Fassungslosigkeit nach Totgeburt – "War mein Kind kein Mensch", fragt eine Mutter

Luis - und ich | Foto: privat

SIEGHARTSKIRCHEN/GABLITZ/TULLN (wp).Nach einer Fehlgeburt hadert eine Mutter mit gesetzlichen Bestimmungen. Ihr bei der Geburt verstorbener Sohn wurde als Mensch bestattet – aber, um Mutterschutz nach der Geburt zu erhalten, dazu war er drei Zentimeter zu klein.
Als Regina Meidl (Name geändert) vom Frauenarzt die Bestätigung für ihre Schwangerschaft erhielt, waren sie und ihr Mann voller Freude. Sie erzählten die Frohbotschaft ihrer Familie, planten und überlegten, wie sie ihrem Kind eine gute Geburt und Zukunft garantieren könnten. Der Verlauf der Schwangerschaft war für die werdende Mutter zwar anstrengend und mit körperlichen Mühen verbunden, aber die regelmäßigen medizinischen Untersuchungen waren beruhigend. Das Baby im Bauch der Mutter war spürbar lebhaft. „Er war mit mir eins“, erzählt Meidl.

Zusammenbruch und Tod
In der 23. Schwangerschaftswoche, am 20. August 2010, setzten plötzlich Frühwehen ein. Die werdende Mutter musste eilends ins Landesklinikum gebracht werden, wo sie vor Schmerzen zusammenbrach. Das diensthabende Medizinerteam musste sofort den Geburtsvorgang einleiten. Und dann die Katastrophe: Der Geburtsvorgang verlief zwar vorerst normal, aber das zur Welt gebrachte 540 Gramm schwere Kind verstarb nach wenigen Herzschlägen. Warum ist bis jetzt nicht eindeutig geklärt. Für die junge Frau und ihren bei der Geburt anwesenden Lebenspartner stürzte eine Welt ein, als sie das tote Kind zum Abschied in Händen hielten. Trotz tiefer Trauer galt es aber nun, für die Bestattung des toten Kindes zu sorgen, da das Gesetz auch bei einer Fehlgeburt ab 500 Gramm dies so vorsieht. „Wir haben uns für eine Einäscherung entschieden“, erzählt Regina Meidl, „da wir unseren Sohn gern bei uns zu Hause in einer Urne haben wollten.“ Dabei gab es eine unerwartete Überraschung für Meidl: Die Kremierung des kleinen Körpers in St. Pölten kostete gleich viel wie jene eines Erwachsenen, was Christa Riedler von der Bestattung Neulengbach begründet: „Egal ob Föten- oder Erwachsenensarg: Der Ofen, in dem die Verbrennung stattfindet, muss in beiden Fällen – unabhängig von der Größe des zu verbrennenden Körpers – voll aufgeheizt werden, damit es zu einer völligen Ein-äscherung kommen kann.“

Fötus kein Mensch?
Nun wartete ein weiterer Schlag auf die Mutter des toten Kindes. Da ihr bei der Geburt verstorbener Sohn etwas kleiner als 35 Zentimeter war, so wurde ihr seitens der NÖ Gebietskrankenkasse (NÖGKK) gesagt, hätte sie keinen Anspruch auf Mutterschutz bzw. Wochengeld. Damit fällt auch der Kündigungsschutz der in Gablitz bei einem technischen Prüfbüro vor der Karenz beschäftigten Frau weg. Seitens der NÖGKK bestätigt dies Manfred Fohringer von der Leistungsabteilung einschränkend: „Im Falle einer Fehlgeburt gebührt das Wochengeld nur für die Zeit bis zum Eintritt der Fehlgeburt.“ So sähe es das Gesetz vor.
„Seitens der Bestattung wird mein toter Sohn als Mensch anerkannt, seitens der Gebietskrankenkasse und den Arbeitnehmergesetzen war mein Kind kein Mensch“, zeigt sich Meidl irritiert. „Ich habe die gleichen körperlichen Beschwerden wie jede andere Mutter auf mich nehmen müssen, aber ich habe keinen Anspruch auf Mutterschutz, weil ich sofort wieder arbeitspflichtig werde, habe keinen Kündigungsschutz, kein Recht auf Trauer und kein Recht auf Heilung der Gebärmutter, die im Normalfall nach der Geburt vier bis sechs Wochen in Anspruch nimmt.“ Sie setzt nach: „Hier wird die Würde eines Menschen mittels Gesetzesparagrafen definiert,
bzw. außer Kraft gesetzt.“

NÖGKK: Zu Redaktionsschluss doch noch Mutterschutz
Zu Redaktionsschluss wird die Causa von der NÖGKK noch einmal geprüft. Es hätten Unterlagen gefehlt, die nun organisiert worden wären. „Daraus ergibt sich, dass die Betroffene doch Mutterschutz genießen kann“, verkündet Fohringer. Die Mutter zeigt sich erleichtert, meint aber irritiert: „Der NÖGKK lagen alle Daten auf. Warum war das nicht früher möglich? Die psychischen Belastungen sind enorm gewesen.“

Werner Pelz

KOMMENTAR
(Un)Barmherzig
Der Tod eines Kindes löst immer Betroffenheit aus. Betroffen machen aber auch gesetzliche Bestimmungen, die definieren, ab welcher Größe und welchem Gewicht sozusagen ein Mensch ein Mensch ist. Für die Bestattung genügt es, 500 Gramm zu wiegen, damit ein Mensch (nach seiner Fehlgeburt) regulär – und im Fall der Einäscherung zum vollen Preis – wie ein Erwachsener behandelt wird. Einer Mutter gegenüber erteilte die NÖGKK die Auskunft, ihr Kind sei mit 31 Zentimetern zu klein gewesen. Das heißt: kein Mutterschutz, aber volle Arbeitspflicht am Tag nach der Geburt. Eine Kündigung durch den Dienstgeber, der Ersatz für die erwartete Karenzierung der Mutter hatte, wäre möglich gewesen. Nach Bezirksblatt-Recherchen gab es zu Redaktionsschluss eine Wende: Angeblich bisher nicht vorhandene, aber nun aufgetauchte Unterlagen ließen die NÖGKK verlauten: Die Mutter ist im Mutterschutz. Danke! Gesetz und Vorgehensweise der NÖGKK sollten trotzdem schleunigst überdacht werden.

Zur Sache
Säuglingssterberate
>> Aus der NÖ Landesklinikenholding heißt es auf die Anfrage nach der genauen Sterblichkeitsrate für Säuglinge in den Landeskliniken Tulln und Klosterneuburg etwas lapidar, sie liege unter 3 Promille, was unter dem Europadurchschnitt sei.

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