FARN. Märchen und Geschichten für Kinder, Kindsköpfe und Kind gebliebene - Teil 78

In wenigen Tagen ist Sommersonnenwende. Der Tag an dem Pflanzen und Kräuter die volle Kraft der Sonne in sich tragen und auch die Menschen Sonnenhungrig ins Freie pilgern. Mystische Sonnwendfeuer lassen selbst die modernsten Zeitgenossen etwas von der Sonnwendmagie der Kelten erahnen. Die wohl Geschichten umwobenste Sonnwendpflanze ist der Farn. Er soll der Sage nach in der Sonnwendnacht eine Blüte hervorbringen, die viele geheime Wünsche erfüllen kann. Als eine der ältesten Pflanzen der Erde besitzt er aber auch heilende Eigenschaften. Als mich vor ein paar Tagen heftige Kreuzschmerzen plagten, riet mir eine kräuterkundige Freundin, einen Farnzweig mit der Spitze nach unten auf die schmerzende Stelle am Rückgrat aufzulegen. Die glatte Oberseite berührte die Haut, die Sporenseite zeigte nach außen. Ob Sie's glauben oder nicht - die Rückenschmerzen waren nach wenigen Tagen weg. Für mich wieder einmal ein Beweiß dafür, dass man sich manchmal auch erlauben darf, einfach einmal ganz fest an etwas zu glauben ; - )

FARNZEIT

Tim ist auf der Flucht. Wie verrückt tritt er in die Pedale seines alten klapprigen Fahrrads und radelt um sein Leben. Schon wieder hatte ihn die "Cola-Gang" überrascht, als er sein Fahrradschloss aufsperren wollte. Er war allein. Freunde die ihn verteidigten, hatte er keine. Die fiesen Cola-Buben drohten Tim zu verprügeln. Als er sie aber geschickt austrixte und ihnen wieder durch die Lappen ging, wollten sie ihn in die stinkende Mülltonne hinter der Schulkaffeteria stecken. Gott sei Dank ist Tim so flink und wendig.

Keuchend wirft Tim einen Blick über die Schulter. "Shit!" Die hatten einfach viel schnellere Räder als er. Kurz entschlossen nimmt er die Abkürzung durch den Auwald. "AAAhhhhh!" Das Fahrrad rutscht auf dem feuchten Waldboden aus, Tim verliert die Kontrolle und stürzt Hals über Kopf die Böschung hinunter. "Bin ich jetzt tot?" denkt Tim als er langsam die Augen aufschlägt und verschwommen die flimmernden Lichtstrahlen zu ihm durchdringen, die sich vereinzelt ihren Weg durchs Maigrüne Blätterdach des Mischwaldes bahnen.

Nach einer Weile rappelt er sich mühsam auf, bewegt vorsichtig die Glieder. "Nee, alles noch dran!" stellt er erleichtert fest. "Und noch dazu funktionstüchtig! Da hab ich wohl ziemliches Glück gehabt!" Als er sich genauer umsieht, bemerkt Tim, was ihm das Leben gerettet hat. Er war wie eine Rakete in einen großen uralten Wurmfarn eingeschlagen, der den Aufprall wie ein dickes Federbett abgefangen hatte.

Nachdenklich lässt sich Tim neben dem Farn auf dem weichen, moosbewachsenen Waldboden nieder. "Seit Papa tot ist, geht einfach alles schief!"

Angefangen hatte alles vor einem Jahr. Sie waren in die fremde Stadt gezogen, weil Papa hier diese tolle Arbeit angeboten bekommen hatte. Mutti wollte sich etwas passendes suchen, sobald wir uns alle eingelebt haben.

Und dann kam der schreckliche Unfall. Papa ist tot und Mutti und ich sitzen hier fest - in der fremden Stadt. Es war wie ein Teufelskreis: Ohne Arbeit kein Wegkommen, ohne Freunde keine Arbeit. Ihnen fehlte sogar das Geld zum Lottospielen. "Aber vergiss nicht, Tim! Bläute ihm Mutti fast täglich ein. Egal wie es uns momentan finanziell geht, die wahren Werte sind Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit. Steh für deine Gedanken ein. Und - egal was die anderen tun, Tim, bleib dir und deinen Prinzipien treu!" "Wenn das nur nicht so verdammt schwer wäre!" hadert Tim mit sich selber. Würde ich mich mit den Jungs von der "Cola-Bande" zusammen tun, hätte ich wenigstens Freunde und etwas von dem Pausengeld, das sie ihren Opfern heimlich abknüpfen..."

Seufzend spielt er mit einem jungen Farntrieb, der seine Spitze noch eingerollt hat. Vom Treiben ringsherum bekommt er nichts mit - weder das Zwitschern der Vögel, noch das leise Rauschen der Bäume im Wind. Doch etwas dringt doch durch zu ihm. Die Sporen an der Blattunterseite leuchten so kräftig und schwefelgelb, wie er es noch nie zuvor gesehen hat. Seltsam! Dieser Farn übt eine so starke Anziehungskraft auf Tim aus, dass er gar nicht mehr wegsehen kann. Instinktiv greift er nach dem Farnwedel. Will die Sporen wegschnipsen.

