Im Bild: Privatbeteiligtenvertreter Carsten Koller
Erster Prozesstag im Pflegeskandal

- Privatbeteiligtenvertreter Carsten Koller
- Foto: Ilse Probst
- hochgeladen von Karin Kerzner
Der erste von insgesamt acht anberaumten Prozesstagen gegen vier ehemalige Pflegekräfte des Pflegeheimes "Clementinum" in Kirchstetten hat am 16. September am Landesgericht St. Pölten stattgefunden.
KIRCHSTETTEN/ST.PÖLTEN (ip). Mit erschütternden Vorwürfen seitens Staatsanwältin Barbara Kirchner begann am 16. September in St. Pölten der Prozess gegen vier ehemalige Pflegekräfte eines Heimes in Kirchstetten, den zwei Kolleginnen der Beschuldigten, die mit den Gegebenheiten auf ihrer Station völlig überfordert waren, 2016 ins Rollen brachten.
Wehrlosigkeit der Opfer
Die Angeklagten, ein 30-jähriger diplomierter Krankenpfleger und drei weibliche Pflegehilfskräfte im Alter von 55, 53 und 34 Jahren, sollen über einen längeren Zeitraum Bewohner des Heimes, die meist altersbedingt aufgrund ihrer geistigen und körperlichen Verfassung nicht mehr in der Lage gewesen seien, sich zu wehren oder sich zu artikulieren, gequält, vernachlässigt, verletzt und sexuell missbraucht haben. Die Anklage beruht überwiegend auf den Aussagen mehrerer Belastungszeugen, die ihre Beobachtungen zu Protokoll gaben. Ein forensischer IT-Spezialist konnte darüber hinaus die gelöschten Chat-Protokolle einer WhatsApp-Gruppe, der auch die Angeklagten angehörten, wieder herstellen. Auszüge aus den Beiträgen könne man, laut Kirchner, den genannten Beobachtungen zuordnen.
Vertrauen wurde erschüttert
Während der Verteidiger des Quartetts Stefan Gloß die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft heftig kritisierte und die Inhalte der rekonstruierten Chat-Protokolle anzweifelte, sprachen Privatbeteiligtenvertreter wie Carsten Koller und Michael Sedlacek von unfassbaren Grausamkeiten, die das Vertrauen der Angehörigen von Heimbewohnern zutiefst erschüttert hätten. Neben ihren Forderungen für ihre Mandanten, stellte auch die Rechtsvertreterin des Heimes einen Betrag von 10.000 Euro wegen Rufschädigung in den Raum.
Das Niveau ist immer so
Am ersten Verhandlungstag befragte die vorsitzende Richterin Doris Wais-Pfeffer zunächst den 30-Jährigen, der nicht nur als Pfleger sondern auch als Pflegeberater tätig war, danach stellte sich eine der beschuldigten Frauen den Fragen des Senats. Konfrontiert mit äußerst menschenverachtenden, ordinären Chatnachrichten, in denen man Bewohner etwa als „stinkende Säue“ bezeichnete oder den Rat „Hau sie alle in die Goschen, wenn sie nicht schlafen“ erteilte, meinte der Pfleger, dass es sich dabei um „Psychohygiene“ der, von der Arbeit überlasteten Gruppe gehandelt habe. Mit den Äußerungen habe man sich abreagiert, nichts davon sei in der Realität umgesetzt worden.
„Gibt es da auch eine andere Gesprächsbasis, oder ist das immer auf diesem Niveau?“, fragte die Richterin. „Das ist immer das Niveau“, erklärte der 30-Jährige, der sich selbst als „Master of death“ bezeichnete, wobei er zahlreiche, auch schlimmste Äußerungen als „nur zynisch gemeint“ und „zum Spaß geschrieben“ wertete.
Ähnlich dazu auch die Verantwortung seiner Kollegin, die von „sarkastischen, überspitzten“ Meldungen sprach, um die Dinge zu verarbeiten.
Die Einvernahme des Pflegers zu Gewalttätigkeiten, sexuellen Übergriffen und demütigenden Handlungen fanden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.




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