Underground Wrestling im Weberknecht: Wo Schmerz verkauft wird
Verrückt, faszinierend, muss man gesehen haben: Im Weberknecht-Keller am Lerchenfelder Gürtel 47 geht es beim "World Underground Wrestling" ordentlich zur Sache. Ab Mai soll das Catchen alle zwei Monate stattfinden.
OTTAKRING. Thor Donninger? "Heast, was ist das für ein Name?", ruft jemand aus dem Publikum. Die Menge ist aufgebracht. Fast in Rage. Der Weberknecht-Keller ist bis zum letzten Platz besetzt. Mit erhobenen Händen marschiert Wrestler Mirko durch den schmalen Gang zwischen den Bierbänken. Wo sonst getanzt und gefeiert wird, will die Menge heute Blut sehen. "Yugo Power" steht auf Mirkos Rücken. Auf der Bühne angekommen, dreht er sich zu den Fans. "Wisst ihr wer ich bin", schreit er und beantwortet die Frage gleich selbst: "Der King von Ottakring!". "Yugo, Yugo, Yugo", rufen alle im Chor. Der Kellerkönig wurde vorab vom Wrestler Thor Donninger herausgefordert. Der Plot zum folgenden Schauspiel ist gesetzt. Der erste Kampf des Nachmittags: Yugo gegen Donninger.
"World Underground Wrestling" (WUW) im Weberknecht. Dass es sich dabei um ein legendäres Event handeln soll, hat sich in Wien schon seit einiger Zeit herumgesprochen. Die Besucherzahl spricht für sich. Um 15 Uhr ist im Weberknecht Einlass, ab 16 Uhr darf man in den Keller. Um 15.30 Uhr stehen die Wrestling-Fans bereits vor der Tür am Gürtel in der Schlange. "Wir stoßen gerade an unsere Kapazitätsgrenzen", sagt Organisator Gerhard Hradil. Seit rund drei Jahren veranstaltet er die Kämpfe im Weberknecht – bisher vier Mal pro Jahr. Ab Mai soll das Underground-Catchen alle zwei Monate stattfinden – den Wienern taugt die Show. Hradil schreitet durch die Wartenden und die Menge jubelt schon. "Humungus, kämpfst du heute?, fragt ein Mittzwanziger mit Vollbart.
Trampolin-Springer in Spandex-Hosen
Hradil – 180 cm groß, 123 Kilo schwer, bis hinauf zur Glatze tätowiert – ist nicht nur das Mastermind hinter dem Event. Als "Humungus" teilt der 53-Jährige auch selber aus – und das nicht zu knapp. Er ist seit 30 Jahren als Wrestler im Geschäft. "Aber Profi-Wrestling ist mittlerweile zum Trampolin-Springen in Spandex-Hosen verkommen", sagt Hradil. Die Shows seien zwar akrobatisch gut, aber die Ringe seien immer weicher geworden. Vor fünf Jahren fand Hradil einen Weg, das zu ändern. Gemeinsam mit einem Japaner gründete er den WUW-Verband. Underground heißt: Immer ohne Ring.
"Wir verkaufen den Schmerz"
Von weichem Untergrund kann im Weberknecht keine Rede sein. Die Bühne ist ein Podest aus Brettern mit einer dünnen roten Matte drauf. Wenn der Yugo den Donninger auf den Boden knallt, dann hört man das bis hinauf ins Erdgeschoss. Hin und wieder fliegen die Wrestler auch Richtung Publikum – und schrammen dabei am Steinboden entlang. Dazu gibt es natürliche theatralische Schreie. "Wir verkaufen den Schmerz", sagt Gerhard Hradil. "Das Publikum muss sehen, dass es weh tut." Dabei übertreibe man auch viel und gerne. Teil der Show eben.
"Mach Carpaccio aus eam!"
"Aber der Kampf tut wirklich weh und ist echt. Man muss dafür trainieren", so Hradil. Mitunter mehr und anders als die Profi-Wrestler in den gepolsterten Ringen. Vieles, das die WWF-Stars im Ring machen, könne man beim WUW nicht machen. Ein einziges Mal vielleicht, bevor der finale Kampf im Krankenhaus ausgefochten wird. Hin und wieder kommen auch "illegale Hilfsmittel ins Spiel". Der "Austrian Rebel" verteidigt etwa im Weberknecht seinen WUW-Titel gegen den "Itaker" Zanoni. "Mach Carpaccio aus eam", schreit das Publikum. Zanoni attackiert den Österreicher mit einer Stehleiter. Die Menge jubelt. Bevor es zu echten Verletzungen kommt, wird die Leiter allerdings vom Schiedsrichter aus dem Verkehr gezogen.
