DEF ILL: "Das waren Konzerte, die mein Leben verändert haben"

Def Ill war vergangenen Samstag zu Gast im Q-West in Kufstein, wir trafen ihn vor dem Auftritt zum Interview.
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Stell dich vielleicht einfach mal vor – wer bist du, was machst du?

Mein Name ist Def Ill, aka Governor General Ruffian Rugged, von Boombokkz Recordz, von Fireclath Sound und Fireclath Productions und ich mache zu viel, um das in wenige Worte zu fassen.

Das hat man, wenn man in Österreich ein wenig Hip-Hop-affin ist ja mittlerweile mitbekommen

Ich hoffe.

"Austrias fastest Rapper" ist ja nicht nur ein Schlagwort, sondern Programm

Ja, ich hoffe, dass keiner schneller ist, sonst hätte ich es zumindest noch nicht gehört.

Wenn es nach dir geht, sollte man allen seinen Freunden sagen "Rap is zruck" – Wo war Rap vorher?

Rap war ursprünglich, für mich persönlich... also Rap ist so vielseitig, dass es jetzt ignorant wäre, wenn ich "neuen Rap" nicht respektieren würde, aber der Sound von Rap ging immer mehr in Richtung Plastik und viele Rapper sind immer materialistischer und mit kommerziellerem Gedanken an die Sache herangegangen. Auch die, die ich früher selbst gehört habe, haben sich ins Negative verändert. Darum ist "Rap is zruck" eine Metapher dafür, dass wir noch Hip-Hop nach der Alten Schule machen, mit der wir aufgewachsen sind. Alá D.I.T.C., Pete Rock und so.

Also nach der Prämisse "each one teach one"?

Ja genau.

Vermisst du das heute im Rap?

Ja, prinzipiell schon. Also ich leg' auch mal Kanye West auf, aber ich mag ihn halt als Person nicht – außer das Interview "You ain't got the answers Sway!", das ist ein Klassiker. Das Problem ist halt, dass Message in Lyrics, im Rap, für mich der Grund war, warum ich mich als Kind auf Hip-Hop gestürzt habe, auch, als ich es noch nicht mal richtig verstanden habe, weil ich halt... sechs Jahre alt war. Aber ich bin immer hineingekippt, auf Rapper wie Immortal Technique, Wise Intelligent, Poor Righteous Teachers, Ras Kass – das waren Leute, die mir eine African History beigebracht haben, auch, wenn manche von Ras Kass' alten Sachen vielleicht eher Spekulationen sind. Aber das waren Leute, die mich auf den Weg gebracht haben, dass ich politische Lyrics schreibe. Ich gehe gern auf Konzerte, wo man einfach Spaß haben kann, wo Parodien sind und die Rapper nur Gaudi machen. Und ich schau mir gern mal ein Video von denen an, und wenn ich besoffen bin, feier ich davon auch so manches, allerdings ist mir der Hip-Hop noch immer lieber, der mir zuhause was beibringt. Wenn ich einen Immortal Technique höre, der in einem Track sagt, dass die USA Al-Kaida 1989-91 finanziert haben. Das ist dann etwas, was ich in deutschen Lyrics wiedergebe, für Leute die Ami-Rap nicht verstehen. Das war mir auf den letzten Mixtapes zum Beispiel sehr wichtig. Dass ich Fakten, die andere Rapper schon in Tracks gebracht haben, mit Fakten, die noch nie erwähnt wurden bisher, mische, und so den Leuten näher bringe. Ich habe Hip-Hop immer gehört, um etwas dazu zu lernen. Ich habe auch aus Rap Englisch gelernt, nicht aus der Schule (schmunzelt). Und darum will ich die Leute auch teachen, weil mir hat Hip-Hop sehr viel beigebracht im Leben.

Teacher ist aber mittlerweile eher ein Schimpfwort, oder?

Ja, das ist ungefähr so wie "Rucksackrapper". Das Problem ist, dass diese "neuen" Rapper, die meinen, sie machen jetzt alles neu – das ist schön und gut und sie haben ihren kurzen Hype so lange Hip-Hop in dieser Richtung ist – aber man muss immer Solidarität zur Basis haben.

Wenn du die Parodie im Rap ansprichst, an wen denkst du da – Money Boy?

