"Habe oft geweint vor Angst"

- hochgeladen von Astrid Kompan
WOCHE: Wie lernt man einen Extremkletterer kennen?
NICOLE TENGG: Natürlich in den Bergen. Wir haben uns am Arlberg beim Skifahren kennengelernt. Dort haben wir als Skiilehrer gearbeitet. Ich habe ihn als Skilehrer und Bergbauer aus Osttirol kennen- und lieben gelernt. Damals wusste ich noch nicht, dass er Extrembergsteiger ist und auch eisklettert.
Wir haben dann einen tollen Winter am Arlberg verbracht und sind in unserer wenigen Freizeit noch dem Speedgleiten nachgegangen.
Danach bin ich gleich bei Peter in Osttirol geblieben. Seine Eltern betreiben dort einen Bergbauernhof und haben uns einen kleinen Hof zur Verfügung gestellt. Bald darauf wurde ich auch schon schwanger.
Gab es einen entscheidenden Moment in Ihrer Beziehung?
Ja, als Peter seinen jetzigen Seilpartner David Lama kennengelernt hat. Sie waren viel gemeinsam unterwegs und ich mit unserer Tochter alleine am Hof. Die Winter waren besonders schlimm und ich bin wieder in die Nähe meiner Eltern nach Treffen gezogen.
Wie hält das die Partnerschaft aus?
Es funktioniert gut. Ich kann ihm so auch besser den Rücken für das Klettern frei halten und das weiß er auch zu schätzen. Im Moment bin ich fast alleine für die Kinder verantwortlich, aber im Leben kommt alles einmal zurück.
Wie gehen die Kinder damit um?
Sie kennen es nicht anders und Peter ist ein toller Papa. Er tut alles, um uns glücklich zu machen und das merken natürlich auch die Kinder.
Auch wenn er für längere Zeit unterwegs ist, wie kürzlich in Pakistan oder damals in Patagonien, ruft er über das Satellitentelefon an und redet natürlich auch mit den Kindern. Er versucht ihnen zu erklären, wo er gerade ist und was er macht.
Hatten Sie bei den Expeditionen manchmal Angst um ihn?
Die Angst spielt eine ganz große Rolle in meinem Leben. Es gab Nächte, in denen ich durchgeweint habe vor lauter Angst. Aber er verspricht mir vor jeder Expedition, dass er wieder nach Hause kommt und darauf muss ich einfach vertrauen. Es ist ein gefährlicher Sport und jedes Jahr verunglücken Freunde oder Bekannte in den Bergen. Diese Dinge halte ich natürlich von ihm fern, wenn er gerade klettert. Er soll sich auf seine Sache konzentrieren können, das ist in diesem Moment wichtiger. Die schlechten Nachrichten erfährt er erst zu Hause.
Sind Sie stolz auf Ihren Lebensgefährten?
Natürlich bin ich stolz auf ihn, auch wenn ich es ihm nicht immer zeige. Selbst wenn eine Expedition nicht mit Erfolg gekrönt ist, wie am Masherbrum in Norden Pakistans. Sicher hätte es mich gefreut, wenn alles geklappt hätte, aber so ist das Leben. Es kann nicht immer gleich beim ersten Mal funktionieren, das gehört dazu.
Können Sie seine Leidenschaft verstehen?
Ja, absolut. Ich bin selbst leidenschaftliche Reiterin und weiß, was es bedeutet, darauf verzichten zu müssen. Als unsere Kinder noch nicht auf der Welt waren, habe ich ebenfalls extreme Sportarten ausgeübt. Es befreit und macht einfach nur Spaß. Mit den Kindern habe ich mehr Verantwortung und kann es mir als Mutter nicht leisten, mich zu verletzten. Aber das war mir bewusst, als ich mir die Kinder gewünscht habe. Bei einer kleineren Expedition an die Eiger Nordwand habe ich ihn mit Maureen begleitet und wir haben von einer Plattform aus zugesehen, wie er die Wand erklommen hat.
Wenn er zu Hause ist, was machen Sie dann?
Wir sind mit den Kindern viel in der Natur unterwegs, gehen zelten, wandern oder in die Boulderhalle. Peter hat da immer einige Überraschungen auf Lager. Aber er kann auch daheim nicht wirklich loslassen. Neues Material wird zu Hause getestet. Da kann es schon passieren, dass er im Mini-Zelt an der Stadlwand übernachtet.
Name: Nicole Tengg
Geburtstag: 7. Dezember 1981
Wohnort: Einöde
Beruf: Mutter und Familienmanagerin
Kinder: Maureen, 4 1/2 Jahre
Phillip, 2 1/2 Jahre
Hobbys: Dressurreiten
Seit sechs Jahren ist sie mit dem Extremkletterer Peter Ortner liiert, der mit David Lama den Cerro Torre im Freikletterstil geklettert ist.
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