Reisebericht Donaudelta
Der lange Weg von Au/Donau zu Kilometer null

Enge und weite Durchfahrten in Weidentunnels. | Foto: Hans Rüdiger Scholl
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  • Enge und weite Durchfahrten in Weidentunnels.
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Reisebericht von Anne und Hans Scholl: Von Au an der Donau bis zum Donaudelta am Schwarzen Meer.

NAARN. Mit rund 2.860 Kilometern ist die Donau nach der Wolga die Nummer zwei in Europa, sowohl was Länge, Wassereinzugsgebiet als auch die Größe des Deltas betrifft. Von ihrer Quelle im mittleren Schwarzwald bis zur Mündung ins Schwarze Meer fließt sie durch zehn Länder – das macht ihr weltweit kein anderer Strom nach. Manche, die wie wir an der Donau leben, haben offenbar das Donau-Gen. Unser Wunsch: Eine Reise ins Donaudelta, um schließlich ehrfürchtig in Sulina am Schwarzen Meer den „Kilometer null“ zu erreichen.

Ankunft und Start in Bukarest

Den Wunsch in die Tat umzusetzen, erwies sich als schwieriger als gedacht: Selbst mit dem Boot hin- und zurück fahren? Theoretisch ja, praktisch würde es viel zu lange dauern. Viele Touren mit Kreuzfahrtschiffen werden angeboten, aber das war es nicht, wonach wir suchten. Schließlich wurden wir beim rumänischen Reisebüro in Wien fündig: Man empfahl uns die Reise ins Dunarii Biosphärenreservat mit Tioc Natur- und Studienreisen aus Sibiu/Hermannstadt. Tiberiu Tioc ist rasch kontaktiert und an einem frühen Junitag – es war rechtzeitig vor der Pandemie – landen wir in Bukarest. Dort werden wir vom europäischen Gauklerfest überrascht, das ganz Bukarest in eine Bühne für Gaukler und Straßenkünstler verwandelt. Die Reise durch das Delta dauert eine Woche, aber wir hatten uns vorgenommen, mit Bukarest zu beginnen und zu enden.

In Tulcea wartet der Schlepper

Nach zwei großartigen Tagen Stadtbesichtigung kommt Tibi – so nennen ihn alle – ins Hotel und holt uns ab. Im Kleinbus sitzen bereits vier Schweizer, die er vom Flughafen geholt hat. Auf der mehrstündigen Fahrt nach Tulcea erklärt uns Tibi in perfektem Deutsch Land und Leute. In Tulcea wartet unser „Schlepper“, ein mit acht angenehmen Doppelkabinen/Bad ausgerüsteter, von einem Motorschiff gezogener, umgebauter Frachtkahn.

Wir sind ein Dutzend beim Essen, Tibi inkludiert. Eine bunte Runde am großen Tisch, die sich rasch kennenlernt und gut versteht. Betreut von der Schiffscrew aus Köchin samt ihrem Mann, dem Mechaniker sowie einer jungen Hilfe. Diese drei sind für Küche und Keller sowie den gesamten Wohnbereich zuständig, für den Fahrbereich sind es weitere Mitarbeiter, alle kommen aus dem Delta.

Mit der Zille in den Nationalpark

Unser Schiffsführer steuert den Schlepper durch die großen Kanäle, andere Bootsführer bringen uns mit drei kleinen Zillen tief in Gebiete des Nationalparks hinein (nur für Berechtigte wie Ranger, Fischer, Jäger, Naturforscher). Tibi ist Biologe und Ornithologe. Es ist Anfang Juni, die Schonzeit für die zahllosen brütenden Vögel ist vorbei: die Kleinen sind geschlüpft und werden langsam flügge. Frühjahr und Herbst seien die schönsten Zeiten, erfahren wir. Im Sommer ist es wohl sehr heiß und „gelsig“. Immer wieder müssen wir uns tief ducken, wir sind im Dschungel und gleiten auf Wegen dahin, wo außer unseren Bootsführern sich keiner mehr auskennt. (Hier kämen wie niemals mehr heraus!) Ums nächste Eck öffnet sich dann ein riesiger See mit Bäumen im Wasser und Tausenden Vögeln mit ihren spezifischen Geräuschen. Wasserrosenteppiche und – das ist kein Gegensatz – eine große Stille.

Am Abend sitzt eine erschöpfte Runde in dennoch lebhafter Unterhaltung bei Tisch und genießt das hervorragende Essen. Es gibt in erster Linie Fisch in allen denkbaren Variationen, Gemüse und alles, was das Delta sonst so hergibt. Unsere Bootsführer sind die Fischer und Jäger, die in aller Herrgottsfrühe der Köchin das bringen, was sie haben möchte. Nach dem Essen zerstreuen wir uns, wo ist die Bar? Ein großer Glasschrank ist die Bar, ausreichend bestückt und mit Selbstbedienung.