Im Endeffekt kenne ich diese Diplomarbeit von Money Boy schon lange. Aber ähnlich wie die Meisten, die diesen Hype auf Youtube haben, sind das Parodiekonzepte. Und das ist nicht nur er, das sind 90 Prozent von dem, worauf sich die Leute grade stürzen. Das ist einfach das Konzept: "Meint er das ernst, oder tut er nur so und ist sich dessen bewusst? Ist er jetzt dumm, oder sogar schlau, weil er uns verarscht, und glauben macht er sei dumm." Das ist einfach das perfekte Konzept heutzutage, weil die Welt schnelllebig ist, aber Jeder will mal kurz lachen. Die Wenigsten setzen sich heute noch mit irgendetwas länger auseinander, das gibt's einfach kaum mehr.

Wie war deine Hip-Hop-Sozialisation? Bist du mit Ami-Rap aufgewachsen?

Naja, also ursprünglich... Ich schäme mich da auch nicht, aber hab das lange nicht mehr erzählt, aber ich hab im Alter von 6 Jahren über meine Schwester Fettes Brot gehört. Da gibt's deren erstes Album "Auf einem Auge blöd", das meiner Meinung nach noch immer eines der Deutschen Alben mit den fettesten Beats ist. Das war noch ein Sound, den hört man heute nicht mehr. Viele sagen heute, Fettes Brot sind fake. Ich hör' das heute auch nicht mehr, nur die alten Sachen, eher aus Nostalgie. Aber es gibt schon heute auch Rapper wie Morlokk Dilemma, die den Boombox-Shit in Deutschland zurückbringen, aber das sind halt wenige.

Da gäbe es zum Beispiel noch Prinz Pi

Den habe ich, bis auf das Xzibit Cover "Keine Liebe" nie so gefeiert, aber ich versteh auch, warum sich da viele Leute drauf stürzen. Ich habe auch lange zeitgleich Blumentopf und Kool Savas gehört. Das war halt meine Kindheit, damit bin ich aufgewachsen. Als dann das Englische dazu kam, haben ich und mein Producer Konstantin Diggn, den ich seit Kindertagen kenne, halt Dilated Peoples "Platform" auf Viva 2 gesehn damals – den Sender gibt's ja leider auch nicht mehr. Bei Supreme hast du damals halt noch jemanden wie Taktlo$$ im Fernsehn gesehn, das waren noch andere Welten. Jede Art von Rap hat mich damals geprägt.

Und mit Linz als Homebase hattest du auch eine florierende Stadt

Absolut, weil wir dank Flip in der Kapu die schönsten Jams erlebt haben. Ich habe in jungen Jahren Party Arty - rest in Peace - und A.G. gesehn, und das waren Konzerte mit 14, die mein Leben verändert haben. Da sind wir dagestanden, und alle zwei Zeilen so "Boah, hast du das gehört, das war ein Scratch aus dem Lied, und das war aus dem" und so weiter. Da kommt man halt dann auf die Basics. Ich habe zwar vorher schon einiges gekannt, aber live hat man halt dann diese Schlüsselerlebnisse. irgendwann hab ich halt dann ehrlich gesagt nur noch Ami-Rap gehört. Ich hör mir halt natürlich Deutsch-Rap an, um zu sehn ob Andere die gleichen Rhymes oder Vergleiche benutzen wie ich, weil ich so viel schreibe, dass da manchmal Überschneidungen da sind. Weil ich es nicht releasen will, wenn jemand anderes das schon gesagt hat.

Um Biter-Vorwürfen aus dem Weg zu gehen?

Ja, es gibt viele Rhymes, die hab ich unabhängig davon geschrieben, und dann hör ich einen Samy Deluxe oder Kollegah-Track, wo ähnliche Sachen dabei sind. Und dann check ich halt schon alles ab, damit ich sicher gehe, dass ich nichts schon Dagewesenes bringe. Aber prinzipiell hör ich nur Ami-Rap daheim.

Du hast ja in den letzten Jahren ein ziemliches Arbeitspensum an den Tag gelegt, was Releases angeht. Wie muss man sich das vorstellen, wieviel schreibst in einer gewissen Zeit?