Da rollt sich der Farn ein. Tim ist es, als würde er gleich mit eingezogen, verliert den Boden unter den Füßen. In einem wilden Wirbel wird er durch Raum und Zeit katapultiert. Es gibt nichts was ihn stoppen, nichts woran er sich festhalten kann. Als er das Bewusstsein wieder erlangt, blinzelt er vorsichtig zwischen den Lidern hervor - presst sie aber gleich wieder fest zusammen. Das was er sieht, ergibt keinen Sinn! Rund um ihn wachsen Farne in den Himmel - so groß und mächtig wie Bäume. Das Klima ist fast tropisch und auch die anderen Pflanzen haben Formen, wie er sie in dieser Dimension noch nie zuvor gesehen hat. "He, wie hieß dieses Teil noch gleich? Hat uns damit der olle Hinterer nicht erst letzte Woche im Bio Unterricht gelangweilt...? Schachtelhalm, wenn ich mich nicht irre..."

Da fing auch noch die Erde unter seinen Füßen an bedrohlich zu vibrieren. In einiger Entfernung kriecht die größte Echse, die er je gesehen hatte aus dem Wasser. "Heilige Scheiße!" flüsterte Tim, ohne sich seiner Wortwahl bewusst zu sein. "Mein Biologiebuch ist zum Leben erwacht - willkommen in der Karbonzeit!" Wie konnte das passieren? Das Farngewächs hatte ihn mir nix dir nix 300 000 Millionen Jahre zurück verfrachtet. Das Recht hatte nicht einmal eine der ältesten Pflanzen der Erde!

"Aaahhhh! Lauf Tim!" schreit er laut auf und nimmt schon wieder die Beine in die Hand. Wenigstens das ist ihm vertraut - gewohntes Terrain: auf der Flucht sein.

Die etwa 6 Meter lange Riesenechse hat ihn fest mit ihren grässlichen Echsenaugen anvisiert. Geistesgegenwärtig springt Tim hinter einen dicken Farn-Baum. "Wohin jetzt? Gibt es denn keinen Unterschlupf, keine Höhle in der ich mich verstecken kann?" Da bemerkt er aus den Augenwinkeln abermals die sonderbaren grell leuichtenden Sporen auf der Unterseite der riesen Farnwedel - nur sind diese hier viel viel größer - inetwa so groß wie eine Frisbeescheibe. Tim streckt die Hand aus. Er will sie - nein - er muss sie berühren. Mit beiden Armen versucht er die Spore vom Farnbaum zu reißen. Da rutscht ihm zum zweiten Mal der Boden unter den Füßen weg. Wieder beginnt sich alles um ihn zu drehen.

Als Tim zum wieder durch Zeit und Raum geschleudert wird, spürt er beinah so etwas wie Erleichterung. Das war knapp! Unsanft schlägt er auf dem Boden auf. In seinem Kopf dreht sich alles und er ist ganz schwindelig. Übelkeit steigt in ihm hoch. Aber es ist niemand da, der ihm helfen könnte oder sagen, wo er sich befindet. Es ist finster, unheimlich und kalt. Das geheimnisvolle Säuseln rund um ihn und die Umrisse lassen in der Dämmerung einen Wald erahnen. Draußen muss wohl die Sonne gerade noch beim Untergehen sein, aber hier unter den hohen Bäumen ist es stockfinster und Totenstill - als würde das finstere Dickicht rund um ihn jeden Ton, jedes Geräusch verschlingen. Aber nein! Nicht ganz! Angestrengt spitzt Tim die Ohren. Sind das tatsächlich Menschen die sich unweit von ihm unterhalten? Als sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt haben, kann er die Umrisse zweier Männer erspähen. Kopfbedeckungen und Umhänge wirken ziemlich mittelalterlich. An ihren Gürteln baumeln Schwerter und Dolche.

"Exakt zwischen dem 6. und dem 7. Glockenschlag der 12 Schläge um Mitternacht erscheint die Farnblüte, Wilbolt! Die Schrift sagt: "Wem es gelingt sie zu pflücken, erhält Reichtum und Glück, ein Lebtag lang! Die Beschreibung ist ziemlich genau. Trotzdem müssen wir auf der Hut sein, denn die Farnblüte erscheint nur eine Sekunde, trägt Früchte und ist sogleich wieder verschwunden. Viele haben versucht sie zu pflücken - vergebens. Doch wir, Wilbolt, wir haben als Zeitangabe die alte Prophezeiung des Orakels von Tourandot. Diesmal muss es einfach klappen!"

"Kümmere du dich um die Blüte, Hönnlin! Du kennst doch die andere Schrift, die diese Eigenschaften den Farnsamen zuschreibt. Ich werde wohl am Besten nach den Samen Ausschau halten!"

Tim läuft ein Schauer den Rücken hinunter. Alles ist so Unheimlich hier. Als die Männer offenbar weiter gegangen sind, steigt ein wohliges Gefühl der Erleichterung in seinem Inneren hoch.