Europas größte Pelikankolonie und ein Amphibienkonzert

Wir fahren zu Europas größter Pelikankolonie – so leise, dass die Vögel uns nicht bemerken. Am Abend bei Einbruch der Dämmerung – die Sonne geht gerade unerträglich kitschig unter – erhebt sich plötzlich ein unbeschreiblicher Lärm, wir haben seit einiger Zeit am Ufer geankert. Gefühlt Tausende von Amphibien begrüßen die Nacht. Oder sind sie auf Partnersuche? Na dann gute Nacht und schlaft schön. Am Frühstückstisch am nächsten Morgen schauen wir uns alle an, wie habt ihr geschlafen bei dem Froschkonzert? Wie in Abrahams Schoß.

Tage der Überraschungen

Mit weiteren Ausflügen zu Wasser und an Land, zu Trockengebieten und ihren Bewohnern, die uns mit Selbstgemachtem bewirten, wo Tibi uns ihr Leben, die Geschichte und Besiedlung der Landschaft erklärt, eine straßenlose Welt mit Pferdekarren, völlig unbekannter Flora, plötzlichen Sumpfabschnitten, ein Schakal, und Schilf ... und dann ist die Woche zu Ende.

Weiter nach Sulina

Aber wir wollten ja zu Kilometer null, und der liegt in Sulina, dorthin führt von Tulcea aus der Sulinakanal, schnurgerade, der bedeutendste für die Schifffahrt. Zurück in Tulcea wechseln wir auf das Tragflügelboot nach Sulina (keine Straße führt dorthin), wo uns unser Pensionsinhaber Michael abholen wird. 90 Minuten dauert die Fahrt, das Boot wird von einem russischen Bootsführer und seiner Frau betrieben. Es ist vollbesetzt und gleitet sehr rasch dahin. An der Anlegestelle erwartet uns Michael mit dem Fahrrad: In Sulina sieht man fast keine Autos (es gibt eine Straßenverbindung zum mondänen Constanza), die wichtigste Straße ist die Hafenstraße entlang der Donau mit hübschen Geschäften und Restaurants. Alle anderen Straßen sind Sandpisten. Es ist noch Vorsaison, zu unserem Glück, sonst hätten wir kein Zimmer bekommen. Die Leute dort pilgern mit Picknickkörben zu ihrem Sandstrand, das ist ein längerer Spaziergang. Wir kommen in unser helles, modernes Quartier mit Außenküche und langem Holztisch.

Vogelinsel und Schildkröten-Kolonie

Als erstes erkunden wir den Ort entlang der Donau, wir wissen, dass man „die Mündung“ ins Schwarze Meer gar nicht erkennt, und wo ist Kilometer null? Wir suchen nach dem Schild. Ein riesiges russisches Kreuzfahrtschiff türmt sich vor uns auf, die Passagiere quellen heraus und machen einen kleinen Ortsrundgang, dann zur Delta-Kathedrale und zurück aufs Schiff. Erinnert natürlich an Linz, auch wenn man es nicht vergleichen kann. Am nächsten Tag hat Michael, er ist Hafenbeamter, ein wenig Zeit und fährt mit uns hinaus aufs Meer, zur Vogelinsel, in respektvollem Abstand. Hunderte, wenn nicht Tausende Vögel leben dort, und wenn man nach Norden schaut, ist die Ukraine zum Greifen nah. Michael möchte uns die Schildkrötenkolonie zeigen, die sich neben einem der größeren Kanäle befindet. Auf dem Weg dorthin steht ein junges Paar mit kleinem Kind am Wasser: sie Boot-stoppen. Wir halten an und nehmen sie einige Kilometer mit, nach einer Weile steigen sie aus und gehen in Richtung Schilf nach Hause.

Am Ziel: Donau-Kilometer null

Und dann sind wir am Kilometer Null, dem Ziel unserer Reise, fahren mit dem Boot nahe heran: Ein schmuckloses, halb verrostetes Schild an einer Stange im Wasser. Längst hat er keine nautische Bedeutung mehr, ebenso wenig wie der aufgelassene Leuchtturm in der Nähe. Die Donau hat so viel Geschiebe dass niemand mehr weiß, wo sie wirklich ins Schwarze Meer „mündet“. Irgendwann wird sie in Istanbul sein. Stumme Zeugen sind Schiffswracks, die auf Grund gelaufen sind – erst kürzlich oder vor vielen Jahren. Einer der Wirtschaftszweige Sulinas ist das Abwracken gestrandeter Schiffe. Es ist alles in allem ein überwältigender Anblick, ganz gleich, wie man es betrachtet.

Zurück nach Au an der Donau

Zurück in Tulcea. Wir haben noch ein wenig Zeit, uns die Stadt anzuschauen, bevor es nach Bukarest weitergeht, wo wir erneut im Hotel Venezia absteigen und vom Zimmer aus über die Dächer der Stadt schauen können. Dann geht der Flieger – zurück an unsere Donau, die wir mit großer Freude begrüßen. Es war die Reise unseres Lebens. Die Bilder bleiben im Kopf, und der Kontakt zu Tibi ist auch nie wirklich abgerissen.

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Foto: Cityfoto
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