Terror im Gerichtssaal: St. Pöltner fällen Urteil

Urteil offen: Wie werden die Schöffen abstimmen?
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ST. PÖLTEN (ah). 164 Menschenseelen befinden sich auf einem Flug von Berlin nach München. Nichtsahnend liegt deren Schicksal von nun an in den Händen von Terroristen, die das Flugzeug entführt haben und nun direkt auf ein vollbesetztes Fußballstadion zusteuern, und in den Händen eines deutschen Bundeswehr-Kampfpiloten namens Lars Koch. Diesen Namen werden einige St. Pöltner gut in Erinnerung behalten, denn sie schlüpfen in die Rolle von Schöffen und entscheiden über dessen Zukunft.

"Terror" in St. Pölten

Das Theaterstück "Terror" des deutschen Schriftstellers Ferdinand von Schirach wurde im Oktober 2015 uraufgeführt. Im Februar wird das Stück unter der Leitung von Regisseurin Heidelinde Leutgöb im Landesgericht St. Pölten aufgeführt. "Als Spielort für diese Produktion ist ganz bewusst ein großer Schwurgerichtssaal gewählt, um eine möglichst authentische Atmosphäre für dieses Justizdrama herzustellen", so die Pressesprecherin Ines Ardelt.

Terror: nicht nur ein Stück

Das Stück trifft mit seinem Kernthema bedauerlicherweise den Zahn der Zeit, betrachtet man die jüngsten weltpolitischen Ereignisse.
Besondere Brisanz erlangt das Stück durch die Tatsache, dass das Publikum an diesem Abend direkt involviert ist. Den Zuschauern kommt die Rolle der Schöffen zu. Sie werden am Schluss per Stimmzettel darüber abstimmen, ob Lars Koch, der Pilot, der entweder das Flugzeug abschießt oder nicht, verurteilt oder freigesprochen wird.

Gibt es eine Lösung?

Die Regisseurin Heidelinde Leutgöb reizte an der Inszenierung vor allem, dass "Terror" unzählige Fragen aufwirft, für die es keine letztgültigen Lösungen gibt. "Von Schirach zwingt aber sein Publikum, sich mit diesen Fragen auseinanderzusetzen. Dieser von Schirach genial eingesetzte interaktive Aspekt des Stücks macht auch den besonderen Reiz jeder Aufführung aus. Das Stück hat zwei verschiedene Schlüsse, je nachdem, wie die Schöffen abstimmen", so Leutgöb im Bezirksblätter-Gespräch. "Nicht zuletzt ist es unglaublich aktuell und könnte leider jederzeit zur schmerzlichen Realität werden. Die Frage, wie man in Zukunft auf die immer häufiger werdenden terroristischen Anschläge auf unsere Gesellschaft reagieren soll und wie wir uns davor schützen können, ist eine äußerst wichtige und brisante. Das Stück bietet zwar keine Lösungsvorschläge, aber es setzt einen Diskurs in Gang, der zu einer möglichen Lösung beitragen könnte."

Warum St. Pölten?

"Das Landesgericht St. Pölten besitzt einen wunderbaren Schwurgerichtssaal und war sofort an einem Gastspiel von "Terror" sehr interessiert. Wir freuen uns, dass wir unsere Produktion hier zeigen dürfen und werden unsere Vorstellungsserie, die uns auch an die Landesgerichte in Graz, Linz, Steyr und Ried führen wird, hier in St. Pölten am 22. Februar 2017 starten", so Leutgöb.

Termine in St. Pölten: Premiere am 22.Februar 2017, 19.30. 23.Februar 10 und 19.30, 24.Februar – 10 und 19.30, Landesgericht St. Pölten, großer Schwurgerichtssaal.

Interview mit Regisseurin Heidelinde Leitgöb

Das Justizdrama Terror von Ferdinand Schirach wird das erste Mal unter der Regie von Heidelinde Leutgöb in Österreich aufgeführt. 
Was reizte Sie daran gerade dieses Stück zu inszenieren?

Das Stück wurde im Oktober 2015 in Deutschland uraufgeführt. Auf der Suche nach einem geeigneten Stück für unser Theater sind wird schon sehr früh darauf aufmerksam geworden und haben beim Verlag angefragt. Zu dieser Zeit wurde TERROR bereits an zahlreichen Theatern in Deutschland gespielt oder war in Planung. In Österreich interessierten sich die Theater aber noch nicht so stark dafür. Das war unsere Chance und wir haben zu unserer großen Überraschung die Rechte für die Österreichische Erstaufführung bekommen.

Mir waren die Bücher von Schirach natürlich bekannt. Sein klarer und knapper Stil, seine schnörkellose Erzählweise hat mich immer schon sehr begeistert und angesprochen. An TERROR interessierte mich von Anfang an die grundlegende Fragestellung: Darf man einen unschuldigen Menschen opfern um mehrere zu retten? Darf Leben gegen Leben abgewogen werden? Im Stück entscheidet sich der Luftwaffenkapitän Lars Koch dafür, 164 Personen einer von Terroristen gekaperten Lufthansa-Maschine zu opfern, um 70 000 Menschen in einem Stadion zu retten. Er hat damit klar gegen den Befehl seines Vorgesetzten und damit gegen die Verfassung verstoßen. Gibt es aber Situationen, in denen man gegen die Verfassung eines Landes, die unser Zusammenleben regelt und schützt, handeln kann und darf? Koch war der festen Überzeugung, das einzig Richtige zu tun. Aber war es das? Hätte es vielleicht andere Möglichkeiten gegeben, die Menschen zu retten?