Ständig eigentlich. Also jetzt hab ich zwei Kinder, da schreibe ich nicht mehr so viel, weil die Kinder früher im Bett sind. Aber prinzipiell habe ich eine Zeit lang zwei bis zehn Beats an einem Tag gemacht, dann auf zwei oder drei von denen je einen Track. Manchmal hab ich sechs Tracks an einem Tag aufgenommen. Wenn Leute zu mir gekommen sind oft fünf Tracks oder Kollabos. Ich habe halt einen ständigen Drang gehabt. Ich war süchtig danach Musik zu machen. Ich war besessen in meinem Element und hab eigentlich vor meiner Familie nichts anderes gemacht.
Mir wird immer die Quantität vorgeworfen, wobei in meiner Quantität schon trotzdem Qualität in der Delivery und den Beats steckt – also meines Erachtens, das ist halt Geschmackssache. Aber das Traurige ist, dass, wenn man so viel macht, sich die wenigsten Leute die Zeit nehmen, um deinen Output zu verfolgen. Mir fällt grade auf, umso mehr ich bringe, umso weniger kommt es bei den Leuten auch an.

Müsste man sich also rarer machen?

Ja, man müsste sich theoretisch rarer machen, laut den heutigen Marketingkonzepten – so wie es die Labels machen. Da gibt's ein kurzes Verschwinden, dann kommt eine Single, manche Rapper verschwinden auch länger, kommen dann zurück und nutzen diesen kurzen Comeback-Hype. Ich hab das nie machen können, weil ich so viele Tracks gemacht habe, dass, wenn ich sie nicht release, würde ich so hinten nach hängen, dass ich irgendwann drei Alben gleichzeitig rausbringen müsste. Ich mache halt einfach viel und will, dass viel die Leute erreicht. Auch wenn nur die Wenigsten alles checken. Es gibt halt manche Lieder, die bekannter sind – es ist mir aber scheiss egal, es muss raus. Es ist mir das Wichtigste, dass die Leute hören was ich mache.

Würdest du sagen, dass es in Österreich eine Szene dafür gibt, also eine Rap-Szene, die auch zusammenhält

Ja sicher. In einem kleinen Land redet Jeder über Jeden. Wenn du irgendwo kurz floppst, gibt es viele die haten. Auch viele Freunde, die mit dir Party machen, mit dir auflegen oder rappen, werden dann sagen "na, an dem Abend war er scheisse", oder "da war er zu besoffen". Aber das ist kein Österreichproblem, das ist ein globales Szeneproblem, dass einfach Jeder über Jeden redet. Ich red ja auch über Andere offen und ehrlich. Das ist auch kein Problem. Aber ich glaub, dass es schon bei uns eine coole Szene gibt, es gibt viele mit denen ich down bin. Auch wenn ich in Tracks oft die Szene hate, weil ich gegen diesen Hollywoodscheissdreck bin – auf einen Jam gehen und cool ausschaun und mit der neuen Roc-a-fella-Jacke posen und sich wie der Wichtigste vorkommen und mit niemandem sprechen, sich über die Betrunkenen aufregen und dann im Backstage selbst total zusammenbrechen. ich bin gegen die Arroganz in einer Szene, aber ich hab viele Homies in Österreich. Sei es die Salzburg-Posse, T-Ser und alle, sei es in Wien...

Du hast also durchaus positive Verbindungen zur Szene

Auf jeden Fall! Mit meiner Boombokkz-Crew, Digga Mindz, Konstantin Diggn, mit dem mach ich grade ein Album, das wird das Beste, das wir jemals gemacht haben.
Ich äußere mich nichtmehr negativ über die Szene, das mach ich schon in Liedern genug, das fasst es eh zusammen.

Österreichische Musik hatte immer wieder Phasen, wo sie als Advantgarde, als Speerspitze für "den nächsten Sound" verantwortlich war – Waxos, Sofa Surfers, Vienna Scientists, heute die Betty Ford Boys oder die Beats von Konstantin Diggn, wird da das Potenzial bei uns zu Hause nicht erkannt?

Auf jeden Fall! Also sei es jetz Konstantin Diggn, der Boombap-Shit macht – okay, er is mei Producer, aber ungeachtet dessen – auf einem Level, der lange nicht mehr da war. Oder eh Brenk, Fid Mella, das sind super Producer. Österreich ist auf einem Level, das sich international echt nicht zu verstecken braucht! Digga Mindz – Spacemonkey! Das ist Synthie-Shit aber auf einem realen Level, manche Leute verwechseln Synthie mit Fake. Dann gibt's in Linz Leute wie Ability, die haben die Future-Sound-Parties und spielen einen ganz anderen Sound. Das ist dann eher so ambient, electro-influenced, aber großteils doch noch Hip-Hop, auch wenn's fpr den "normalen" Hip-Hop-Hörer eher nix ist. Aber es ist auf jeden Fall revolutionär. Und grade in Österreich haben einige Producer extrem viel Talent. Eben die vorher erwähnten. Digga Mindz macht seit über 10 Jahren Musik, IllMindz (Def Ill & Digga Mindz) gibt's jetzt seit acht Jahren. Konstantin Diggn ist ja auch nicht aus dem Erdloch gekommen, der hat vorher schon für mich und Digga produziert und sich damals "Loco" genannt.

