Oma (70) gewann Tagebuch-Slam
BADEN (gast). Sie hat schon zwei Enkerln, heißt Renate, ist 70 vorbei und immer noch passionierte Chorsängerin. Noch nie hat die Wiener Neustädterin bei einem Tagebuch Slam mitgemacht, denn das ist ja nur was für "junge Leute". Aber am 16. Februar war es so weit: Sie hat sich was getraut und sich für den 4. Tagebuch-Slam im Badener Cinema Paradiso angemeldet.
Dort fand sie im gut gefüllten Kinosaal drei weitere KandidatInnen und Publikum vor, das zum allergrößten Teil noch nicht geboren war, als sie ihren ersten Tagebucheintrag im selbst gebastelten Hefterl machte. Das war am 26. Jänner 1959. "Als ich jung war, wusste man nur, dass es Männer und Frauen gibt, aber nicht einmal, wie sie genau aussehen. Ihr heute geht in Scharen in 'The Shades of Grey'!"
Bei der Lesung aus ihrem Tagebuch durfte man sich auch in Erinnerung rufen, wie schwierig es in Vor-Handy-und-ja-vor-Privattelefon-Zeiten war, mit dem Angebeteten in Kontakt zu kommen: "Er hat mir einen Schilling gegeben, damit ich ihn anrufen kann!" Renate sorgte für Faszination und Lachen, in der ersten Runde gewann sie gegen die gleichfalls amüsante und um 23 Jahre jüngere Lokalmatadorin in Baden, Sabine.
In der zweiten Runde bekam Renate es mit dem um 46 Jahre jüngeren Martin aus Tirol zu tun, einem Studenten der vergleichenden Literaturwissenschaft. Er hatte knapp gegen die fast gleich junge Kerstin aus Bad Vöslau "gewonnen".
Auch in den beiden Finalbeiträgen drehte sich dann vieles um die schönste Nebensache der Welt. Renate war mit 45 noch einmal drei Monate lang "verliebt wie ein Backfisch" und zum 60. Geburtstag rätselte sie in ihrem Tagebuch darüber, wie "kluge Leute über ein sexerfülltes Alter sprechen können".
Martin hingegen plagte sich mit 16 nicht nur schriftlich mit seiner "anhaltenden Erfolglosigkeit bei Frauen" und fand im Internet die vier Säulen der Verführung: "Enthemmen, Stärken, Smalltalk, Eskalation". Gelächter im Publikum. Slammasterin Diana bat nach diesem Finale zum Schlussapplaus - und der fiel eindeutig zugunsten der "Oma" aus, die ungläubig die Hände zusammenschlug.
Slammasterin Diana übergab ihr als Geschenk - natürlich - ein Tagebuch mit vielen leeren Seiten. Verschiedenen Designs standen zur Auswahl, mit und ohne Schlüssel. "Mit Schlüssel brauch ich keins, ich find das Loch sowieso nicht mehr", schmunzelte Renate.
Zur Sache
Unter www.liebestagebuch.at findet man weitere Informationen über die von Diana veranstalteten Tagebuchslams. Auch in Baden wird es wieder einen geben! TeilnehmerInnen jeden Alters sind herzlich willkommen.
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