Volkskultur: Glaube als Angelpunkt

Pfarrer Gerhard Hörting (links) bringt seine Angelegenheiten sehr entspannt voran.
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  • Pfarrer Gerhard Hörting (links) bringt seine Angelegenheiten sehr entspannt voran.
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Brauchtum kommt nicht vom Event-Management, sondern aus dem Leben der Leute. Ein Fest bei der Lanzl-Kapelle in Nitscha machte eben anschaulich, daß menschliche Gemeinschaft Rituale, Symbole und besondere Anlässe braucht, um Halt zu bilden.


Bernadette Höfler begrüßte gut fünf Generationen an Gästen. Historiker Peter Gerstmann schilderte die Geschichte dieses Ortes. Der merklich gut gelaunte Pfarrer Gerhard Hörting zelebrierte eine Messe, an der auch Gleisdorfs Bürgermeister Christoph Stark und sein Vize Peter Schiefer teilnahmen.

Da wurde gesungen, musiziert und gebetet, während Österreich seinen nächsten Bundespräsidenten wählte. Am Fuße des Hügels standen gut beschirmte Wirtshaustische. All das bei prächtigem Wetter, als wollte jemand einen perfekten Augenblick hinbekommen.

Ich fand dieses Ereignis sehr aufschlußreich, wo man verstehen will, wie sich tradierte kulturelle Formen von dem unterscheiden, was uns die Unterhaltungsindustrie als „Volkskultur“ andient. Hier mischt sich offenbar das eigene Interesse konkreter Personen eines bestimmten Raumes mit den Verpflichtungen, die man einer Gemeinschaft gegenüber eingegangen ist.

Es ist der konkrete Ort, von dem das ganze Fest auf bestimmte Art gefärbt wird.

Sechs Familien aus dem Dorf hatten es übernommen, diese Kapelle zu erhalten und den Platz als Treffpunkt zu pflegen. All das geht auf einen Kaplan zurück, der hier im 18. Jahrhundert einen Weingarten angelegt und ein Haus erbaut hatte. Zusätzlich beschaffte er sich die Erlaubnis zum Bau der Kapelle und eine Meßlizenz.

Ein bemerkenswertes Unternehmen, wenn man bedenkt, wie bescheiden die meisten Selbstversorger-Wirtschaften der notorisch armen Gegend damals waren.

Heute erhält also private Initiative diesen geweihten Ort auf hohem Niveau. Zu den Menschen aus der Umgebung gesellten sich für das Fest Formationen der Feuerwehr, des Kameradschaftsbundes mit seinen ernst blickenden Exponenten sowie eine gut gelaunte Abordnung der Gleisdorfer Stadtkapelle.

Mitglieder des Pfarrgemeinderates und des nitschinger Vereinswesens machten zusätzlich klar, daß auf soziale Kontakte geachtet wird. Die Anwesenheit der Bezirksbäuerin betonte die agrarischen Wurzeln dieser Geselligkeit. Während Säuglinge und sehr betagte Menschen nur mit Hilfe den Hügel hinaufgelangen konnten, war dazwischen ein Gehen, Schreiten und Laufen aller Altersstufen.

Das soll betont sein, damit deutlich wird, was so ein Fest den Menschen bedeuten dürfte. An der Kleidung der Gäste ließ sich das ganze soziale und kulturelle Spektrum der Umgebung ablesen. Allerhand Aufgeregtheit in salopper Garderobe und formellen Ausstattungen illustrierten die verschiedenen Zugänge. Sonntagsgewand, Uniform, Freizeitmode, dazwischen unbeschwerte Teenager mit ihren eigenen Konzepten.

Das macht deutlich, wie an stillen, etwas entlegenen Orten gemeinsam ein Lauschen in die Vergangenheit stattfindet, um Perspektiven der Zukunft zu erahnen. Diese Zusammenkunft bezieht Anlässe und Formen aus dem Brauchtum, wird dadurch selbst dazu, ist auf jeden Fall Ausdruck von Traditionsbewußtsein, erlaubt aber mittendrin auch alle zeitgemäßen Spielarten gesellschaftlicher Realität.

Das zeigt sich gleichermaßen über Trachtenblusen, Joppen und T-Shirts. Es verbindet sich kurz über festliche Worte und gemeinsames Liedgut.

Nitscha ist heute ein Teil der Stadt Gleisdorf, war eben noch eine eigene Gemeinde, die ihrerseits vor Jahrzehnten aus mehreren Katastralgemeinden formiert wurde. So weiß man, wer man ist, kann dennoch jemand anderer werden, wobei die christlichen Zeichen für eine Kontinuität stehen, um die herum der Wandel das stets Gegenwärtige ist.

In einer Zeit, da längst Wirtschaft und Werbung die bedeutendsten Quellen der Identitätsstiftung einer Gesellschaft sind, wo uns Werbeagenturen Politik und Konsumartikel mit den gleichen Methoden schmackhaft zu machen versuchen, wirkt hier das Traditionelle eigenartig avantgardistisch, wenn auch nicht immer gleich klar ist, in welche Richtung.

Aber das mag man auf jeden Fall begreifen: Wir erleben gerade derart fundamentale Umbrüche, daß demnächst vermutlich jeder Fixpunkt hilfreich ist, um gesellschaftlichen Halt zustandezubringen. Die Kapellengemeinschaft Nitscha-Wolfgruben hat eben eine Variante, wie das gehen kann, gezeigt.

+) Volkskultur [link]

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