"Baumschutz" in Ottakring
Ersparten sich die Bauträger € 1,2 Mio an gesetzlichen Abgaben?
Am 5. und 6. Februar 2024 wurden 58 gesunde Bäume im Kaltluftenstehungsgebiet Gallitzinstrasse 8-16 in der Frischluftschneise Wilhelminenberg-Liebhartstal gefällt für die nunmehr lediglich lt. Rodungsbescheid des MBA 1160 vom 27.11. 2023 nur 170 Ersatzpflanzungen vorgeschrieben wurden. Wären allerdings alle gem. §4 Abs. 4 („Fällung für ein Bauvorhaben“ - was es ja tatsächlich ist) eingestuft worden, hätten 406 Ersatzpflanzungen vorgenommen werden müssen.
Von diesen 170 sollen 56 am Grundstück als kleine Ersatzpflanzung gesetzt und für die verbleibenden 114 muß eine Ausgleichsabgabe in Höhe von EUR 1.090,- (noch alte Rechtslage, statt € 5.000,- neue Rechtslage) pro Baum bezahlt werden.
Das heißt die Stadt Wien ist ihrem eigenen Bauträger ARWAG sowohl bei der Anzahl der Ersatzpflanzungen als auch durch die Bescheiderstellung kurz vor Umstellung auf die neue teurere Rechtslage finanziell massivst im Ausmaß von fast € 1.180.000.- entgegengekommen!
Lt Aktenlage (=unveröffentlichtes Gutachten der MA 42) sind die meisten Bäume alt oder krank - oder bauliche Anlagen oder die Sicherheit von Personen wären gefährdet. Dadurch wird die Anzahl der Ersatzbäume massiv nach unten gedrückt, also um mehrere hundert Bäume weniger
1) Anzahl der vorgeschriebenen Ersatzpflanzungen
In Summe wurden 58 Bäume geschlägert, mit in Summe 6.080 cm, somit fast 61m Stammumfang. Für diesen Stammumfang müßten laut Gesetz (15cm Stammumfang = 1 Ersatzpflanzung) 406 Ersatzbäume gesetzt werden (6.080cm :15cm = 405,34 Bäume und laut Gesetz ist aufzurunden)
Das bedeutet, wären sämtliche Bäume unter §4 Zi 4 (Entfernung wegen Bauvorhaben und somit pro 15 cm Stammumfang 1 Ersatzpflanzung) klassifiziert worden, müßte die Arwag bzw. Bauwerk E31 GmbH für diese 406 Bäume abzüglich jener Bäume, die auf der Liegenschaft nachgepflanzt werden können, € 381.500.- Ausgleichszahlung (€ 1.090.-/Baum) leisten.
Dies errechnet sich aus 406 Bäume minus 56 Bäume, welche am Areal nachgepflanzt werden können. Daraus ergibt sich die Differenz von vorgeschriebenen 350 Ersatzbäumen. 350 Ersatzpflanzungen à € 1.090,- entspricht einer Ausgleichszahlung von € 381.500,-.
Aufgrund der Einschätzung der Amtssachverständigen der MA 42 muss nun nur mehr für 114 Ersatzpflanzungen diese Abschlagszahlung geleistet werden, somit € 124.260,- statt der € 381.500.-, also um € 257.000,--weniger!
Handelt es sich hier möglicherweise um „Gefälligkeitsgutachten“ für die Gemeinde Wien - eigene Baugesellschaft ARWAG?
2) Fällungsgründe lt Rodungsbescheid:
Es sind im Rodungsbescheid bei den jeweiligen Bäumen stets angeführt nach welchen Paragraphen die Fällung bzw. die Anzahl der Ersatzpflanzungen entschieden wurde.
a) Im §4 Abs. 1 Punkt 1 geht es um die physiologische Altersgrenze bzw. dem Zustand, dass der Weiterbestand des Baumes nicht mehr gesichert ist.
In diesen Fällen braucht es nur eine 1:1 Ersatzpflanzung bzw. nur für jeweils 1 Baum ist die Ausgleichszahlung zu leisten, egal wie alt und dick der Stammumfang des Baumes ist.
