Multikulti in Paris - Streit um eine Vorhaut, Hochzeiten und ein wenig Rassismus
Monsieur Claude ist ein rechtschaffener Mann - konservativ, steif und manchmal etwas spießig. Als Gaullist will er gesehen werden, als gemäßigter Rechter. Er verbittet sich, als Rassist bezeichnet zu werden. Mit seinen vier Töchtern hat er es nicht immer leicht. Sie sind nicht gerade angepasst, aber auch keine bekifften Frauen. Vor allem sind sie mit Männern liiert, die ihren Vater schon mal tief Luft holen lassen. So tummeln sich in der Familienaufstellung ein Chinese, ein Moslem und ein Jude. Das führt naturgemäß zu Konflikten, weniger politisch, sondern mehr in der persönlichen Lebenshaltung. Ambitioniert und heftig wird diskutiert, ob die Vorhaut des Judenbabys beschnitten werden soll oder nicht. Für den Vater des Kindes ist das keine Frage, die Vorhaut muss runter und wird den Schwiegereltern zum Vergraben im Garten übergeben. Widerwillig nehmen sie das „Geschenk“ an, ohne zu bedenken, dass im Fond des Autos ein Hund sitzt, für den die Vorhaut eine willkommene Abwechslung im Speiseplan darstellt.
Drei Töchter sind schon unter der Haube. Die vierte ziert sich, bzw. lässt alle in diesem Glauben. Heimlich trifft sich Laura mit dem Farbigen Charles. Entsetzen macht sich in der heiligen Familie breit, als sich das Gerücht bestätigt, dass Laura einen Afrikaner liebt. Besonders Vater Claude kramt alle Vorurteile, Intoleranzen und Abwehr-Mechanismen hervor, und da fällt schon mal das Wort „Neger“. Das erste Kennenlernen von Charles‘ Eltern mit Claude Verneuil fällt zunächst unerfreulich aus. Man streitet via Skype über die Hochzeit, das Hochzeitsessen, die Anzahl der Gäste und das Geld. (Charles ist Schauspieler mit unbekanntem Einkommen). Claude sieht ein finanzielles Desaster über sich hereinbrechen. Mit dem Eintreffen der ungeliebten Familie in Paris ändern sich nicht viel, vor allem die Männer liefern sich unfeine Untergriffe, während die Ehefrauen die Situation pragmatisch sehen. Der Erkenntnis, dass an der Liebe zwischen Laura und Charles nicht zu rütteln ist, fügen sich beide Väter dann doch noch. Bei einem Angelausflug und einem anschließenden Besäufnis legen sie ihre Divergenzen ad acta. Die einschreitende Polizei - aufgrund der Alkohol-Ausschreitungen gerufen - zieht sich zurück, während die Schwiegersöhne (auch der in spe) versuchen, die nunmehr „verhaberten“ betrunkenen Männer trotz Kleidertausch in die Normalität zurückzubringen. Alles gut? Alles gut!
Besonders gut die SchauspielerInnen: Siegfried Walther (Claude), seine Frau (Susa Meyer), die Töchter Isabelle (Michaela Kaspar), Michelle (Silvia Meisterle), Adele (Daniela Golpashin), Laura (Martina Ebm), die Schwiegersöhne Ljubiša Lupo Grujčić (Araber), Martin Niedermair (Jude), Vincent Bueno (Chinese), Peter Marton (Afrikaner), dessen Eltern Félix Kama, und Ida Ouhé-Schmidt und Markus Kofler als Rabbi, Pfarrer, Xavier, Psychologe und Polizist. Regie in dieser Uraufführung führt Folke Braband, der einmal mehr eine Komödie auf die Bühne bringt, die zum Nachdenken und Lachen führen soll.
Das ist in reichlichem Übermaß gelungen. Die Rotenturmstraße war voll von fröhlichen Menschen. Der Film war ein Kinohit, die Kammerspiele-Aufführung ebenfalls.
Die nächste nicht ausverkaufte Vorstellung ist am 13.10.2016.
Infos und Tickets: www.josefstadt.org
Reinhard Hübl
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