Das internationale Feedback war ja auch bei dir grade wieder sichtbar, beim "Definition Of A Rap Flow Contest

Wenn Talib Kweli und Vinnie Paz über dich schreiben – das war mir eine der größten Ehren meines Lebens. So eine Ehre hat man selten. Es ist eine schöne Bestätigung für jahrelange Arbeit, wenn ein Video auch irgendwann mal wo ankommt.

Bist du heute zum ersten Mal in Kufstein?

Ich hab mit Iron Shirt in Tirol gespielt, aber das war mit Fireclath in Fieberbrunn. Dr. Dub und so, das sind Homies von mir, Fieberbrunn ist deren Hood. Das war einer der besten Dances der letzten Jahre – für so einen kleinen Club so eine fette Massive!

Und sonst halt in Innsbruck
Ja, da war ich mit Laima (von Texta), mit dem hab ich ein Album aufgenommen. Da startet jetzt dann die TNT-Tour, also Texta und Blumentopf, da treten Laima und ich als Support auf. Also wen's interessiert: Hinkommen!

Da kam ja erst vor Kurzem das Video zu "Fasching" raus, wie seid ihr auf diese Idee gekommen?

Das war lustig, weil Laima und ich ewig überlegt haben, einen Track zu machen, bei dem er mir den Part schreibt und ich ihm. Das war die Grundidee. Und dann sitzen wir im Auto und fahren zum Diggn zum Beatshören und sind dann draufgekommen... Laima schaut mich an und sagt: "Hey hör zu, du bist ich, ich bin du im Track, das muss Fasching heissen, weil an Fasching verkleidet man sich. Und dann haben wir am Faschingsdienstag an der Linzer Landstraße das Video gemacht. Wir waren ein bisschen enttäuscht, dass so wenige verkleidet waren, außer uns.

Bist du ein Faschingstyp?

Nein. Wir wurden früher immer angesprochen, von wegen "Hey, du gehst a als Hip-Hopper", was halt lustig ist, wenn du nicht verkleidet bist. Aber die ganze Welt ist eine Maskerade und jede Szene ist eine Maskerade und ich geb' ehrlich gesagt keinen Fick auf Szenen... also ich steigere mich nicht mehr so in Rap hinein wie früher.

Du bist also ruhiger geworden?

Ja, und wenn man sich in jeden Beef reinsteigert, dan wird man cholerisch und verrückt. Und man stumpft ab.

Was Beef angeht, lange halten das die Meisten ja auch nicht durch mit dir (Vamus, etc.)

Ja, der sudert noch immer, nach vier Jahren, in jedem verfickten Interview über mich, aber ich denk mir immer: Der Klügere gibt nach. Und wenn er nochmal die Goschn aufreisst, dann gibt's was, dass er sich anscheisst. Es ist ja nicht so, als hätt ich nicht die Parts daheim. Man sollte halt immer wissen, wer qualitativ und lyrisch über einem steht, bevor man sich mit jemandem anlegt.
Aber ich will mich nicht über sie äußern, weil sie äußern sich genug über mich und schenken mir Promo, weil sie Vollidioten sind. Und sind anscheinend besessen von mir, weil sonst würde es nicht noch immer in jedem Interview heissen: "Def, der ist nicht real, nein, der ist nicht real, der kann nicht real sein, nana. Der hat zwar Rap zurück gebracht in Österreich für viele Leute und wird viel gebitet, aber nein nein, wie müssen Rap neu definieren, Rap ist jetzt saufen. Aber wir müssen uns die Szene trotzdem gefügig machen, weil ich mag das nicht, wenn ich nicht gemocht werde. Und drum muss ich auf wichtig tun." (lacht)

Danke für das Interview und deine Zeit vor dem Auftritt jetzt

Es war mir eine Freude.

(Interview von Sebastian Noggler)

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