Im Bescheid wurde bei 40 Bäumen die Erreichung der physiologischen Altersgrenze festgestellt.
b) Laut §4 Abs. 1 Punkt 3 beschreibt die Gefährdung von baulichen Anlagen oder die körperliche Sicherheit von Personen durch den Baum.
Auch in diesen Fällen ist nur eine 1:1 Ersatzpflanzung erforderlich, wiederum unabhängig davon, wie alt und der Stammumfang des Baumes ist.
Der Bescheid hat für 14 Bäume diese Gefährdung festgestellt.
Aufgrund der Mehrfachnennungen zu den Punkten 1 und 3, sind in Summe 44 Bäume 1:1 zu ersetzen.
c) Für all jene Bäume, die nach §4 Abs. 1 Punkt 4 (= Bauvorhaben) gefällt werden dürfen, muß die volle Anzahl (pro 15 cm Stammumfang ist 1 Ersatzpflanzung zu leisten) gepflanzt bzw. dafür die Ausgleichszahlung bezahlt werden.
Der Bescheid hat die Bauvorhaben-Klassifikation jedoch nur bei 14 Bäumen festgestellt!
Für 13 Bäume müssen 125 Ersatzpflanzungen gemacht werden.
Zusätzlich 1 Ersatzpflanzung für Baum Nr. 9 = 126 Ersatzpflanzungen, da bei diesem zwar eine Entfernung nach §4 Abs. 1 Punkt 4 festgestellt wurde (Baum Nr. 9, Scheinzypresse mit einem Stammumfang von 119 cm), im Bescheid jedoch ein Ersatz 1:1 vorgeschrieben wurde.
Zuzüglich der 44 Bäume, die nur 1:1 zu ersetzen sind ergab dies 58 zu fällende Bäume, für die lediglich 170 Ersatzpflanzungen gesetzt werden müssen!
Zusammengefasst:
Zi 1+4: 30 Stück; Zi 3+4: 4 Stück; Zi 1+3+4: 10 Stück; Nur Zi 4 (= voll zu ersetzen): 14 Bäume; Summe 58 Bäume.
3) Wurde das ökologische Monitoring durchgeführt?
Im §4 Abs. 2 wird dezitiert darauf hingewiesen, dass die Fällungen in „jedem Falle auf das unumgänglich notwendige Ausmaß zu beschränken“ seien. Wurde dieser strenge Maßstab im Baumschutzgesetz wirklich geprüft? Hätte man da nicht den einen oder anderen Baum trotz Baustelle retten können?
Hier stellt sich die Frage, ob die Fällungen vom 5. und 6. Februar 2024 auf das notwendige Maß beschränkt wurden.
4) Zu hinterfragen ist, warum der Bescheid nur auf eine Einlagezahl, nämlich EZ 5961, ausgestellt wurde, obwohl das Grundstück aus mehreren Bauparzellen besteht.
5) Das Gutachten der MA 42 wurde veröffentlicht
Einige Bäume z.B. Baum Nr. 10 – Fichte, Stammumfang 45 cm, sollen ihre physiologische Altersgrenze erreicht oder überschritten haben. Oder sie sollen sich in einem behaupteten Zustand befinden, die ihren Weiterbestand nicht mehr gesichert erscheinen lassen. Ohne Veröffentlichung des Gutachtens ist diese Einschätzung nicht nachzuvollziehen.
Nr. 15 – Lebensbaum, Stammumfang 47 cm, siehe Baum Nr. 10;
Solche Beispiele gibt es laufend; die Beseitigung/Rodung wurde mit einem Paragraphen (nämlich §4 Abs. 1 Zi 1) begründet, dieser rechtfertigt dann nur eine 1:1 Entfernung
6) Ist das Ausmaß der Fällungen korrekt ?
Im §4 Absatz 1 Zi 4 wird auch beschrieben, dass bei Bauklassen I und II „wenn keine Baufluchtlinien festgesetzt sind, die Gebäude und baulichen Anlagen so zu situieren sind, dass grundsätzlich höchsten 20 v.H. der durch dieses Gesetz geschützten Bäume entfernt werden müssen“ - bei BK I und II müsste eigentlich diese Bestimmung greifen und dürften nicht mehr als 20% gefällt werden!
