„Die Inklusion muss ihre Grenzen haben“

Haimings Bürgermeister Josef Leitner fordert den Erhalt von Sonderpädagogischen Zentren und widerspricht Inklusions-Befürwortern.

HAIMING. Der Tiroler Gemeindeverband war es zuletzt, der auf zu erwartende Probleme hinsichtlich Inklusion im Schulbetrieb hinwies. Ganz auf dieser Linie ist auch Haimings Bürgermeister Josef Leitner, selbst Pädagoge und seines Zeichens auch Chef einer Standortgemeinde eines Sonderpädagogischen Zentrums. Für ihn ist klar, dass „die Inklusion Grenzen haben muss“, wie er im Gespräch mit den BEZIRKSBLÄTTERN klar macht.

BB: Die Inklusion sieht in letzter Konsequenz die Auflassung von Sonderpädagogischen Zentren vor.

Leitner: Das ist völlig inakzeptabel! In eben diesen Zentren wird hervorragende Arbeit geleistet. Wer immer auch die Abschaffung fordert, stellt das Wirken des hoch engagierten und qualifizierten Personals in diesen Zentren in Frage. Wer Zweifel am Funktionieren der sonderpädagogischen Zentren hat, den lade ich gerne in unsere Einrichtung nach Ötztal-Bahnhof ein, um sich vom Gegenteil zu überzeugen.

BB: Nichts desto trotz wird vor alle auch von Landesseite massive Werbung für die Inklusion gemacht. Verständlich?

Leitner: In meinen Augen überhaupt nicht. Für Kinder mit besonderem Förderbedarf soll es auch spezielle Bildungseinrichtungen geben. Sonderpädagogische Zentren haben sich über Jahrzehnte bewährt. Genau dort arbeitet auch das Personal mit der notwendigen Ausbildung.

BB: Nun wird aber oft der Bezirks Reutte als Paradebeispiel für eine 100-Prozentige Inklusion angeführt.

Leitner: Wo die Alternative fehlt, sind 100 Prozent leicht zu erreichen. Im Außerfern gibt es kein Sonderpädagogisches Zentrum, die Eltern haben dementsprechend auch keine Wahlfreiheit, wie es sie eigentlich geben müsste. Und es soll ja letztlich sogar so sein, dass manche Eltern ihr Kinder in Zentren ins Allgäu oder ins Elisabethinum bringen. Die scheinen dann in der Landesstatistik aber nicht auf.

BB: Die Inklusion scheint auch mit einem ungeheuren Mehraufwand verbunden.

Leitner: Daran besteht kein Zweifel. Jede Schule benötigt dann ein deutliche Aufstockung an Stützlehrern und Betreuungspersonal. Und die Kosten dafür würden dann auch noch zu einem guten Teil an den Gemeinden hängen bleiben. Wieder einmal Kosten, die den Kommunen von oben aufs Auge gedrückt werden.

BB: Ist ein konventionell ausgebildeter Lehrer in der Lage, behinderte Kinder zu unterrichten?

Leitner: Ganz klar: Nein! Ich selbst wäre dazu auch nicht fähig. Aber es hat sich ja in den vergangenen Jahren sogar die Lehrerausbildung dahingehend geändert, dass es keine Spezialausbildung in Richtung Unterricht für Kinder mit speziellem Förderbedarf mehr gibt. Früher hatte ein so genannte Sonderpädagoge eine völlig andere Grundhaltung zum behinderten Kind. Eine normale Lehrkraft an vergleichbarer Stelle wäre hingegen schlichtweg überfordert.

BB: Wie sollte die Lösung ausschauen?

Leitner: Auf alle Fälle sollen die Sonderpädagogischen Zentren in ihrer bisherigen Form erhalten bleiben. Es wurde ja auch nicht umsonst viel Geld in die Hand genommen, um diese in der Vergangenheit entsprechend aufzurüsten. Jedes Kind muss bestmöglich gefördert werden. Das muss für Kinder mit Behinderung ebenso gelten wie für hochtalentierte.

BB: Inklusions-Beförworter sagen, die Gegner würden sich hinter dem Geld-Argument verstecken.

Leitner: Eine ziemliche blauäugige Sichtweise! Erstens sind wir als Gemeinden dazu verpflichtet, auch auf die Finanzen zu schauen. Zweitens wurde, wie bereits erwähnt, in die Sonderpädagogischen Zentren viel Geld investiert, um Kindern mit speziellen Förderbedarf eine bestmögliche Ausbildung zu ermöglichen. Das wird von jenen, die am lautesten schreien unter den Tisch gekehrt bzw. hat für sie ein SPZ keinen Wert mehr. Da frage ich mich schon, wie realitätsfremd manche sind.

Das Gesprächf führte Peter Leitner

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