Gerhard Hradil peitscht den Kampf mit dem Mikro an. "Hau eam in die Goschn", hört man da etwa. Oder "Hock eam um!". Gerne auch: "Mir würd des weh tun." Das Publikum votiert heute klar für den Yugo. Der Donninger gewinnt am Ende trotzdem. Ein Dritter stürmt auf die Bühne – der maskierte "Prankster" – und streckt den Yugo von hinten nieder. Alles für die Show – wer am Ende gegen wen gewinnt stehe schon im Vorhinein fest, sagt Hradil. Schiedsrichter hin oder her. Der Schiri "Quincey" macht sich heute sowieso nicht beliebt. "Quincey, ich hoff' du hast Eintritt bezahlt, weil hackeln tust du heute nichts", ist aus der Menge zu hören.
Chabela, die Königin vom Keller
12 Underground-Wrestler kämpfen und trainieren in Wien regelmäßig. Darunter auch Frauen. Eine Wrestlerin feiert an diesem Sonntag im Weberknecht ihr Debüt. Die Neue heißt Selina Powers – eher klein gewachsen, kurze blonde Haare, ausdefinierte Bauchmuskeln. Ihre Gegnerin ist ein WUW-Urgestein: Chabela. Groß, mit langer schwarzer Mähne – eine Frau die offensichtlich für die Show lebt. Beim Auftritt zerbeißt sie ein rohes Ei, das sie zuvor aus ihrer Hose fischt. "Chabela, Chabela, die Königin vom Keller", ruft jemand im Publikum. Schallendes Gelächter und Applaus folgen. Chabela zermalmt die kleine Powers wie zuvor das rohe Ei. Alles für die Show.
"Dem Auftritt geht monatelanges Training voraus", weiß Gerhard Hradil. "Bei uns kann grundsätzlich jeder mitmachen. Aber wennst' keine 50 Liegestütze zusammen bringst, bist hier falsch", sagt der Rudolfsheimer. In der "Wrestling School Austria" werden die Kämpfer zwei Mal pro Woche in die Mangel genommen. Richtiges Fallen muss man lernen. Zuschlagen aber auch. "Bei uns ist zwar alles Theater, aber gleichzeitig auch alles echt", sagt der Chef. Underground-Kämpfe werden oft nahe am Publikum ausgetragen. Da müsse man hinschlagen, weil das sehe ja jeder. Die Kunst bestehe darin, mit möglichst großer Fläche auf eine noch größere Fläche zu schlagen. Klein auf klein bricht nämlich Knochen. Das wäre eine Spur zuviel für die Show.
Finaler Kampf im Publikum
Für den finalen Kampf im Weberknecht schlüpft Moderator Gerhard Hradil in die Rolle von Humungus. Gemeinsam mit Kämpfer Martn Pain bildet er ein "Tag Team" – die "Tattoo Demons". Ihre Gegner sind extra aus Großbritannien angereist: "The Force" ließ vorab via Video-Botschaft wissen, dass der Kampf nur eine Minute dauern werde. Länger würden sie nicht brauchen, um die Tätowierten in Grund und Boden zu rammen. Viele Freunde haben "The Force" im Weberknecht-Keller allerdings nicht. "You're shit and you know it", singt die Menge.
Als die Briten den Union Jack hissen, ernten sie ein provokantes "USA, USA". Die Prügelei mit den tätowierten Teufeln ufert schließlich aus und verlagert sich von der Bühne mitten ins Publikum. Begeistert wird gejubelt und fotografiert, während der 123 Kilo-Mann Humungus mit dem mindestens ebenso schweren Kraftprotz aus England catcht und über die Bierbänke rumpelt. Der Kampf endet mit einer Disqualifikation für beide Teams. Abseits der Bühne sind nur 20 Sekunden erlaubt. Hin und wieder werden auch Regeln eingehalten.
Nächste Runde in London
Am Ende des Abends fordert "The Force" die Demons zu einer Wiederholung des Kampfes in London auf. Humungus willigt ein. Eine gute Serie braucht schließlich einen Cliffhanger. "Was ist das für ein Name, Oida", ruft nochmal jemand aus dem Publikum. Der Satz ist zum Running Gag der Fans geworden, die sich am Ende auch nochmal einmischen.
Wrestling in Wien:
Das nächste Underground Wrestling wird voraussichtlich am Sonntag, 13. Mai, von 16 bis 18 Uhr im Weberknecht (16., Lerchenfelder Gürtel 47) stattfinden. Der Termin ist noch nicht fixiert. Ein Ticket kostet 10 Euro. Alle Infos und Updates zu den Veranstaltungen gibt es auf Facebook.
Wer auf den Geschmack gekommen ist und eine steile Karriere in den Wrestling-Kellnern der Welt vor sich sieht, dem seien die Trainings der "Wrestling School Austria" ans Herz gelegt. Mittwochs wird in der Fünfhausgasse 23 (15. Bezirk) trainiert, sonntags in der Hofenedergasse 3 (2. Bezirk). Alle Infos dazu und mehr Hintergrundwissen zu den Wiener Underground Wrestlern sind auf der WUW-Homepage zu finden.
Die Wiener Underground Wrestler können übrigens auch für private Shows gebucht werden.
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