecke aus Holz. Gleich zu Beginn unterbricht Schweiger die Vorlesung, um die Kinder selbst zu fragen, ob sie noch andere Märchen mit der Zahl sieben kennen. Schneewittchen mit den sieben Zwergen kommt sofort als Antwort, dann auch der Wolf und die sieben Geißlein.
Klassenvorstand Hofer nützt die Gelegenheit und nennt die Zahlen 3, 5, 7, 11: "Das sind Primzahlen", sagt er gleich dazu. Ob die Schulkinder das schon einmal gehört hätten? Denn das seien Zahlen, die nur durch sich selbst oder eins teilbar seien. "Was wäre die nächste Zahl?", will der Lehrer wissen. "13", antwortet ein Schüler rasch und richtig. Auch wenn die Klasse sehr diszipliniert ist, muss er dann doch einen Schüler ermahnen: "Kannst du dich, bitte aufsetzen"!"
"Ich vermisse die Kinder"
Schweiger weist darauf hin, dass es in verschiedenen Kulturkreisen unterschiedliche Märchen gebe. Ein polnisches Märchen und ein bretonisches Märchen, einer Region am Atlantik in Frankreich, wählt sie für eine spätere Aufgabe für die Klasse aus. Zurück in ihrem Klassenraum bilden alle 19 Schülerinnen und Schüler zunächst einen Sesselkreis. Jeder darf sich ein Foto einer Märchenfigur in der Kreismitte auswählen: vom Drachen bis zum Riesen und zum Einhorn. Eine der engagierten Mittelschülerinnen hat sich für den Wolf entschieden, weil sie selbst wild sei. Einer ihrer Klassenkollegen findet einen roten Frosch cool.
Nach der größeren 10-Uhr-Pause geht der Märchen-Workshop weiter. Schon am Montag war die Klasse in der Märchenprojektwoche in einem Theater. All das dient dazu, die Aufmerksamkeit der Schülerinnen und Schüler zu erhöhen und ihnen statt ihm Frontalunterricht in anderer Form auch etwas beizubringen.
Für Schweiger geht es mit einem Workshop in einer anderen Schule noch in dieser Woche weiter. Warum sie das neben dem Ziel, gerade die Chancen von Mittelschülern zu verbessern, macht? "Ich vermisse nicht die Schule, aber die Kinder", hat sie schon während des Sesselkreises verraten. Angebote: http://www.bildungschancen.wien.at
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