Weiters steht im Baumschutzgesetz und im Gesetzesentwurf zum neuen Baumschutzgesetz auch, daß die Fällungen in „jedem Falle auf das unumgänglich notwendige Ausmaß zu beschränken“ seien.
Das scheint bei dieser Radikalrodung überhaupt nicht berücksichtigt worden zu sein.
Beim Grundstück Gallitzinstraße 8-16 wurden 100% gefällt und kein einziger (!) Baum wurde stehen gelassen.
7) Ersatzpflanzungen:
laut §6 Abs. 6 sollte mit dieser Ausgleichsabgabe vom Magistrat eine Ersatzpflanzung durchgeführt werden „in erster Linie auf öffentlichem Gut oder sonst im Eigentum einer Gebietskörperschaft befindlichen Gründen in einem Umkreis von höchstens 300 m….“
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Wo werden diese Bäume und wann gepflanzt? Wie erfolgt der Nachweis über die Ersatzpflanzungen ?
8) wir haben uns das Gutachtens des Sachverständigen der Stadt Wien, das dem Rodungsbescheid für die Gallitzinstrasse 8-16 zugrunde liegt angeschaut:
- Von 58 radikalgerodeten Bäumen waren lediglich ZWEI von Schädlingen/Pilzen befallen. Alle anderen 56 Bäume wiesen keine Schädlinge auf. Es handelte sich daher fast ausschließlich um gesunde Bäume, die einzig der Realisierung des Bauvorhabens entgegenstanden.
- Geringe Vitalität der Bäume wird als Argument benutzt, um die gesetzliche vorgeschriebenen hohen Ersatzpflanzungen (1:15) möglichst gering zu halten. Z.B. Auf Seite 2 wird im letzten Absatz sehr wohl festgestellt, dass die Bäume xxx für die Realisierung des Bauvorhabens nicht erhalten bleiben können. Also müssten diese eigentlich 15:1 ersetzt werden. Hier wurde aber noch zusätzlich mit einem anderen Grund argumentiert, um lediglich eine 1:1 Ersatzpflanzung zu rechtfertigen.
- Die physiologische Altersgrenze wurden zur Vitalitätsreduzierung der Bäume möglichst gering angesetzt. Z.B. So hat z.B. Nr. 31 bei einem Stammumfang von 91cm ein Alter von 28 Jahre….also weit entfernt von den möglichen 300 Jahren !!!
- Es wurden sogar gesunde Bäume mit „geringfügig verminderter Vitalität“ (Einstufung 1) als die körperliche Sicherheit von Personen gefährdend eingestuft, um Gründe zur Entfernung und geringen Ersatzpflanzung zu finden. Z.B. Bäume Nr. 5, 13, und 18. Diese hätten bei einer „1“-Einstufung er“ mit dem Verhältnis 15:1 ersetzt werden müssen. Nr. 13 bei einem Stammumfang von 153 cm wurde anstatt mit 11 Ersatzpflanzungen mit nur einer vorgeschrieben – bei Höchststufe der Gesundheit!
- Interessant sind auch Zitate mit zukünftigem Datum. Z.B. wird es auf Seite 7 eine gutachterliche Stellungnahme erwähnt (welche?) datiert mit 26.September 2024!
- Interessant ist auch, daß bei mehreren Entfernungstatbeständen jener zählt, der die geringere Ersatzpflanzungspflicht vorsieht. Das bedeutet somit, daß wenn bei so einem Bauvorhaben auch nur irgend ein kleiner Fehler im Baum festgestellt wird, nicht mehr die volle Anzahl Ersatzpflanzungen geleistet werden muss. Damit wird die Strenge des Baumschutzgesetzes ausgehebelt.
und zum Schluss Wer kontrolliert die zweckgebundene Verwendung der erhöhten Ausgleichsabgabe?
Oder fließt diese Summe in das marode Stadtbudget, ohne für den Erhalt und Ausbau unserer Grünflächen zur Verfügung zu stehen?
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