Richard Piock: "Reiner Populismus dreier Bürgermeister"

Vordenker Richard Piock verfolgt seit vielen Jahren innovative Ideen und Strategien für Osttirol. | Foto: Durst Phototechnik AG
  • Vordenker Richard Piock verfolgt seit vielen Jahren innovative Ideen und Strategien für Osttirol.
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Sie bezeichnen Osttirol als eine in Randlage befindliche, stark agrarisch geprägte, vom Tourismus lebende Region mit schrumpfender Bevölkerung. Ein Untergangsszenario?
RICHARD PIOCK: "Ein Ausdruck von Aufbruch ist in der Region nicht vorhanden. Und die Tendenzen gehen eindeutig in Richtung urbane Zentren. Wir haben Nachteile, sowohl wirtschaftliche als auch gesellschaftliche. Es besteht die Gefahr, dass Osttirol ein museales Gebiet mit überwiegend Menschen im Alter von über 70 oder 80 Jahren, ein Altersarmenhaus wird."

Vor über zwei Jahren wurde der Leitbildprozess „Vordenken für Osttirol“ auf Ihre Initiative ins Leben gerufen. Wie ist der aktuelle Stand der Entwicklungen und wie geht es weiter?
"Das Leitbild ist weitgehend abgeschlossen, definiert und es wurde auch mit der Tiroler Landesregierung diskutiert. Jetzt könnten mit einer eigenen Gesellschaft – in der etwa die Kammern, Standortagentur und auch Tourismus zusammenarbeiten – die Regionalentwicklung vorangetrieben und Projekte umgesetzt werden."

Wie sehen Sie generell die Stimmung in Osttirol? Optimistisch? Pessimistisch?
"Durch den Vordenkerprozess ist zwar eine gewisse Aufbruchsstimmung entstanden, Änderungen herbeizuführen. Jetzt, wo die Umsetzungsphase beginnen könnte, verlässt jedoch viele Menschen der Mut zu Neuem. Es hat wieder die Stimmung Einzug gehalten, auf jemanden zu warten, der etwas beginnt und auch finanziert. Es herrscht eine extreme Umsetzungsmüdigkeit."

Welche Projekte hätten sich herauskristallisiert?
"Es gäbe eine Reihe von Projekten. Sicher wird eine Dachmarke für unterschiedliche Osttiroler Bauernprodukte kreiert, es wird ein Kompetenzzentrum angestrebt, um für den Medizinalbereich Forschungen im Bereich 3D-Drucker zu etablieren, es wird intensiv daran gearbeitet, die Nutzungsmöglichkeiten des 'Natura 2000'-Gebietes zu durchleuchten oder die Installation eines 'Haus des Berges'. Durchaus Projekte mit guten Zukunftschancen. Als Ziel gilt die Schaffung von 650 Top-Arbeitsplätzen in zehn Jahren."

Natura 2000 – ein Thema, das in den letzten Wochen und Monaten die Gemüter in Osttirol erhitzt hat. Eine Chance für Osttirol?
"Das ist reiner Populismus von drei Bürgermeistern, die Kirchturmpolitik machen. Wenn man Osttirol als naturbelassenen Raum verkaufen will, so ist dieses Natura 2000-Gebiet wie ein internationales Zertifikat. Das muss ausgenutzt werden, nicht ein Kraftwerk, an dem nur die Rechte weiterverkauft würden."

Wie schaut die Zusammenarbeit mit Südtirol aus?
"Die Zusammenarbeit mit Südtirol ist sehr stark. Viele Initiativen und auch Leitbetriebe haben ihre Anfänge und Innovation in Südtirol. Und das kreide ich den Osttirolern an: Es wird bei uns zu wenig Initiative entwickelt, obwohl es hier auch junge, innovative Geister gibt."

Welche Möglichkeiten hätte die Landespolitik, hier Änderungen herbeizuführen, etwa in Sachen Bildung oder Infrastruktur?
"Primär muss der schnellstmögliche Internetausbau vorangetrieben werden, um den Standortnachteil einigermaßen auszugleichen. Auch braucht es Beratungsmöglichkeiten für junge, innovative Initiativen."

Im Rahmen des Leitbildprozesses wurde im vergangenen Herbst das Zukunftsbild "Osttirol 2025“ präsentiert. Wo sehen Sie Osttirol in 10 Jahren?
"Osttirol wird weniger Beschäftigte in der Landwirtschaft haben, aber die Landwirtschaft wird eine viel größere Wertschöpfung aufgrund der veredelten Produkte erwirtschaften. Die Natur sollte ideal ausgenutzt werden, um den Outdoor-Tourismus zu optimieren. Auch müssen wir aufhören, uns unter Wert zu verkaufen."

Sie waren als gebürtiger Südtiroler von 1994 bis 2000 Landeskommandant des Südtiroler Schützenbundes. Wie wichtig ist für Sie Tradition?
"Hinter einer Tradition steckt ein gewisses Wertegerüst, an das man sich in Zeiten der Globalisierung festhalten kann. Dazu zählen Tugenden wie Ehrlichkeit, Offenheit oder Respekt vor der Natur und dem Menschen. In Ost- und Nordtirol werden Traditionen vielfach nur nach außen hin gelebt, als reine Marketinggeschichte für den Tourismus. In Südtirol wird die Tradition noch weit ehrlicher gelebt."

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