Ich als Tellerwäscher

Besteck richtig zu polieren, so dass es dem Chef passt, ist gar nicht so einfach. | Foto: Michael Böhmländer
  • Besteck richtig zu polieren, so dass es dem Chef passt, ist gar nicht so einfach.
  • Foto: Michael Böhmländer
  • hochgeladen von Günther Reichel

Tellerwäscher zu sein ist gar nicht so einfach. Das durfte ich am „eigenen Leib“ erleben.

HÖFEN. Seit nahezu 30 Jahren bin ich jetzt als Redakteur tätig. Vergangene Woche wechselte ich die Rolle und wurde „Abspüler“. Michael Böhmländer vom Haus Diana in Höfen gab mir diesen Job. Offenbar war mein Bewerbungsgespräch im Vorfeld positiv verlaufen. Also ganz so wars nicht, wir sind befreundet und er hat es ermöglicht, dass ich für unsere Rechercheserie „Am eigenen Leib“ einmal eine für mich völlig neue Erfahrung sammeln konnte.
Dienstantritt um 17.15 Uhr. Ich natürlich pünktlich - am ersten Tag, eh klar. Michael führt mich ins Untergeschoß, da wo sich die Küche und der vorgelagerte Speisesaal, der übrigens einen einmaligen Panoramablick über Höfen hinweg bietet, befinden. Jacke und Rucksack samt Kamera wandern in den Garderobenraum. Als nächstes bekomme ich ein kesses grünes Schürzchen, jetzt bin ich für alle als Tellerwäscher ausmachbar.
Der Chef des Hauses stellt mich kurz den anderen Teammitgliedern vor. Manche kenne ich, andere nicht. Freundlich sind sie alle und interessiert, was ein Redakteur wohl in einer Küche tut? Abspülen, Eindrücke sammeln und am Ende darüber schreiben.
Scheint ein ruhiger Job zu sein. Da und dort wird einmal ein Teller durch die Durchreiche, welche den Servicebereich von der Spüle trennt, geschoben. Viel Arbeit sieht anders aus.
Das wird sich noch ändern. Michael hat sich bereit erklärt, Fotos von mir „in meinem neuen Beruf“ zu machen. Das kann er ebenso gut wie einen Hotelbetrieb führen, er gibt Fotokurse, ist selber stets mit der Kamera am Weg. Das wäre also schon einmal geregelt.
Weil gerade nicht viel los ist, jedenfalls nicht in der „Spülabteilung“ möchte ich in der Küche rund um den Herd putzen. Ich bekomme eine Abfuhr. Viel zu heiß sind die Platten. Bevor sie nicht abgekühlt sind, darf man da nicht ran. Später finde ich keine Zeit mehr dafür.
Ich bekomme dafür den Spüler erklärt. Unserer daheim ist so ein echtes Energiesparwunder, angeblich. Der braucht nur ganz wenig Wasser, angeblich ganz wenig Strom, dafür läuft er im Normalprogramm drei Stunden. Schalten wir ihn dann noch über Nacht ein, dann sparen wir gewaltig. Oder so.
In der Gastronomie geht das natürlich nicht. Ich bekomme erklärt, dass die netten Servicemitarbeiterinnen auf ihrer Seite bereits beim Abräumen die gröbsten Speisereste entfernen. Dann wird das Geschirr durch die Durchreiche geschoben. Hier gilt es abzuwägen, ob es nötig ist am Spülbecken unter Hochdruck vorzureinigen, oder das Geschirr gleich in die Körbe zu geben.
Beim Einweisen wird klar, auch das will gelernt sein. Ich stelle den Spülkorb falsch hin. Zwar passt er so ebenfalls in den Hochdruckspüler, aber man bringt nicht so viele Teller bzw. Tassen oder anderes Geschirr hinein. Also drehen.
Weil gerade nicht soviel los ist und der Geschirrkorb eh halb voll ist, ich Zeit hätte, würde ich ihn gerne in die Maschine schieben. Nein. Erst wenn er voll ist. Wasser, Strom - für einen Hotelbetrieb sind das relevante Kosten, daher so kostenschonend wie nur möglich arbeiten. Und der Spüler weiß ja nicht, dass der Spülkasten der da eingeladen wird, nur halbvoll ist. Also warten.
Ich höre zunehmend Tellerklappern aus der Küche. Da herrscht jetzt Hochbetrieb. Vorspeisen gehen rauß, Hauptspeisen gehen rauß, Nachspeisen werden serviert. Und plötzlich kommt Geschirr um Geschirr durch die Durchreiche. Vielleicht könnte der Spüler doch schneller sein? Bringt aber auch nichts, denn die gereinigten Teller, Tassen usw. sind so heiß, dass man sie momentan fast nicht anfassen kann, außerdem wird das Geschirr durch die Hitze getrocknet.
Nachpolieren ist aber Pflicht. Da schaut Michael Böhmländer genau darauf, außerdem könnte es ja sein, dass irgendwo noch ein Speiserest klebt. So wird dieser erkannt, der Teller muss zurück und das Prozedere der Reinigung von vorne durchlaufen.
Das saubere Geschirr wird aufgetürmt und anschließend verräumt. Mir fehlt in der Großküche noch die Orientierung. Hilfe ist aber sofort zur Stelle.
Aber wo bleibt das Besteck? Essen hier alle mit den Fingern? Natürlich nicht. Das Besteck wird gesondert gesammelt und kommt mehrmals in großen Mengen daher - immer dann, wenn es sich lohnt dieses in eben großen Mengen durch den Spüler zu schicken. In einem speziellen Korb. Zum Nachtrocknen gibt es ebenfalls etwas Spezielles, nämlich ein spezielles Geschirrtuch. Nicht anders als die anderen, aber es wird nur für das Besteck verwendet. Nie für Teller, Tassen, Gläser.
Ich stehe vor einem Rieseberg an Messern, Gabeln und Löffeln und poliere. Der Chef persönlich schaut mir über die Schulter. Ohje meine erste Rüge: „Günther schau, das ist noch nicht ganz trocken. Das gibt Stockflecken und sieht nicht schön aus.“ Ich sehe es, beginne von vorne. Man lernt ja nie ganz aus.
Dann ebbt die Arbeit ab. Die Küche ist schon lange sauber, das mit den Herdplatten, die ich putzen wollte, wurde von anderen erledigt. Nun wird noch der Spülraum gründlichst sauber gemacht.
Ob ich meinen Job wohl gut gemacht habe? Michael lacht: „Also wenn du dich mal beruflich verändern möchtest, kannst dich ja mal melden.“ Schauen wir mal. Ich hab jedenfalls den Vorteil, dass Michael Böhmländer und ich jetzt im Gastraum sitzen und gemeinsam noch etwas trinken.

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