Apotheker klärt auf

"Lieferprobleme bei Medikamenten gab es schon immer"

Neben Lieferengpässen bei Heizöl und Pellets gibt es auch Verzögerungen bei der Lieferung von Medikamenten.

VÖLKERMARKT/ÖSTERREICH. Monika Vögele, Generalsekretärin des Großhandelsverbands Phago, meint zur Arzneimittelsituation: "Aktuell sind rund 400 Arzneitmittel nicht oder nur eingeschränkt verfügbar. Als Arzneimittelvollgroßhändler beobachten wir schon seit Beginn der Pandemie, dass die Nachfrage bei den verordnungsstärksten Medikamenten sehr volatil geworden ist."

Generika unter Druck

Eines der Themen seien vor allem die Preise. Pharmaunternehmen warnen deshalb, dass Arzneimittel wegen der hohen Inflation und damit verbundenen hohen Produktionskosten vom Markt verschwinden könnten. Die Kostensteigerungen könnten nicht einfach weitergegeben werden, weil es Festbeträge und Rabattverträge mit den Krankenkassen gebe. „Ist eine Produktion nicht mehr wirtschaftlich, hat der Hersteller keine Wahl: Entweder macht er Verluste oder er muss sich aus der Versorgung zurückziehen”, sagte Bretthauer. Ähnlich ist die Lage in Österreich. Treiber sind etwa gestiegene Seefrachtkosten. Auch höhere Kosten für Verpackungen machten den Firmen zu schaffen. Es gibt zudem Bereiche, in denen es aufgrund der geänderten Nachfrage enger werden könnte. So klagen Eltern zunehmend über Schwierigkeiten, Säfte mit dem Wirkstoff Ibuprofen sowie Zäpfchen und Brausetabletten mit Paracetamol für Kinder zu bekommen.

Leicht erklärt

„Als Folge der Globalisierung wurden in den letzten 25 Jahren viele Produktionsstätten von Arzneimitteln von Europa nach Asien verlagert. Nur die Hauptsitze vieler europäischer Pharmakonzerne wie Roche, Sanofi, UCB und Bayer sind in Europa erhalten geblieben. Wenn beispielsweise in Shanghai, einem auch für Europa sehr wichtigen Hafen, durch einen Lockdown der Warentransit unterbrochen ist, wirkt sich das auf die Lieferkette in ganz Europa aus. Vor wenigen Jahren war beispielsweise Valsartan, ein sehr wirksames und häufig verordnetes Blutdruckmittel, nicht erhältlich, weil aufgrund einer Verunreinigung die ganze Produktionscharge vernichtet werden musste. Nachdem sich mehrere Pharmakonzerne ein und desselben Lieferanten bedienten, gab es keine Möglichkeit, das Arzneimittel kurzfristig nachzuliefern“, weiß Klaus Bauer von der Jauntal Apotheke in Eberndorf.

Fast dasselbe

„96 Prozent aller Fälle können wir dennoch unmittelbar in der Apotheke lösen. Der Apotheker ist als Arzneimittelfachmann bestens für solche Situationen ausgebildet und es gibt in den meisten Fällen ein wirkstoffgleiches Präparat eines anderen Anbieters. Auch die Ärzte sind verständnisvoll, wenn Patienten somit rasch entsprechend versorgt werden können. Das Thema von Lieferengpässen wird uns leider auch in Zukunft begleiten. Zum Unterschied von vor 30 Jahren haben wir heute ein breites Produktsortiment von den Anbietern. Zum Beispiel bei Antibiotika: Dort gibt es wirkstoffgleiche Produkte von verschiedenen Herstellern“, führt Bauer aus.

Unabhängigkeit

„Politik und Wirtschaft sind daran interessiert, europäische Produktionsstätten zu errichten. Das braucht ein paar Jahre Vorlaufzeit, ist aber wichtig", schließt Bauer ab.