Der ewige Gegensatz
Jesus unterwegs auf den Höhen über dem See Genezareth:
"Sag uns, Rabbi, was sollen wir nun glauben? Du sprichst von dieser Kirche, die man in Deinem Namen entstehen lassen soll, und dann von der Lüge derer, die darin Ruhm und Macht suchen... aber du lehrst uns auch, dass dies alles notwendig sei. Wenn Irren einer unserer Meister ist, warum nennt man ihn dann Irrtum?"
"Man spricht von Irrtum, weil dieser uns erlaubt, uns in einer Zickzacklinie meinem Vater zu nähern; es ist eine Strecke voller Kurven, Gegensätze und Leiden. Und dies unterscheidet diesen Weg eben von dem, der präzise und direkt ist wie ein Pfeil, der schnurgerade in sein Ziel fliegt.
Und nun, meine Freunde, was antwortet ihr auf diese Frage, die ich euch stellen möchte: Was muss man tun, um zu diesem Pfeil zu werden, der in das Herz der Zielscheibe trifft?"
"In deine Fußstapfen treten, Rabbi!" rief Esther aus...
"Glaubst du dies wirklich? Hast du schon einmal auf einem Strand beobachtet, was geschieht, wenn du deine Füße genau in die Spuren der Person setzt, die vor dir gegangen ist?"
Esther blieb wie versteinert. "Nun, kleine Schwester... deine Spuren verformen unvermeidlich diejenigen, in denen du schreiten wolltest. Dies ist ein Naturgesetz, dass allerdings ein anderes, größeres verdeckt...
Wenn du nicht du selbst sein kannst, dann beschädigst du das, was das Leben in der Welt in Bewegung gesetzt hat. Darum sollen die Schritte, die du zu unternehmen gedrängt wirst, auch wirklich deine Schritte sein, und auch dein Denken soll in jeder Beziehung dein eigenes Denken sein.
Ist dir klar, was ich damit sagen will?
Wenn du meine Worte wortwörtlich wiederholst, das heißt, wenn du nicht deine eigenen Worte lernst, kann das, was in mir ist, dich nicht in vollem Maße erfassen. Das Leben, das mein Vater der Welt schenkt, ist einzig, aber es verlangt nach dem Duft und der Farbe eines jeden.
Willst du, dass meine und deine Spuren miteinander verschmelzen, dann, wahrlich, ich sage dir, wirst du nicht wirklich die Worte der Liebe aussprechen. Deine Worte werden nur einfache Widerspiegelungen der Liebe sein, denn du hast es nur verstanden, diese Worte zu reproduzieren, statt das Leben in dir und durch dich handeln zu lassen. Du hast also ihren Wert durch deine Worte verdeckt und auch ärmer gemacht... und du hast dich selbst vor dir verschleiert.
Wenn ich euch dazu aufrufe, das aufzusammeln, wovon meine Seele überläuft, so geschieht dies gewiss nicht mit der Absicht, dass ihr meine Seinsweise nachahmt. Meine Art zu Sein soll für euch nur Quelle der Inspiration sein, die Essenz eures Wachsens und eurer Rückkehr zum Licht...
~ aus "Essener Visionen"
Der ewige Gegensatz
Das sagen auch die Mystiker aller Zeiten. Wenn Thomas von Kempen eine »Imitatione Christi« predigt, meint er vielleicht nicht, dass du ein Jesus werden sollst oder ein Thomas von Kempen, sondern darin folge Jesus:
Sei so echt du selbst, wie Jesus es war! Werde nicht Buddhist, sondern ein Buddha.
Was zur Folge hat, dass du dich mit den Brahmanen deiner Zeit konfrontierst, und die dich wahrscheinlich nicht akzeptieren werden.
Der Mystiker steht immer in einem gewissen Gegensatz zu den religiösen Institutionen der Gesellschaft. Die Traditionen des Zen und der Sufis haben diesen Gegensatz zu integrieren versucht. Die Rebellionen gegen Institutionen zu institutionalisieren, das gelingt aber immer nur teilweise. Irgendwann muss auch der Schüler eines Erwachten, eines wirklich freien Menschen, zu sich kommen und sich vom Lehrer befreien und von allen erlernten Regeln. Mystik lässt sich nicht institutionalisieren.
~ aus der Zeitschrift Connection Spirit
Es ist vielleicht kein schlechtes Ziel im Leben, den höchsten Teil deines Selbst zu kennen, zu erfahren und dort zentriert zu bleiben.
An erster Stelle muss also die Beziehung zu eurem Selbst stehen.
Ihr müsst als erstes lernen, euer Selbst zu achten, zu schätzen und zu lieben.
Ihr müsst zuerst euer Selbst als würdig ansehen,
bevor ihr einen anderen als würdig ansehen könnt.
Ihr müsst zuerst euer Selbst als gesegnet ansehen,
bevor ihr einen anderen als gesegnet ansehen könnt.
Ihr müsst zuerst euer Selbst als heilig erkennen,
bevor ihr die Heiligkeit im anderen anerkennen könnt.
Wenn ihr den Karren vor den Ochsen spannt – wie es die meisten Religionen von euch fordern – und einen anderen als heilig anerkennt, bevor ihr euch selbst als heilig akzeptiert, werdet ihr das eines Tages übel nehmen. Wenn es etwas gibt, das keiner von euch tolerieren kann, dann ist es das, dass jemand heiliger ist als ihr. Doch eure Religionen zwingen euch dazu, dass ihr andere heiliger nennt als euch.
Und ihr befolgt das auch – für eine Weile. Dann kreuzigt ihr sie.
Ihr habt alle meine Lehrer gekreuzigt, nicht nur einen.
Und das tatet ihr nicht, weil sie heiliger waren als ihr, sondern weil ihr sie dazu gemacht habt.
Meine Lehrer verkündeten sämtlich die gleiche Botschaft. Und diese lautet nicht „ Ich bin heiliger als ihr“, sondern „Ihr seid so heilig, wie ich es bin.“
Das ist die Botschaft, die zu hören ihr nicht fähig wart; das ist die Wahrheit, die ihr nicht akzeptieren konntet...
~ aus “Gespräche mit Gott”
Du sollst den Herrn deinen Gott lieben aus ganzem Herzen, deiner ganzen Seele, mit allen deinen Kräften und mit deinem ganzen Gemüte, und deinen Nächsten wie dich selbst! (Luk 10, 27)
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