"Das Leben hat im Rucksack Platz"
Theologe Ferdinand Kaineder pilgert mit BezirksRundschau-Lesern. Ein Interview:
BezirksRundschau: Wie kamen Sie zum Pilgern?
Ferdinand Kaineder: Schon als kleiner Bub durfte ich von Kirchschlag zum Pöstlingberg mitgehen. Das war damals weit für mich. Einige Male bin ich mit Gruppen nach Mariazell gegangen. Aber so richtig Lust und ein tiefes Verständnis ist mir 2004 aufgegangen, als ich ganz alleine 28 Tage von Bregenz nach Rust gegangen bin. Da hat sich für mich die heilsame Wirkung des Gehens gezeigt. Gerade die damals querliegenden Aspekte meines Lebens haben sich "eingeordnet". Eine neue Wahrnehmung habe ich gelernt und Dankbarkeit dem Leben gegenüber.
Was waren Ihre schönsten Momente beim Pilgern?
Der sicherlich schönste Moment war, als ich nach 52 Tagen zu Fuß in Assisi angekommen bin. Ein unbeschreibliches Gefühl, das Ziel erreicht zu haben, zu dem ich Schritt für Schritt unterwegs war. Ich war versöhnt und gestärkt. Seit dieser Zeit bin ich viel gelassener und die Natur ist mir zur Therapeutin geworden. Ein besonderer Moment war sicher auch der Ostermontag 2012, als ich nach 26 Tagen von Kirchschlag am grünen Band entlang im Kloster Volkenroda angekommen bin. Ich hatte mich damals beruflich verlaufen und war auf der Suche. Ich habe die knarrende Tür zur Klosterkirche aufgemacht, alle haben mich angestarrt, die beim Festgottesdienst waren. Stille. Wärme. Dann hat der Chor und das Orchester das Danklied angestimmt. Ich hatte damals den Eindruck, sie tun es für mich. Freudentränen sind aus mir geflossen.
Warum boomt das Pilgern?
Es ist die Bewegung und die spirituelle Orientierung. "Es wird im Gehen gelöst", heißt eine Weisheit. Zu viele Menschen "stecken fest", finden keinen Sinn und haben das Gefühl für das Ganze verloren. Die einen suchen Gott und finden sich selbst. Die anderen suchen sich selbst und kommen bei Gott an. Einfach leben ist auch ein Wunsch. Wer über Tage alles im Rucksack mitträgt, was das Leben braucht, lernt im Alltag mit weniger auszukommen. "Das Leben hat im Rucksack Platz", ist eine Erkenntnis und Erfahrung. Und: Das Gehen ist das Tempo der Seele.
Pilgern mit der BezirksRundschau
So., 24. April, Start: 10 Uhr, Bahnhof Grein-Bad Kreuzen, Gehzeit: ca. 3 Stunden, inkl. Labstation, Ankunft 13 Uhr in Maria Hilfberg, Rückkehr: 18 Uhr; Infos & Anmeldung (bis 18.4.): Pilgern mit der BezirksRundschau , Tel. 0664/806667202
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