"Was suchst du, Bursch, ganz allein im Wald mitten in der Johannisnacht?" Erschrocken zuckt Tim zusammen. Nein, die Gestalt die dort eben aus dem Nichts aufgetaucht ist, meint nicht ihn. Dort beim großen Farnbusch steht ein anderer Bursche. "In der Johannisnacht blüht der Farn und trägt Zauberfrüchte, sagen die einen. Die anderen sagen man fände an Johannis glühende Kohlen bei seinen Wurzeln. Ich sage dir es gibt weit mehr zu finden. Was, das will ich herausfinden!"

Sein Gegenüber stimmt hämisch in das Lachen des Burschen ein. Scharrt dabei genüsslich mit dem Klumpfuß im Waldboden. Viele haben gesucht, nur wenige gefunden. Verkauf mir deine Seele, den Vertrag besiegeln wir mit deinem Blute. Schon im Morgengrauen wirst du mit einem Topf voll Gold nach Hause gehen!"
"Tu's nicht!" Am Liebsten wäre Tim aus seinem Versteck hervorgesprungen. Dann aber siegte doch der Respekt, den er vor dem Teufel hatte.

Als der Höllenfürst verschwunden ist, der Bursch den Goldtopf ausgegraben und sich damit geflissentlich aus dem Staub gemacht hat, gibt es für Tim nur mehr einen Gedanken: "Ab nach Hause, Tim!" Schweißgebadet sieht er sich nach einer Fluchtmöglichkeit um. Da fällt ihm das Loch auf, aus dem der Junge den Goldtopf gehoben hat. Ein Farnwedel ist abgebrochen und hineingefallen. Von den Sporen geht abermals das seltsame schwefelgelbe Licht aus. "Spring, Tim!" Ohne weiter nachzudenken nimmt Tim einen Anlauf und springt mitten hinein ins Teufelsloch. "Aaaahhhhh!"

Der Sturz durch die Zeiten ist diesmal noch heftiger. Mit schmerzenden Gliedern und pochenden Schläfen richtet er sich mühsam auf. Neben ihm liegt sein klappriges altes Fahrrad. "Allmächtiger!" ruft Tim mit unendlicher Erleichterung. "Ich hab's tatsächlich geschafft! Nix wie ab zu Mutti!" Aus den Augenwinkeln nimmt er ein Leuchten und Glitzern wahr. Ein Blick auf den Boden lässt ihn die Luft anhalten: vor ihm liegt der Goldtopf. Drinnen befinden sich alte Goldmünzen, die ziemlich wertvoll aussehen. Wenn ich die behalte und heimlich verhökere, sind wir unsere Sorgen ein und für alle Mal los! Aber Mutti zieht mir das Fell über die Ohren!" Und so beschließt Tim schweren Herzens den Fund ins Museum zu bringen.

"Wow! Das ist ja unglaublich!" haucht Tims Mutter als er ihr den Topf zeigt. "Was da alles im Wald herumliegt! Sieht stark nach Spätmittelalter aus! Ich glaube, der ist ziemlich wertvoll!" Mutti kannte sich mit alten Sachen aus. Daheim hat sie im Museum gearbeitet.

"Eine Kraft wie Sie, Frau Jansen, haben wir schon lange gesucht!" freut sich Museumsdirektor Palau und besiegelt den Dienstvertrag vorweg per Handschlag. "Auch der Ehrlichkeit ihres Sohnes zolle ich großen Respekt! Ich bin mir ziemlich sicher, dass angesichts des großen Wertes dieses Exponats auch ein saftiger Finderlohn herausschaut!"

Glück macht offenbar ziemlich müde. Zuhause fällt Tim an diesem Abend sofort ins wohlig vertraute Bett. Mutti deckt ihn - wie an jedem Abend - zu und gibt ihm einen Gute-Nacht-Kuss. "Weißt du, Tim, irgendwie kann ich unser Glück noch immer kaum fassen!" flüstert Frau Jansen mit Tränen in den Augen. Sogar eine eigene Dienstwohnung bekommen wir, direkt beim Museum. Herr Direktor Palau hat gesagt, dass gleich daneben eine sehr gute Schule für dich ist! ... aber... apropos Schule... Tim! Hast du morgen nicht Bio Test! Und noch dazu über die Karbonzeit... Du meine Güte... das wird diesmal ziemlich mager aussehen...!" "Karbonzeit... baumhohe Riesenfarne, riesen Schachtelhalme, 6 Meter große Echsen, vor 300 000 Millionen Jahren... Pflanzen wurden zu Kohle..." Das alles sprudelte schon im Halbschlaf aus Tim heraus. Kopfschüttelnd streicht Frau Jansen ihrem Sohn übers Haar.

"Wenn das Papi erleben könnte! Jetzt wird alles Gut für uns mein Schatz! Tim, du bist ein Teufelskerl!"

"Sag das nicht Mutti!" antwortet Tim schlaftrunken und erinnert sich mit Grauen an die Herkunft des Goldtopfs. Dieses Kapitel will er so schnell wie möglich vergessen! "Ich hab nur das getan, was du mir immer eingebläut hast. Und manchmal ist offensichtlich wirklich was dran, an deinen alten Binsenweisheiten!"

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