TERROR wirft unzählige Fragen auf, für die es keine letztgültigen Lösungen gibt. Von Schirach zwingt aber sein Publikum, sich mit diesen Fragen auseinander zu setzen, denn die ZuschauerInnen müssen als Schöffen der Gerichtsverhandlung am Ende des Prozesses über Schuld bzw. Unschuld des Angeklagten abstimmen. Dieser von Schirach genial eingesetzte interaktive Aspekt des Stückes macht auch den besonderen Reiz jeder Aufführung aus. Das Stück hat zwei verschiedene Schlüsse, je nachdem wie die Schöffen abstimmen. Kaum ein Stück erzeugt so viel Diskussionsbedarf bei den ZuschauerInnen wie dieses. Nicht nur unmittelbar vor der Abstimmung, sondern schon in der Pause und vor allem in den unzähligen teilweise heftig geführten Diskussionen nach den Vorstellungen.

Nicht zuletzt ist das Stück unglaublich aktuell und könnte leider jederzeit zur schmerzlichen Realität werden. Die Frage, wie man in Zukunft auf die immer häufiger werdenden terroristischen Anschläge auf unsere Gesellschaft reagieren soll und wie wir uns davor schützen können, ist eine äußerst wichtige und brisante. Das Stück bietet zwar keine Lösungsvorschläge, aber es setzt einen Diskurs in Gang, der zu einer möglichen Lösung beitragen könnte.

Die Zuschauer schlüpfen in die Rolle der Schöffen. Denken Sie, dass sich bei den Aufführungen in Österreich eine Tendenz aufzeigen wird?
Bei allen unseren bisherigen Aufführungen am Landesgericht Linz war eine klare Tendenz in Richtung Freispruch des Angeklagten zu erkennen. Das deckt sich auch mit den Abstimmungsergebnissen aller anderen Produktionen weltweit. 60,1% der Schöffen (= BesucherInnen) haben bisher weltweit für einen Freispruch gestimmt. In Linz gab es von 18 Vorstellungen einen einzigen Schuldspruch. Bei manchen Vorstellungen lag das Abstimmungsergebnis allerdings sehr knapp beisammen.

Wir haben beobachtet, dass die ZuschauerInnen im Laufe der Aufführung immer wieder ihre Meinung diesbezüglich wechseln, je nachdem, wessen Aussage gerade zu hören ist. Das ist von Ferdinand von Schirach sehr klug konzipiert und geschrieben. Besonders die Plädoyers im 2. Teil des Stückes spiegeln das Dilemma der eigentlichen Unlösbarkeit des Problems sehr gut wider, denn für beide Positionen gibt es sehr gute und richtige Argumente. Letztlich entscheiden die ZuschauerInnen aber weniger nach juristischen Gesichtspunkten, sondern viel mehr nach emotionalen Aspekten. Was die grundsätzliche Problematik der Laiengerichtsbarkeit, die derzeit in Österreich ja heftig diskutiert wird, sehr gut widerspiegelt.

Warum wurde die Justizanstalt St. Pölten als eine der Aufführungsorte ausgewählt?
theater@work ist dafür bekannt, mit seinen Produktionen sehr nah am Publikum zu agieren. Das heißt, wir suchen für unsere Produktionen immer außergewöhnliche Spielorte, die mit dem Inhalt der Stücke korrespondieren. Da TERROR eine Gerichtsverhandlung zum Inhalt hat, war es naheliegend, als Spielort einen großen Schwurgerichtssaal zu suchen. Das Konzept unserer Aufführung von TERROR basiert darauf, einen möglichst authentischen Prozess zu zeigen, in dem die BesucherInnen sehr bald vergessen sollen, dass sie sich eigentlich in einem Theaterstück befinden. Schon beim Betreten des Gebäudes mit den aufwändigen Sicherheitskontrollen tauchen die BesucherInnen in die Gerichtsatmosphäre und damit in das Stück ein.

Die Aufführungen am Landesgericht Linz im vergangenen Jahr waren bereits am Tag der Premiere alle restlos ausverkauft. Die ungemindert große Nachfrage nach Karten hat uns bewogen, das Stück 2017 wiederaufzunehmen und auch an anderen Landesgerichten zu zeigen. Das Landesgericht St. Pölten besitzt einen wunderbaren Schwurgerichtssaal und war von Anfang an einem Gastspiel von TERROR sehr interessiert. Wir freuen uns, dass wir unsere Produktion hier zeigen dürfen und werden unsere Vorstellungsserie, die uns auch an die Landesgerichte in Graz, Linz, Steyr und Ried führen wird, hier in St. Pölten am 22. Februar 2017 starten.

Urteil offen: Wie werden die Schöffen abstimmen?
Regisseurin Heidelinde Leutgöb spricht im Bezirksblätter-Gespräch über den Reiz, dieses Theaterstück zu inszenieren.

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